Propst Philipp Staak im Porträt "Ich möchte, dass wir nah an den Menschen bleiben und unsere Botschaft verkünden"

Propst Philipp Staak im Garten der Propstei Pasewalk. Der Garten ist der Lieblingsplatz des Propstes, an den er sich an schönen Tagen gern für einen Moment des Gebets zurückzieht.

Foto: PEK/S. Kühl

23.12.2024 · Pasewalk. Philipp Staak begann im Advent 2023 seinen Dienst als Propst in der Propstei Pasewalk im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis. Nach dem ersten Jahr im Amt erzählt der Theologe im Porträt unter anderem von den Herausforderungen der Zukunft, von seiner Kindheit im Pfarrhaus und von gemeinschaftsstiftender Weihnacht.

„Das ist ein Nederlandse Kooikerhondje.“ Philipp Staak zeigt auf einen braunweiß gefleckten, mittelgroßen Hund, der sich neugierig nähert. Linus heißt der wuschelige Vierbeiner, mit dem der Propst zweimal täglich ein paar Kilometer um die Häuser zieht. Philipp Staak bittet zum Gespräch in den Beratungsraum der Propstei Pasewalk im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis, die ihren Sitz im ehemaligen Jagdschloss der Pommernherzöge in der Baustraße in Pasewalk hat. Es gibt Kaffee und belegte Brötchen. Linus macht es sich nach ein paar Streicheleinheiten unter dem Tisch bequem. Im Erdgeschoss des altehrwürdigen Gebäudes befinden sich Propstei-Sekretariat und Außenstelle des Kirchenkreisamts, in der zweiten Etage die pröpstliche Dienstwohnung. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt Philipp Staak. „In der Stadt Pasewalk ebenso wie hier im Propsteigebäude. Es ist ein sehr schönes Wohnen und vor allem bin ich direkt vor Ort ansprechbar.“ Das sei ihm sehr wichtig, denn er wolle sich nicht verstecken, sondern Gesicht zeigen und präsent sein. Ebenso wie zuvor in seinem Amt als Gemeindepastor in den Kirchengemeinden Spantekow und Boldekow-Wusseken mit insgesamt 13 Kirch- und Kapellenorten und 18 weiteren Ortschaften.

 

Morgens mit der Trompete in die Kirche

 

Ein enger Kontakt mit den Mitarbeitenden im Haus liegt dem Propst am Herzen. Einmal im Monat lädt er das Team zu einer Andacht ein, anschließend gibt es ein gemeinsames Frühstück mit Zeit zum Austausch, dienstlich und privat. Teambildung nenne sich das, dabei sei es ihm ein Anliegen, den Charakter der Propstei als ein geistliches Haus zu pflegen. „Und als ein offenes Haus“, fügt er hinzu, so wie er es bereits in Kindertagen im Pfarrhaus des Vaters erlebte und es als Gemeindepfarrer selbst fortführte. Auch aus architektonischer Perspektive sei es im früheren Jagschloss sehr schön, ist der Propst mit seinem Dienstsitz zufrieden. Zum baulichen Ensemble zählt die benachbarte Nikolaikirche. In der ältesten Stadtkirche Pasewalks, die als größte Feldsteinkirche in Mecklenburg-Vorpommern gilt, ist Philipp Staak oftmals in aller Frühe anzutreffen. Hin und wieder hat er dann seine Trompete dabei, musiziert in dem Gotteshaus, nimmt sich einen Moment Zeit zur inneren Einkehr und sammelt Kraft für den Tag. Seit dem zurückliegenden Sommer hat die Nikolaikirche auch wieder eine Orgel, berichtet der Propst freudestrahlend. Sie kommt aus England und wurde um 1890 von der nordenglischen Orgelbaufirma Wordsworth in Leeds gebaut. Darauf spielt er allerdings nicht, nur auf der Trompete. „Zu 99 Prozent Choräle, schlicht und klar“, beschreibt er sein Blechblas-Repertoire. „Das kann man in der Kirche gut gebrauchen“, findet er und schmunzelt.

