Uni Rostock Ausstellung zu politischer Überwachung und Verfolgung eröffnet

Foto ELKM C. Meyer
03.03.2025 · Rostock. Die Ausstellung „Geknebelter Geist. Politische Überwachung und Verfolgung an der Universität Rostock 1945-1989/90“ ist am Montag mit großer Publukumsresonanz in Rostock eröffnet worden.
Die Schau im Atrium des Konrad-Zuse-Haus (Südstadt-Campus) zeigt bis zum 4. April, „was 'Diktatur' gerade auch für die akademische Freiheit des Denkens, Forschens und Lehrens bedeutet“, so der emeritierte Rostocker Theologieprofessor Hermann Michael Niemann.
Schirmherr der Ausstellung ist Joachim Gauck, der diese auch eröffnete. Zu Beginn seiner Rede lenkte der Altbundespräsident den Blick auf das aktuelle Weltgeschehen und mahnte: "Die Daueraufgabe aller Demokraten bleibt darauf zu achten, wann die Lüge beginnt, die Wahrheit zu überdecken und die Freiheit aus der Freiheit bedroht wird."
Im Blick auf die Ausstellung wünschte sich Joachim Gauck, das diese an "möglichst vielen Orten gezeigt wird und vor allem Jüngere diese sehen". Denn besonders die Unterlagen der Staatssicherheit gewährten das "Erkennen der einzelnen Machttechniken, der einzelnen Schritte, die zunächst unter einer demokratischen Maske, dem Herrschaftswillen von nicht legitimierten Macht Raum schafft - und dass eben auch in einer Universität." Man hätte anders umgehen können "mit unseren Universitäten genauso wie mit unseren Künstlern", so Gauck und ergänzte, dass der Ansatz der SED-Diktatur aber war, dass man "keinen Bereich auslassen wollte, um jeden Bereich zu kontrollieren und sogar zu dominieren".
23 Aufsteller und digitale Vertiefungsebene
Die Exposition besteht aus 23 Aufstellern und einer digitalen Vertiefungsebene. Sie stellt dar, „wie nach 1945 die zweite, die stalinistische Diktatur der SED auch an der 'Leuchte des Nordens' installiert wurde, und wie sich das in der DDR bis 1989/90 auf Mitarbeitende und Studierende sowie auf Forschung, Lehre und Freizeitbereich auswirkte“. Auf der Basis neuester Forschungen würden viele bisher unbekannte oder anders eingeordnete Fakten und Schicksale dokumentiert. Deutlich träten dabei Dimension, Vielfalt und Folgen der politisch-ideologischen Gleichschaltung und Einflussnahme auf allen universitären Ebenen hervor.
Die Basis für die Schau bilden umfangreiche Aktenrecherchen im Bundesarchiv/Stasi-Unterlagen-Archiv, im Archiv der Universität Rostock und im Landeshauptarchiv MV. Anlass der Erarbeitung sei gewesen, „dass zahlreiche Besucher der zum 600. Jahrestag der Universitätsgründung 2019 gezeigten Ausstellung den Zeitraum 1945 bis 1989 als zu gering, zu unvollständig oder zu 'geglättet' dargestellt empfanden“, so Dr. Volker Höffer vom Autotenteam aus ehemaligen Universitätsangehörigen, zu denen auch der frühere Theologieprofessor Hermann Michael Niemann gehört. Der Altestamentler sagt: "Wir haben uns - finanziell u.a. unterstützt durch die Universität - ab dem Jahr 2020 ehrenamtlich ans Werk gemacht, diese Lücke zu verkleinern." Seine eigene Motivation sei gewesen, dass er selbst als IM angeworben werden sollte. "Obgleich ich nicht ordiniert war, habe ich mich auf das Beichtgeheimnis berufen und die Stasi lies mich in Ruhe." Zudem habe es an seiner damaligen Sektion Theologie den Fall einer von der Stasi eingeschleusten Studentin gegeben. Dieser ist jetzt ebenfalls dokumentiert.
Niemand aus der Sektion Thelogie, mit dem ich darüber sprechen konnte, hat damals geahnt, dass sie als IM „fast 9 Jahre eine extrem fleißige und aktive inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit war und zehn Aktenordner mit Hunderten und Aberhunderten von Blättern Berichten geliefert hat“, so Hermann Michael Niemann.
Die IM musste zuvor allerdings wieder aus der SED austreten, damit die Legende einer aus atheistischen Elternhaus stammenden, aber am christlichen Glauben Interessierten gestrickt werden konnte. „Durch ihre gewinnende und interessierte Art hatte sie sich sehr erfolgreich in die Evanglischen Studentengemeinde (ESG) und deren damaligen Pastor Christoph Kleemann eingeschlichen und dort sogar etliche Jahre als Vertrauensstudentin eine wichtige Rolle gespielt.“
Nach dem Examen sollte die junge Frau in der Greifswalder Landeskirche dann Pastorin werden. Da es aber die Sorge gab, dass ihr fehlender kirchlicher Hintergrund auffliegen könnte, änderte die Stasi den Plan und wollte sie ins Konsistorium schleusen. Niemann: "Das ist nur durch die Friedliche Revolution verhindert worden."
Info
Die Ausstellung (Atrium, Konrad-Zuse-Haus, Südstadt-Campus, Albert-Einstein-Str. 22, 18059 Rostock) kann kostenfrei bis zum 4. April montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr besichtigt werden.
Digital sind alle Informationen der Aufsteller ergänzt durch ausführliche Texte und Dokumente dauerhaft über https://www.uni-rostock.de/ausstellung-geknebelter-geist abrufbar.
Quelle: epd/cme