Porträtserie auf Video, ein Mobile und eine bewegte Skulptur: Drei Preisträger beim kirchlichen Kunstwettbewerb in Bützow ausgezeichnet
26.04.2024 · Bützow. Die Preisträger des 3. Kunstwettbewerbs vom „Kulturhimmel“ der Nordkirche in Kooperation mit dem Kirchenkreis Mecklenburg stehen fest: Bei einem Festakt am 26. April in Bützow zeichnete MV-Bischof Tilman Jeremias die Künstler Renate Schürmeyer (Bernstorf, Landkreis Nordwestmecklenburg) , Christine de Boom (Klein-Görnow, Landkreis Ludwigslust-Parchim) und Jakob Grosse-Ophoff (Hansestadt Rostock) aus. Der Preis ist mit jeweils 1.500 Euro dotiert. Die Schriftstellerin Helga Schubert und der Saxophonist Volker Holly Schlott (Deutscher Jazzpreis 2023) begleiteten den Festakt im Rathaus und in der Stiftskirche.
Unter dem Motto „Sehnsucht nach Atem“ war der Wettbewerb im Vorjahr ausgelobt worden. Überzeugt haben die drei Preisträgerinnen und Preisträger eine sechsköpfige Jury aus Kirchenvertretern und Künstlerinnen mit einem Mobile aus Weißblechdosen und Transparentpapier (Renate Schürmeyer: „Blau“), einer fotografierten Porträtserie auf Video mit Menschen, die gegen eine Scheibe hauchen (Christine de Boom: „Durch Atmen“) und einer Skulptur, die durch einen Motor über Zahnräder bewegt wird, in eine Tüte zu atmen (Jakob Grosse-Ophoff: „Sehnsucht nach Atem“). Insgesamt 56 Künstlerinnen und Künstler aus dem gesamten Gebiet der Nordkirche hatten sich beteiligt.
Sich inspirieren lassen vom Geist Gottes
Bischof Tilman Jeremias entfaltete die theologische Dimension des Kunstwettbewerbs: „In der Bibel bedeutet Atem gleichzeitig Geist, auf Lateinisch Spiritus. Der göttliche Geist ist nicht zu unterscheiden vom Atem. Erst als Gott dem geformten Lehmklumpen Atemluft einhaucht, wird dieser ein lebendiger Mensch. Atemluft können wir uns nicht holen, sie wird uns wie der Akt des Atmens selbst geschenkt. Kunst zu machen, bedeutet also, beschenkt zu werden von Inspiration, sich vom Geist Gottes beatmen zu lassen.“ Die Laudatio aus künstlerischer Sicht hielt die Hamburger Kuratorin Zarah Hasson-Taheri.
Berührungsängste zwischen Kunst und Kirche abbauen
Für weniger Berührungsängste zwischen Kirche und Kunst warb die mecklenburgische Schriftstellerin Helga Schubert. Die 84-jährige vielfach ausgezeichnete Autorin eröffnete den Festakt mit einer Lesung im Bützower Rathaus. „Ich wünsche mir Offenheit von der Kirche, Regale mit Büchern aus den Nachlässen in den Gemeindehäusern, Ausstellungen, gemeinsame Ausflüge zu Museen und Kunsthallen, Dokumentarfilme zusammen mit den Heimatvereinen. Ich wünsche mir von Künstlern unserer Region, Schwellenängste zu überwinden, wenn sie vielleicht Atheisten sind, sich für Veranstaltungen in Kirchen zur Verfügung zu stellen, ein wunderbares Beispiel ist die Gemeinde Altenkirchen auf Rügen.“
Offenbar den Nerv getroffen
Ins Leben gerufen hat den Wettbewerb die Theologin und Künstlerin Dr. Anna Luise Klafs vom Kulturhimmel der Nordkirche. Sie zeigte sich beeindruckt von der Breite der Einsendungen: „Das Thema hat offenbar bei vielen einen Nerv getroffen. Zum einen, weil gerade Künstlerinnen und Künstler von den Auswirkungen der Corona-Pandemie in ihrer wirtschaftlichen Existenz betroffen sind. Zum anderen war das Thema eine Möglichkeit, sich künstlerisch mit der derzeitigen Stimmung auseinanderzusetzen, die vielen die Luft abschnürt.“
Werke in der Stiftskirche zu sehen
Insgesamt 15 ausgewählte Wettbewerbsbeiträge sind noch bis Mitte Mai in der Stiftskirche Bützow zu sehen. Die Kunstwerke können besichtigt werden an drei Wochenenden:27.-28. April; 4.-5. Mai sowie am 11.-12. Mai jeweils in der Zeit von 11 bis 16 Uhr.