 

„Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist groß“

 

„Es gibt hier in Pasewalk viele Leute, die etwas bewegen und verändern wollen.“ Kirchenmusikalisch sei viel in Bewegung, in der Stadt, aber auch überregional und viel im Austausch mit Stettin. Der Begriff „Metropolregion“ werde kulturell mit Leben gefüllt. Die polnische Großstadt habe viel zu bieten und sei mit Auto oder Bahn in nur etwa 45 Minuten erreichbar. Zahlreiche Polen, die in der Grenzregion auf deutscher Seite leben, tragen zur Belebung bei. Bei den Mitgliederzahlen in den Kirchengemeinden der Propstei mache sich der Zuzug aus dem Nachbarland hingegen weniger bemerkbar, da die meisten Polen katholisch seien, so der Propst. Innerhalb der Propstei stehe die Stadt Pasewalk gut da. „Ich pflege gute Kontakte zur Stadtverwaltung und zum Bürgermeister. Ich erlebe viel Zugewandtheit und Offenheit auf Kreisebene und in den Kommunen. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist groß, das finde ich sehr gut.“ Es mache ihm viel Spaß, in diesen Entscheiderebenen mitzumachen. Das Gestalten, das Planen und Entwickeln von Perspektiven sind reizvoll für ihn.

 

Pröpstliches Trio ist prima Team

 

Propstalltag heißt immer auch, Teilnahme an vielen Sitzungen. Da helfe es ungemein, dass er eine, wie er sagt, Supersekretärin habe, die gleichermaßen loyal, kompetent und humorvoll sei. Ohne den Rückhalt der Mitarbeitenden würde es sowieso nicht gehen, stellt der Propst klar. Unverzichtbar sei auch die Arbeitsteilung im pröpstlichen Trio des pommerschen Kirchenkreises, mit Pröpstin Kathrin Kühl und Propst Tobias Sarx, das sich schon weitgehend eingespielt hat. „Wir verstehen uns sehr gut und sind ein prima Team.“ Für Philipp Staak ist wichtig, dass bei allen Anfragen, die ihn täglich erreichen, trotz der Mitgliedschaft in diesem Gremium oder jenem Kuratorium, auch immer Luft bleibt für Notfälle und für Unvorhergesehenes sowie vor allem Zeit für die Gemeinden. „Ich denke des Öfteren an den ehemaligen Bischof Otto Dibelius, der sinngemäß sagte: Wenn eine Pastorin oder ein Pastor anruft, dann schreibe ich das Anliegen auf einen Zettel, wenn ein Mitglied aus dem Kirchengemeinderat anruft, fahre ich schnellstmöglich hin.“

 

„Personalkarussell“ dreht sich mit hoher Geschwindigkeit

 

Das erste Jahr seiner Amtszeit als Propst würde Philipp Staak kurz und knapp mit „Erstmal Einarbeiten“ überschreiben. „Akten lesen, viel lernen, mich in diese ganz neue Aufgabe einpendeln, Konflikte lösen“, zählt er einige Aspekte auf, mit denen er sich in den zurückliegenden Monaten beschäftigte. Auch nach einem Jahr im Amt erinnert er sich noch immer gern an die freundliche und angenehme Übergabe durch seinen Vorgänger im Propstamt, Andreas Haerter. Das habe den Beginn sehr erleichtert. Stressig sei das Ganze natürlich trotzdem gewesen, aber das gehöre nun mal zu so einem Neustart dazu, meint der 52-Jährige achselzuckend. Wer ihn in seiner ausgeglichenen Art reden hört, kann nur schwer glauben, dass er sich überhaupt irgendwie aus der Ruhe bringen lässt. Mit aufgeschlossenem Blick fixiert er sein Gegenüber durch die runden Brillengläser. Wenn er spricht, umspielt seinen Mund oft ein zugewandtes Lächeln, das bis hinauf zu den Augen reicht. „Am 1. Dezember habe ich angefangen, am 4. Dezember war ich schon in der Sitzung eines Kirchengemeinderats, der in Not war“, blickt er auf den Start im Advent 2023 zurück. Da ging es gleich um den Fachkräftemangel. Das „Personalkarussell“ drehe sich in seiner Propstei leider mit hoher Geschwindigkeit. Andreas Haerter habe viel Kraft in die Wiederbesetzung der Pfarrstellen investiert, doch schon bald nach der Amtsübergabe gab es wieder Vakanzen, also unbesetzte Pfarrstellen, in hoher Schlagzahl.

