Mecklenburgische Dorfkirchengeschichte Ein Gang durch das neue Pfarrhausmuseum

Von Marion Wulf-Nixdorf

Das Pfarrhausmuseum in Kuppentin

Foto: Marion Wulf-Nixdorf

27.04.2014 · Kuppentin. In Kuppentin bei Plau am See hat man sich schon vor über zehn Jahren entschieden, das nach dem Auszug des letzten Pastors leerstehende Pfarrhaus zu einem mecklenburgischen Pfarrhausmuseum umzubauen. Am Freitag wurde es eröffnet.

Ein großes, liebevoll angelegtes Rondell vor dem vorn verputzten und hell angestrichenem Haus zieht den Besucher förmlich den Weg hoch. Nur ein großer Baum fehlt. Da standen früher mal zwei, weiß Dr. Peter Emisch, Vorsitzender des Fördervereins Kirche Kuppentin, in dessen Hand der Aufbau des Museums liegt. Irgendwann seien sie abgenommen worden.

Die Stimme im Amtszimmer

Betritt man das Haus, kommt man rechts in das Arbeitszimmer des Pastors und – zuckt zusammen. Da steht ja einer! Emisch lacht, ich sei nicht die Erste, der es so gehe. Nein, es ist nur eine Puppe, gestiftet von Professorin Mager aus Hamburg, die das Museum mit Fachberatung und anderen Exponaten unterstützt hat. Auf Knopfdruck erzählt die Pastorenpuppe auf Hochdeutsch oder Plattdeutsch aus dem Leben des Pastor Konrad Justus Bredenkamp, der ab 1872 in Kuppentin lebte.

Ein Stehpult, ein ausklappbarer Schreibtisch, ein Bild von Carl Spitzweg an der Wand, ein schöner alter Schrank vervollständigen das Amtszimmer. In einer Vitrine sind Tintenfass, Gänsefeder, Gesangbuch – warum eins für die Provinz Pommern 1918, frage ich. „Weil wir kein mecklenburgisches von 1860, also aus der Zeit, die wir darstellen, haben“, die zu erwartende Antwort. Schade – da findet doch bestimmt noch jemand eins. Die revidierte Kirchenordnung von 1650 wird gezeigt, Pastoralblätter für Homiletik, Katechetik und Seelsorge; ein Rechnungsbuch von 1885 bis 1922 – eine Leihgabe der Kirchengemeinde, wie vieles andere auch, besonders in der Pfarrbibliothek. An der Wand sind Schiebetafeln angebracht, auf denen man sich informieren kann vom 12. Jahrhundert an mit den Kreuzzügen, über die Reformation, Leibeigenschaft und Auswanderung über die Nazizeit und die DDR.

Ich bleibe bei den Hexenprozessen hängen. Fast 4 000 soll es in Mecklenburg gegeben haben. Ich lese, dass der Kuppentiner Pastor Freude 1663 eine Untersuchung gegen einen Schäfer und seine Frau wegen Zauberei gefordert habe. Freude betont die Pflicht seiner Gemeindeglieder, die Zauberinnen bei der Obrigkeit „angiebet und beschuldiget“ – also anzuzeigen und zu beschuldigen. In der Abteilung Kaiserreich und Diktatur 1871-1945 ist von Gottfried Holtz aus Unter Brüz die Rede, der der Bekennenden Kirche angehörte, 1948 Professor für Praktische Theologie in Rostock wurde.

In der Nachkriegszeit und DDR geht der Blick über die Region hinaus. Bodenreform, Mauerbau, Verbrennung von Pastor Oskar Brüsewitz werden thematisiert und ebenso die Sperrung der Kuppentiner Kirche 1978. Der in Kuppentin noch allseits bekannte Pastor Siegfried Schulz, der letzte, der das Pfarrhaus bewohnte, wird auf einem Foto gezeigt. Er war seit 1965 Pastor in Kuppentin bis zu seinem Ruhestand 2001. In der Nachwendezeit dann waren es die Pastoren Gerhard Voss aus Goldberg und Egon Wulf aus Woosten, die den Runden Tisch mitbegründeten.

Ort christlicher Tugenden?