Quelle: Nordkirche (akl/cme)
Bildergalerie
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Kunst und Kirche: Drei Fragen an die Schriftstellerin Helga Schubert
Was ist Kirche und Kunst gemeinsam?
Helga Schubert: Beides ist nicht banal. Sowohl die Kirchenleute als auch die Künstlerinnen und Künstler gehen bei ihrer Arbeit in einen anderen Raum. Sie gehen in einen Raum nach innen und lassen die Tür hinter sich offen. Beide sind allein mit diesem Anderen in sich. Beim Pastor/der Pastorin ist es die Zwiesprache mit einem guten konstruktiven System, das Gott ist. Der Künstler/die Künstlerin kann auch nur schaffen, wenn dieses Andere in sich zu einem Gegenüber wird, zu einem Werk, einer Erzählung. Wie eine Zellteilung. Kirche und Kunst haben ein Gegenüber. Der Schriftsteller ist auf ein Du gerichtet, sagte die österreichische Dichterin Ingeborg Bachmann.
Hat der Sanctus Spiritus, der Heilige Geist, etwas zu tun mit Inspiration?
Helga Schubert: Die Inspiration ist das Ergebnis davon, dass Künstler etwas hineinnehmen in sich aus der äußeren Welt, sie nehmen etwas aus dem Reichtum der Erfahrungen anderer. Es ist ein Einverleiben, das Kraft kostet. Ich glaube, dass der Heilige Geist jedem Menschen zur Verfügung steht, nicht nur dem Künstler. Jeder Mensch, der sein Tun auch von außen sieht, in seiner Kleinheit, braucht den Trost der Relativierung, auch den des eigenen Schmerzes. Vielleicht ermöglicht das, was wir den Heiligen Geist nennen, wirklich eine kleine Stufe höher zu gehen, die Erdenschwere zu verlassen, dankbar zu sein, etwas aus sich herauszustellen, eine Plastik, ein Gemälde.
Was wünschen Sie sich von Kirche in Bezug auf Kunst? Was wünschen Sie sich von Künstlerinnen und Künstlern in Bezug auf unsere Kirchen?
Helga Schubert: Ich wünsche mir Offenheit von der Kirche, Regale mit Büchern aus den Nachlässen in den Gemeindehäusern, Ausstellungen, gemeinsame Ausflüge zu Museen und Kunsthallen, Dokumentarfilme zusammen mit den Heimatvereinen. Ich wünsche mir von Künstlern unserer Region, Schwellenängste zu überwinden, wenn sie vielleicht Atheisten sind, sich für Veranstaltungen in Kirchen zur Verfügung zu stellen. Ein wunderbares Beispiel ist die Gemeinde Altenkirchen auf Rügen mit Pastor Christian Ohm, der den ganzen Sommer über ein Programm mit Vorträgen, Lesungen und Alter Musik organisiert, auf dem Friedhof eine Porträtausstellung erlaubt und laminierte Gedichte von Rose Ausländer bis Celan in die Hecken knüpft. Hunderte kommen. Auch die Kirche ist offen.
Interview: Annette Klinkhardt