 

„Wir wollen keine weißen Flecken“

 

„Da sitzt du dann in der Kirchengemeinde und alle gucken dich an“, beschreibt er die Erwartungshaltung. „Die Menschen vor Ort haben große Hoffnungen und denken, du löst all ihre Probleme.“ Doch so einfach sei das in der Regel nicht. Dennoch kann er eine gute Bilanz vorweisen, acht Vakanzen waren es noch im Sommer in seiner Propstei, aktuell sind es fünf. Die Besetzungsverfahren für die Pfarrstellen seien aufwändig, selbst dann, wenn es Bewerberinnen oder Bewerber gebe, gibt der Propst zu bedenken. „Und genau das ist das Kernproblem, der Mangel an Pastorinnen und Pastoren.“ Zum Glück bestehe in der Propstei ein gutes Fundament des pastoralen Dienstes und viele Pastorinnen und Pastoren übernehmen Vertretungsdienste. Doch sei das keine Dauerlösung. „Das Personalproblem war mir natürlich von Beginn an klar. Es wird im ganzen Sprengel einen fortgesetzten Abschmelzungsprozess geben“, sagt er voraus und bezieht sich damit darauf, dass auch der Kirchenkreis Mecklenburg mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen hat wie Pommern. „Wir wollen dennoch keine weißen Flecken“, formuliert er den Anspruch, auch künftig in der Fläche des ländlichen Raums präsent zu bleiben und die volle pastorale Versorgung aufrechterhalten. Dem Personalmangel zum Trotz. „Wir wollen alle Menschen einladen“, sagt er unbeirrt und betont dabei das Wort „alle“ mit Nachdruck. Schon als Gemeindepastor hat Philipp Staak sich als Ansprechpartner für alle Menschen verstanden und immer die Vernetzung mit sämtlichen Akteuren vor Ort gesucht. Auch als Propst ist diese Vernetzung einer seiner zentralen Ansatzpunkte.

 

Vom Gemeindepastor zum Propst

 

Der Neuanfang im Propstamt mit seinen ganz anderen Fragestellungen hat Philipp Staak nach 20 Jahren als Gemeindepastor noch einmal neue Energie gegeben. So empfindet er den Neustart trotz der zahlreichen Herausforderungen als Segen. Seine zwei Töchter sind aus dem Haus, treffen ihre eigenen Entscheidungen, so könne er sich ganz auf die Aufgaben in seinem verantwortungsvollen Amt konzentrieren. Fast zeitgleich zum Anfang im Propstamt kam für ihn auch privat ein Neubeginn. „Vom Gemeindepastor zum Propst, das ist ein Paradigmenwechsel“, sagt Philipp Staak ganz klar. „Es ist mir wichtig, in den Kirchengemeinden zu sein und mit den Menschen zu sprechen, ehrlich und offen. Ich möchte laufende und anstehende Prozesse transparent machen. Werden wir in Zukunft die geistliche Versorgung überall sicherstellen können? Was muss anders werden?“ Diese Fragen müssen seiner Ansicht nach offen in den Gemeinden diskutiert werden. Die Ruhestandswelle halte weiter an, es seien zwar schon viele Pastorinnen und Pastoren in den Ruhestand gegangen, viele weitere würden aber noch folgen und Nachwuchs ist kaum in Sicht. „Ich möchte auch mit Kirchengemeinden jetzt schon ins Gespräch kommen, die derzeit noch gut versorgt sind, denn was ist in naher Zukunft, was ist in drei, vier Jahren?“ Aber die Stellen im ländlichen Raum seien unheimlich schwer zu besetzen. „Für die allermeisten ist der ländliche Raum keine Option, selbst wenn alles top ist, das Pfarrhaus, die Finanzen der Kirchengemeinde, das Gemeindeleben…“, sagt er stirnrunzelnd.