Nach dem schmalen Bibliotheksraum – mit einigen auch sehr wertvollen und alten Büchern und vasa sacra – in dem deutlich wird, dass der Pastor nicht nur Prediger und Seelsorger auf dem Land war, sondern oft auch Gelehrter, der Heimatgeschichte verfasste, Forschungen betrieb... kommt man ins Wohnzimmer. Überschrift: „Das Pfarrhaus – ein Ort christlicher Tugenden?“ Hier wird deutlich, wie sehr die Ehe des Pastors unter der Beobachtung der Gemeinde stand. Ein wirkliches Privatleben, so heißt es hier, gab es nicht. Auch die Kinder eines Pastors sahen sich hohen Erwartungen ausgesetzt. Die Dorfbewohner erwarteten vom Pfarrhaus Orientierung, Hilfe, Rat und Trost in allen Lebenslagen.

In einer Ecke wird auf das Pfarrhaus als „Musikzentrum“ hingewiesen – hier wurde Hausmusik gemacht. Die Musikschule Parchim-Ludwigslust hat drei Stücke aus verschiedenen Zeiten von Händel, Boccerini und Schubert eingespielt – so kann es mal geklungen haben in diesem Haus.

Beeindruckend der große Stammbaum der Pastorenfamilie Timm im Wohnzimmer über dem Sofa – die jetzt lebende Generation hat wegen der Deckenhöhe keinen Platz mehr gefunden.

Hinter alten, nicht mehr benötigten Türen sind verschiedene Themen angeschnitten: Ehefrau, Mutter und „rechte Hand des Mannes“ mit all ihren Pflichten auch in der Gemeinde; Witwenversorgung – was passierte mit der Pfarrfrau, wenn der Pastor verstarb? Witwenkassen gab es erst seit 1835.

Hinter der dritten Tür geht es um die Pfarrkinder. Gern würde man im Museum Ausschnitte des Filmes „Das weiße Band“ zeigen, sagt Dr. Emisch, aber bisher sei es nicht gelungen, die Rechte kostenfrei zu erwerben. Hinter der vierten und letzten Tür kann man sich über das Pfarrhaus als „offenes Haus“ informieren.

Im letzten eingerichteten Museumsraum ist eine Küche aus alten Zeiten zu sehen. Es geht um Vorratswirtschaft, alte Rezepte liegen aus, besonders sehenswürdig – leider nicht mehr funktionstüchtig – ein alter Ofen. Den müsse ich unbedingt noch bewundern, sagt Emisch.

Im anderen Teil des Pfarrhauses Kuppentin, in dem der Kirchengemeindesaal ist, den der Förderverein auch für seine Vorträge nutzt, ist ein kleiner Raum, der sich wunderbar als Café eignen würde. Kirchengemeinden, die ihren Gemeindeausflug hierher planen, können sich Kaffee und Kuchen mitbringen. In den Garten hinein könnte man noch eine Terrasse bauen – wenn denn Geld dafür da ist.

Gemeindeausflug


Gemeindepastor Christian Banek ist stellv. Fördervereinsvorsitzender. Er freut sich über die konstruktive, sehr entspannte Zusammenarbeit mit dem Förderverein und dass dies ein Museum, „keine Heimatstube“ geworden ist. „Wir wollten eine historisch nachvollziehbare, sachlich richtige Darstellung“, sagt er und ist überzeugt, dass dies gelungen ist – mit Hilfe der Gruppe „fachwerk“ aus Schwerin, die das Ausstellungskonzept erarbeitet hat und der fachlichen Beratung durch Dr. Reno Stutz.

Ein Wermutstropfen ist, dass es nicht möglich ist, feste Öffnungszeiten anzubieten. Dafür fehlt es an Personal und an finanziellen Mitteln für deren Bezahlung. Bisher hat Käte Beck, die gute Seele des Ortes, jedem Besucher gern die Kirche gezeigt – im Jahr sind es zwischen 1 500 und 1 800. Allen Interessierten wird sie auch das Pfarrhaus gern öffnen. „Solange ich gesund bin...“, sagt die über 70-Jährige.

Nun soll dass Obergeschoss noch ausgebaut werden, dafür laufen zur Zeit erste Gespräche mit eventuellen Finanzierern. Das kirchliche Leben von der Wiege bis zur Bahre soll dargestellt werden. Auch ein kleiner Andachtsraum soll im Obergeschoss entstehen.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 17/2014