Propst Marcus Antonioli zum 80. Jahrestag des Kriegsendes: "Befreiung von einem mörderischen und hasserfüllten System"

Propst Marcus Antonioli

Foto: Privat

08.05.2025 · Wismar/Schwerin. Auf den 80. Jahrestag des Kriegsendes in Europa ging der mecklenburgische Propst Marcus Antonioli (Wismar) in seiner jüngsten Predigt in St. Nikolai Wismar ein. Nach den Worten des Theologen habe es lange gedauert, „bis wir diese Niederlage als Befreiung von einem mörderischen und hasserfüllten System begreifen konnten. Einigen kommt das ja bis heute nicht über die Lippen“.

Propst Antonioli erinnerte an die Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, die er als 14-Jähriger zum 40. Jahrestag des Kriegsendes hörte und wie der Politiker „diesen Tag als Tag der Befreiung feierte…“. Wörtlich fügte der Propst hinzu: „Ich begreife die Geschichte unseres Landes nach 1945 bis heute, als große Barmherzigkeit. Manchmal ist eine Niederlage eine große Chance, sonst wären wir wohl ein Volk von KZ-Wärtern geworden.“

 

Kirchliche Veranstaltungsreihe stellte Täter in den Mittelpunkt

 

Zugleich verwies Propst Antonioli auf die aktuelle Veranstaltungsreihe des Kirchenkreises Mecklenburg und von sechs Kirchengemeinden zwischen Wismar und Parchim. „Wir haben als evangelische Kirche an unterschiedlichen Orten eingeladen, um sich zu erinnern, was damals am Kriegsende hier im Westen Mecklenburgs geschehen ist. Wir erinnern uns an die schlimme Situation der Menschen, die Angst und die Not, ohne jedoch zu vergessen, dass die Täter, die Verursacher dieses Leids ja auch aus unseren Dörfern und Städten stammten.“ Dieser oft nur unzureichend beleuchtete Aspekt, der Täter, sei auf besonderes Interesse der zahlreichen Besucher in Groß Trebbow, Schwerin, Carlow, Parchim und Severin gestoßen.

 

Jugendliche berichten in Wismar von Fahrten zu Orten der Shoa

 

Bei der sechsten und letzten Veranstaltung der Reihe an diesem Freitag, 9. Mai, um 19.30 Uhr in der Turmkirche St. Nikolai in Wismar werde zudem eine Gruppe der Evangelischen Jugend „von ihre Reise zu Gedenkorten der Shoa, der Vernichtung der europäischen Juden, berichten. Eine Reise nach Osteuropa und eine Reise in eine andere Zeit!“, so der Prost, der dazu herzlich einlädt. Mehr: www.kirche-mv.de/80-jahre-kriegsende

 

Der Frieden ist etwas Kostbares

 

Ganz persönlich formulierte Marcus Antonioli, dass ihm die Erinnerung wichtig sei, weil „sie uns heute vor Augen führt, wohin die Welt driftet, wenn wir keine Barmherzigkeit mehr kennen! Unsere Vorfahren haben sich damals auf einen falschen Weg in den Abgrund führen lassen. Im Namen eines skrupellosen Diktators und einer auf Ausgrenzung basierenden Volksgemeinschaft, sind die Menschen in den Untergang marschiert, die überwiegende Mehrheit ebenfalls. Und Gott sei es geklagt, auch die Kirche hat kaum widersprochen. Wenige wie etwa Dietrich Bonhoeffer haben klar und deutlich widersprochen oder gar Widerstand geleistet! Ich meine, dass wir aus der Vergangenheit etwas lernen sollten. -  Den unendlichen Wert jeder Menschenseele und dass der Frieden kostbar ist.“

 

Die Barmherzigkeit brauche nach den Worten des mecklenburgischen Propstes auch heute „glaubwürdige Vertreter und Vertreterinnen! Das beginne im Kleinen, vielleicht in der Schule und auf Arbeit, wo vielleicht gehetzt und gemobbt wird: Da braucht es unsere klare Haltung! Es würde uns gut zu Gesicht stehen, wenn wir als Christinnen und Christen den Ausgegrenzten unsere Tür öffnen und den Verlachten beistehen. Das gilt übrigens auch in den sozialen Medien, denn dort wird oft ganz ungehemmt, die Menschenwürde beleidigt. Ja, und es gilt auch in unseren politischen Haltungen, wir sollten mit unserer Wahl nicht billigend in Kauf nehmen, dass sich die schlimmen Zeiten wiederholen“.

Quelle: ELKM (cme)