 

„Die Kirche soll im Dorf bleiben“

 

„Der ländliche Raum ist für den pastoralen Nachwuchs so unattraktiv, weil hier gerade für junge Familien alles oft so umständlich ist“, so Philipp Staak. „Die dörflichen Strukturen sind weg, es gibt vor Ort eigentlich nichts mehr. Für alles müssen sich die Menschen auf den Weg machen, ins Auto steigen, in den Bus, wenn denn einer fährt.“ Hinzu komme der Mitgliederschwund. „Die Kirche soll im Dorf bleiben, aber dafür müssten die Menschen, die in den Dörfern leben, auch in der Kirche bleiben. Also, was ist zu tun? Was ist uns wichtig? Was wollen wir erhalten?“, stellt der Propst grundsätzliche Fragen. Auch nach einem Jahr im Amt habe er dafür kein fertiges Konzept. Das wolle er aber gemeinsam mit den Kirchengemeinden entwickeln. Sein Vorgänger, Propst Andreas Haerter, habe mit großem Weitblick in der Propstei Pasewalk nur volle Pfarrstellen geschaffen, keine Teilzeitstellen. So seien zwar größere Bereiche entstanden, es sei aber auf Jahre hin eine klare und stabile Struktur geschaffen worden. „Das hat er sehr gut gemacht!“ Eine große Herausforderung sieht Philipp Staak jedoch in den großen Entfernungen, die durch größere Pfarrbereiche entstehen: „Es fehlt dann den Menschen an Identifikation.“ Identifikation mit ihrem Dorf, ihrer Dorfkirche, mit den örtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die vielleicht weit weg scheinen. Dass es künftig weniger Pastorinnen und Pastoren geben werde, sei aber eine Tatsache. Dadurch entstünden immer kleinere Teams, die dann letztlich überfordert seien. An engagierten Einzelpersonen und an den Pastorinnen und Pastoren bleibe dann zu viel hängen. Umso wichtiger sei es, die Verwaltung weiter zu professionalisieren. „Zwei Friedhöfe sind für eine Kirchengemeinde machbar, 14 Friedhöfe sind es nicht“, macht Philipp Staak beispielhaft die Überforderung deutlich.

 

Gemeinden durchleben schmerzhafte Prozesse

 

„Das traditionelle Pfarramt lässt sich nicht fortführen, ohne neue Mittel und Instrumente zu entwickeln“, ist der Propst überzeugt. „Wir können aber nicht alles aufs Ehrenamt schieben. Gleichwohl war und ist das Ehrenamt ein Garant für den Erhalt unserer kirchlichen Arbeit in der Fläche.“ Es gehe jedoch nicht, die Verwaltung mit dem Ehrenamt zu leisten. Doch selbst den Kirchengemeinden, die es sich finanziell leisten könnten, eine Person für die Verwaltung zu beschäftigen, fehle geeignetes Fachpersonal. „Die pastoralen Aufgaben zu erfüllen, muss ermöglicht werden“, in dieser Zielsetzung sieht Philipp Staak angesichts der vielschichtigen Herausforderungen eins seiner wesentlichen Arbeitsfelder als Propst. Was er bei seinen Besuchen und Gesprächen immer wieder in den Kirchengemeinden erlebe, sei eine Strukturveränderungserschöpfung. Sie entstehe durch die für die Ortsgemeinden oft schmerzhaften Prozesse und die teils sich über Jahrzehnte hinziehenden Transformationen auf allen Ebenen. „Es gibt zu viele Ausschüsse und Verfahren“, sagt er mit einem Seufzer. „Und trotzdem möchte ich, dass wir nah an den Menschen bleiben und unsere Botschaft verkünden. Ich möchte, dass wir uns fragen, ob wir einfach nur eine Tradition fortführen oder den Auftrag Jesu erfüllen wollen.“

 

„Wir stehen nicht vor unlösbaren Problemen“

 

