Kirchengemeinde Hohenselchow-Hohenreinkendorf "Mission Schöpfung 2023" - Expedition zum Rand des Weltalls

Lars Fischer mit der Wetterballon-Sonde, an deren Ausleger ein Kunststoff-Maulwurf, das Maskottchen der regionalen Kinder- und Jugendarbeit, angebracht ist. Das speziell zu diesem Zweck hergestellte Styroporgehäuse enthält Messtechnik, Kameras und einen GPS-Signalgeber.

Foto: PEK/S. Kühl

27.09.2023 · Hohenselchow. Während eines Wochenendes der „KinderKirche“ möchte die Kirchengemeinde Hohenselchow-Hohenreinkendorf am 7. Oktober eine mit Kameras ausgestattete Messsonde per Gasballon in die Stratosphäre schicken. Pfarramtsassistent Lars Fischer hatte die Idee und erklärt, was es mit dem außergewöhnlichen Plan auf sich hat.

Es ist ein Zitat des Astronauten Alexander Gerst, an das Pfarramtsassistent Lars Fischer in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder denken musste: „Mein Blickwinkel auf die Erde ist sehr verändert worden, dadurch dass ich sie von oben gesehen habe. Ich habe die Erde plötzlich als Gesamtsystem gesehen, als Kugel abgeschlossen mit einer hauchdünnen Atmosphäre. Die sieht unvorstellbar zerbrechlich aus, als ob man sie mit einem Hauch wegpusten könnte. Und man sieht, wie wir Menschen da Schadstoffe reinpusten. Und gleichzeitig wirkt das so zerbrechlich, und unsere Erde so einsam und klein, als unser einziges Raumschiff, das wir Menschen haben, mit dem wir durch das schwarze Universum fliegen.“ Eine ähnliche Erfahrung, wie sie der Astronaut schildert, erhofft sich Lars Fischer von einer Expedition an den Rand des Weltalls, die er für ein Wochenende der „KinderKirche“ vorbereitet, einem Angebot der Kirchengemeinde Hohenselchow-Hohenreinkendorf. Nun wird es zwar weder er noch eines der teilnehmenden Kinder Alexander Gerst gleichtun und in den Weltraum starten, dafür aber ein Maulwurf. Dieser ist der einzige Passagier einer mit Elektronik, Messtechnik und Kameras vollgepackten Sonde und damit so etwas wie der erste Hohenselchower Astronaut. Allerdings handelt es sich um keinen lebenden Insektenfresser, sondern um das Maskottchen der regionalen Kinder- und Jugendarbeit. Entstanden ist er im 3D-Drucker aus leichtem Kunststoff, um Gewicht zu sparen für die Sonde, die per Gasballon am 7. Oktober mit der rasanten Geschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde in Richtung Weltall fliegen und dabei vorrausichtlich spektakuläre Bilder ihrer Reise und unseres Heimatplaneten aufzeichnen wird.

 

Mission mit eigens angefertigtem Emblem

 

„Das Wochenende der ‚KinderKirche‘ vom 6. bis 8. Oktober steht unter der Überschrift ‚Mission Schöpfung 2023‘. Es soll bei thematischer Arbeit und natürlich mit viel Spiel und Spaß um die Kostbarkeiten der Natur und ihren Erhalt gehen“, erzählt Lars Fischer. „Mission Schöpfung 2023“ steht auch auf dem eigens von ihm angefertigten Emblem der Hohenselchower Sonden-Expedition. Das Abzeichen, das den Aufnähern offizieller Weltraummissionen nachempfunden ist, zeigt neben einer stilisierten Abbildung der am Ballon hängenden Sonde den Pommerngreif, der das christliche Kreuz über dem Erdball trägt, daneben funkeln im All die Sterne wie Nordkirchenkreuze. Der 3D-gedruckte Maskottchen-Maulwurf wird dieses Missions-Emblem während seines Flugs auf einer kleinen Fahne bei sich tragen. Sein Gefährt hinauf in die Stratosphäre sieht recht unspektakulär aus. Die Sonde ist lediglich ein Styroporwürfel mit einer Kantenlänge von etwa 30 Zentimetern. Im Inneren jedoch offenbaren sich ihre wahren Fähigkeiten: „Da kommt allerhand Technik rein, zwei Kameras, eine filmt nach unten, die andere ist auf den Horizont gerichtet. Dazu kommt eine zweifache Stromversorgung, damit auch nichts von der Technik während der Reise zum Rand des Weltalls ausfällt“, erklärt Lars Fischer. Die Messtechnik an Bord sammelt Daten zu Temperatur, Luftdruck und Flugstrecke. Ein GPS-Signalgeber für die Standortbestimmung ist auch dabei, denn das Wiederfinden der Sonde nach ihrer Landung ist ein besonders kritischer Punkt der ganzen Mission. „Die Sonde könnte bis zu 500 Kilometer vom Startpunkt entfernt landen“, weiß Lars Fischer. Das hänge von zahlreichen Faktoren, vor allem von der am 7. Oktober herrschenden Windrichtung und der Windstärke ab.

