Sprengelbericht Bischof Jeremias fordert eine "verletzliche Kirche"

Bischof Tilman Jeremias bei seinem Sprengelbericht vor der Landessynode der Nordkirche.

Foto: Nordkirche/S. Hübner

23.02.2024 · Lübeck-Travemünde/Greifswald. In seinem Sprengelbericht zum Thema „Verletzliche Kirche" fordert Bischof Tilman Jeremias eine tiefgreifende Neuausrichtung der evangelischen Kirche. Die Kirche müsse sich als „verletzliche, versehrte und zerbrechliche Gemeinschaft" verstehen, die sich den Menschen in ihrer Not und ihrem Leid zuwendet.

Zum Auftakt des zweiten Sitzungstages der Landessynode der Nordkirche hat Tilman Jeremias, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern, den Kirchenparlamentariern seinen Sprengelbericht vorgestellt. Unter dem Titel „verletzliche Kirche“ forderte Jeremias darin Reformbereitschaft für eine Neuausrichtung der Kirche, die nur gemeinsam entstehen könne.

 

„Wir müssen von unserem hohen Ross heruntersteigen.“ Eine „verletzliche Kirche“ sei eine, die ehrlich in ihrer Rückschau ist, erklärte Jeremias. „Sie wendet sich zu den Menschen in Leid und Not.“

 

Für den Bischof stehe fest: „Spätestens seit ForuM wissen wir, dass wir auch eine 'verletzende Kirche' sind.“ Die Kirche habe als Ganzes versagt, wenngleich Einzelne die Täter sind. „Wir haben Betroffenen keinen Glauben geschenkt. Wir haben Täter geschützt.“ Es sei gut, dass es all das jetzt schwarz auf weiß gebe, betonte Jeremias.

 

"Wir sind massiv schuldig geworden"

 

„Ich bin froh, dass wir jetzt von den Zahlen und der Debatte um Akten weg sind.“ Der Schwerpunkt müsse jetzt die inhaltliche Debatte sein, für die Jeremias sieben Punkte definiert. Einer davon sei die Frage von Schuld und Vergebung. „Wir geben vor, Fachleute für Schuld und Vergebung zu sein. Aber wir sind massiv schuldig geworden und wir können uns nicht selbst entschulden. Wir können nur Verantwortung übernehmen. Wir müssen als Kirche lernen, mit unserer Schuld zu leben“, erklärte der Bischof.

 

Außerdem müsse über das Bild der „idealen Gemeinschaft“ gesprochen werden, das für Jeremias ein „Selbstbetrug“ ist. Ebenso müsse die pastorale Macht hinterfragt werden, Kirche müsse sich eingestehen, dass sie als Täterorganisation keine Seelsorge für Betroffene leisten könne. Der Bischof forderte zudem eine Veränderung der Struktur, denn die jetzige sei für Aufarbeitung und Prävention nicht förderlich. Des Weiteren brauche es eine Diskussion um die christliche Männlichkeit.

 

Drei gelebte Beispiele aus MV

 

Mit Blick auf die „verletzliche Kirche“ nannte Jeremias drei gelebte Beispiele aus dem Sprengel Mecklenburg und Pommern: ein Gesprächsforum für den Austausch über die Folgen und die unterschiedlichen Positionen zur Corona-Pandemie. Der „Leib und Seele“-Wagen trete in Kontakt mit Menschen, die sonst keinen Kontakt zur Kirche suchen und eine Pastorin wird Feuerwehrfrau und baut so Brücken zwischen Kirche und Gesellschaft.

 

Mit einem Appell an die Kirchenmitglieder beendete Bischof Jeremias seinen Bericht: „Lasst uns gemeinsam eine Kirche gestalten, die nah bei den Menschen ist, die ihre Fehler eingesteht und die sich für die Liebe und Gerechtigkeit in der Welt einsetzt."

Quelle: epd/Nordkirche