Wer den Propst die schwierige Lage schildern hört, merkt schnell, dass es ihm nicht darum geht, schwarz zu malen oder zu klagen, sondern darum, zu konkretisieren, die Dinge beim Namen zu nennen, um konstruktive Lösungen zu finden. Dabei ist er stets von ansteckender Zuversicht getragen: „Ich weiß, dass es nach wie vor Menschen gibt, die christliche Gemeinschaft wollen.“ Dass heute oft vom Verlust der Volkskirche gesprochen werde, erschüttert ihn nicht. „Zwei Diktaturen haben der Volkskirche in Mecklenburg und Pommern schwer zugesetzt“, schätzt er die historische Entwicklung im vergangenen Jahrhundert ein. Und trotzdem oder gerade deswegen steht er als Propst für Aufbruch, nicht für Resignation: „Mit unserer Botschaft, der Frohen Botschaft im Rücken sollten wir uns neu aufstellen und neu organisieren.“ Der Blick in die Geschichte zeige, dass es schon oft Phasen der Entkirchlichung und auch des Personalmangels gab. Ebenso habe es aber auch immer wieder religiöse Aufbrüche gegeben. Aus diesem Geschichtsbewusstsein bezieht Philipp Staak ebenso wie aus seinem tiefempfundenen Glauben Optimismus und Kraft für die Zukunft. „Ja, wir sind in ziemlicher Not, wir stehen aber nicht vor unlösbaren Problemen!“, bleibt der Propst zuversichtlich.

 

Pfarrberuf erfordert Hingabe

 

Ein längerfristig wirkendes Instrument im Ringen mit dem Fachkräftemangel sieht Philipp Staak in der Verschlankung der pastoralen Ausbildung, die seiner Meinung nach zu lange dauert. „Das schreckt vielleicht manche ab, die sich für den Pfarrberuf interessieren.“ Das könne aber nur ein Teil der Lösung sein, denn klar sei nach wie vor, dass dieser Beruf ein außergewöhnliches Maß an Persönlichkeit und Hingabe erfordere: „Freizeitgesellschaft und Individualisierung passen schlecht zum Pfarrberuf“, ist er sich sicher. Ihm selbst war das von klein auf bewusst, wuchs er doch, 1972 in Greifswald geboren, im Pfarrhaus in Kemnitz auf, wo sein Vater Pastor war. Die Mutter arbeitete als Kantor-Katechetin, ein Doppel-Beruf, den es heute so nicht mehr gibt, der aber im Gemeindeleben in der DDR bedeutsam war. Lange blieb Philipp Staak der Jüngste von fünf Geschwistern, später kam noch eine Schwester als Nachzüglerin dazu.

 

Kirche nimmt die Menschen an, wie sie sind

 

„Es hat schon Vorteile mit vielen älteren Geschwistern: Die müssen den Weg erkämpfen, die Jüngeren haben dann die Freiräume“, schildert Philipp Staak seine Erfahrung aus der Jugendzeit. Durch den großen Altersunterschied lebten zwar nie alle sechs gleichzeitig unter einem Dach, aber es war natürlich immer eine Menge los. „Das Pfarrhaus-Leben hat uns Geschwister alle sehr stark geprägt“, ist der Propst überzeugt. Es war ein offenes Pfarrhaus, Menschen kamen und gingen. Mit der Gruppe „Shalom“, einer Pastorenband, in der sein Vater spielte, und mittels der Musik wurde Vieles unkompliziert und leicht zugänglich organisiert, zum Beispiel im Bereich der Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Es war immer etwas im Gange, oft fanden Feste auf dem Pfarrhof statt. „Ich habe das alles schon als kleiner Junge ganz stark miterlebt und das hat mich alles tief beeindruckt.“ Was Kirche kann, nämlich die Menschen so annehmen, wie sie sind, das habe er in allen Facetten erfahren und aufgesogen.

 

„Das Pfarrhaus war eine Burg“

 

Das Pfarrhaus des Vaters war auch ein Schutzraum für DDR-kritische Menschen, eine Zuflucht für diejenigen, denen sonst der Rückhalt fehlte, für Unangepasste. „Das Pfarrhaus war eine Burg“, drückt Philipp Staak es bildlich aus. „Wir hatten außerdem viel Kontakt zu Familienmitgliedern, die im Westen lebten. So haben wir das geteilte Deutschland mit seinen ganzen Verwerfungen intensiv erlebt. Gott sei Dank kam dann die Wende“, sagt er über die friedliche Revolution, die er mit 17 Jahren erlebte und als eines der wichtigsten Ereignisse in seinem Leben bezeichnet. Die Wende habe ihm so viel ersehnte Freiheit gegeben, es hätte nicht besser sein können. Dass ihm dadurch der Wehrdienst in der NVA, der Nationalen Volksarmee, erspart blieb, habe ihn besonders gefreut. Kurz darauf, im Jahr 1991 zog er nach Berlin, wo er Theologie studierte und damit in die Fußstapfen des Vaters und auch des Großvaters trat. Genaugenommen waren seit jeher alle seine männlichen Vorfahren Pastoren. Das lässt sich im Familienstammbaum bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen.

 

Berufung im Vikariat erkannt

 

„Ich empfinde das nicht als Last, sondern als Lust, das ist für mich kein Stempel“, sieht Philipp Staak die lange pastorale Ahnenreihe eher locker. So sei es zunächst überhaupt nicht klar für ihn gewesen, diese lange Linie fortzusetzen, auch wenn vier seiner Geschwister auch Theologen geworden sind. „Ich habe lange geschwankt, in welche Richtung ich beruflich gehen will, denn ich mache so viele Sachen gern.“ Dazu kam, dass in den 90er-Jahren von Pastorenmangel noch keine Rede war. Im Gegenteil. „Da hieß es, macht mal lieber was anderes.“ Also hat er viel gebaut, bei Sanierungen mitangepackt. Er wollte sich lange nicht festlegen, liebäugelte mit dem Architekturstudium. „Ich habe Dächer gedeckt, Dachstühle gesetzt.“ Der Pasewalker Propst ist sozusagen ein halber Zimmermann, ein Handwerk mit guter Tradition in der christlichen Kirche... Eigentlich habe er erst im Vikariat, der praktischen Ausbildungszeit für Pfarrpersonen, das Gefühl gehabt, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. „Da habe ich gemerkt, dass es genau das ist, was ich will, dass ich wirklich Pastor sein will“, sagt er so, als könne er diesen Moment der Berufung noch heute spüren. „Ich hatte viele Freiheiten während des Vikariats in Gützkow bei Pastor Hans-Joachim Jeromin, habe dort viel gelernt und es hat mir einfach richtig viel Spaß gemacht.“

 

„Nicht gleich verurteilen, sondern erstmal gucken“

 

Ganz eng zum Pastorendasein gehört für Philipp Staak das Interesse für die Berufe der Menschen, mit denen er zu tun hat. „Mich interessiert immer, wie machen die das, was sie tun.“ Dabei treibt ihn zwar auch seine Neugier an, denn er möchte immer gern dazulernen. Viel wichtiger sei ihm aber, dass er über das Interesse am Beruf viel über die jeweiligen Personen erfahren kann. „Ich möchte immer wissen, was ist das für ein Mensch, was ist sein Lebenshintergrund, was treibt ihn an und was bewegt ihn?“ Dieses offene Interesse am Gegenüber schätzt er als besonders wertvoll für das Miteinander ein. „Nicht gleich verurteilen, sondern erstmal gucken“, bringt der Propst es auf den Punkt. Diese Hinwendung und die Kontaktpflege mit den Menschen vor Ort waren ihm auch als Gemeindepastor schon ein besonderes Anliegen. So habe er zum Beispiel viel geschaut, was die Landwirte machen, ist auch mal mit den schweren Maschinen gefahren oder war als Treiber bei Jagden dabei.

 

„Ich komme mit der Botschaft, dass es weitergeht“

 

„Ich habe immer versucht, so viele Menschen wie möglich zu treffen und kennenzulernen. Egal ob Bürgermeister oder Mitglied der Feuerwehr“, schlägt Philipp Staak den Bogen. Dieses Hand in Hand arbeiten, der enge Kontakt, die Gespräche mit vielen Handelnden und Engagierten, all das könne so viel in Bewegung bringen. „Nach einigen Jahren im Pfarrdienst wurde ich bei fast jeder Straßeneinweihung oder den Dorffesten gefragt, ob wir als Kirche nicht eine Andacht oder einen Gottesdienst halten können.“ Relevanz komme eben nicht von allein. Ein Kirchenfest sei immer auch ein Dorffest und Dorffeste immer auch Kirchenfeste. Das gehört für den Pasewalker Propst zusammen. Zu vermitteln, dass Kirche etwas Gutes ist, das sei schon grundlegend. Und genau dazu möchte er als Propst alle Pastorinnen und Pastoren, alle hauptamtlich Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen ermutigen. „Ich komme nicht als Abwickler in die Kirchengemeinden, sondern mit der Botschaft, dass es weitergeht. Aber dazu gehört auch immer die Wahrheit vom Wandel, von der Bereitschaft zur Veränderung und die Gewissheit, dass die Kirche in zehn Jahren nicht mehr die von heute sein wird.“

 

„Was wir tun, bewirkt eine Menge“

 

„Ich fühle mich in der Kirche zuhause“, sagt Philipp Staak aus tiefer Verbundenheit, „mit all ihrer Ärmlichkeit und Strahlkraft“, fügt er nach einer kurzen Pause mit stillem Humor nicht ganz ernst gemeint hinzu. Er hat aber gleich eine Geschichte parat, die deutlich macht, wie er das eigentlich meint. Als während der Corona-Pandemie kreative Lösungen gefragt waren, organisierte er einen Weihnachtsgottesdienst in einer Landwirtschaftshalle und erlebte, wie sich während der Vorbereitungen immer mehr Helferinnen und Helfer für das Gelingen am ungewohnten Ort einsetzten und sich mit ihren Gaben und Talenten engagierten - Kirchenmitglieder ebenso wie kirchenferne Menschen. „Die Idee war eigentlich aus der Not geboren und entstand wegen der Abstandsregeln, die sich in der riesigen Halle leicht einhalten ließen“, erzählt Philipp Staak. Die Menschen kamen in unerwarteten Scharen, schmückten die Halle, kümmerten sich um die Genehmigungen... Höhepunkt war das Krippenspiel, das als Schattenspiel aufgeführt wurde. „Das war unvergesslich für viele, auch für mich“, ist Philipp Staak noch immer begeistert von dieser weihnachtlichen Gemeinschaftserfahrung. Und es hat ihn nachhaltig in seinem Handeln als Pastor und nun als Propst bestärkt: „Was wir tun, das erreicht Menschen und bewirkt eine Menge, das merkt man im Alltag manchmal nicht gleich.“

 

Mit dem Camper nach Skandinavien

 

Viel Freizeit blieb im ersten Propstjahr für Philipp Staak nicht. Aber nach Hobbies gefragt, nennt er neben seinen handwerklichen Interessen das Reisen. „Während des Studiums habe ich nebenher nicht nur immer für den Lebensunterhalt gearbeitet, sondern vor allem auch, um Reisen finanzieren zu können.“ Er war Chauffeur beim Bundestag, arbeitete auf dem Bau und in einer Schrauber-Werkstatt. „Wir haben Autos repariert, neu aufgebaut und verkauft.“ Mit dem Geld ging es dann in die weite Welt. Er war unter anderem in fast allen europäischen Ländern, in Australien und in Hong Kong. Am liebsten ist ihm aber auch heute noch der bodenständige Urlaub mit dem „Bulli“, dem selbstausgebauten, campingtauglichen Kleinbus. Wenn der Urlaub wie ein kleiner Road-Movie abläuft, dann hat er Spaß. Van-Life wird das heute oft genannt - mit dem Camperbus immer der Straße nach und einfach dort übernachten, wo es gerade passt und gefällt, ob in den Wäldern Skandinaviens oder in den Masuren. Ansonsten, wenn zwischen Sitzungen, Aktendeckeln und Gemeindebesuchen doch mal Luft ist, hört Philipp Staak gern Musik, vor allem Jazz, erzählt er und nennt Gary Burton, John McLaughlin und Pat Metheny.

 

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Quelle: PEK (sk)