 

Messtechnik widersteht bis zu 67 Grad unter Null

 

An der Außenseite der Sonde hat Lars Fischer einen 3D-gedruckten schmalen Kunststoffstab angebracht. Darauf befindet sich neben dem Maulwurf-Astronauten ein kleines Schild. „Der Maulwurf und das Schild sind so platziert, dass sie auf den späteren Aufnahmen zu sehen sind. Das Schild ist erstmal nur ein Platzhalter und wird am Starttag durch ein Schild ersetzt, das die Kinder mit ihrer ganz persönlichen Botschaft gestalten“, blickt Lars Fischer voraus. 900 Gramm wiegt die Nutzlast insgesamt, dazu kommt der Ballon mit 1.600 Gramm. Damit ist alles im grünen Bereich, denn laut Vorschrift für derartige privat durchgeführte Experimente darf das Gesamtgewicht vier Kilogramm nicht überschreiten. Zudem verteuert zusätzliches Gewicht die Mission, denn je höher das Gewicht der Sonde ist, desto mehr Helium ist nötig. Das ungiftige Gas, das leichter als Luft ist und als Füllung für den Ballon dient, hat Lars Fischer in einem Baumarkt gekauft. „Fast 4.000 Liter sind das“, sagt er und zeigt auf die Stahlflasche in seinem Büro. Die Sonde bezog er von einem Anbieter, der sich auf Wetterballon-Experimente spezialisiert hat. „Die Idee für den Sondenflug hatte ich schon vor Jahren, lange bevor es diese Firma gab, aber jetzt ist das durch die Unterstützung der Profi-Technik viel leichter umsetzbar. Die Firma hat Erfahrung aus mehr als 1.000 Flügen und stellt Mess- und Datentechnik zur Verfügung, die extreme Temperaturen, bis zu 67 Grad unterhalb des Gefrierpunkts aushalten kann.“ Die zusätzlichen Modifikationen hat Lars Fischer alle selbst vorgenommen.

 

Aufstieg in eine Höhe von 36 Kilometern

 

Die meisten Komponenten, wie beispielsweise die Kameras oder die Datenspeicher, sind weitgehend wiederverwendbar, sofern die gelandete Sonde unversehrt geborgen werden kann. Abgesehen vom Ballon und vom Helium, da der Ballon spätestens in einer Höhe von 36.000 Metern platzt. Grund dafür sind die Druckverhältnisse, wie Lars Fischer erklärt. Der Ballon dehnt sich während seines Aufstiegs immer mehr aus. Sein Durchmesser von ursprünglich rund drei Metern wird sich kontinuierlich vergrößern und auf erstaunliche 13 Meter anwachsen, bis das Material des Ballons schließlich nachgibt und die Sonde aufgrund der Schwerkraft wieder zur Erde zurückkehrt. Nach ungefähr zweieinhalb Stunden wird die Sonde ihre Maximalhöhe erreicht haben, prognostiziert Lars Fischer. „Mit 36 Kilometern Höhe wird die Sonde deutlich höher steigen, als Verkehrsflugzeige, die in rund elf Kilometern Höhe fliegen. Wirklich bis ins Weltall wird die Sonde damit zwar nicht kommen, aber die Gestalt des blauen Planeten werden wir auf den Aufnahmen trotzdem sehen können.“ Damit die kostbaren Daten auch heil unten ankommen, ist die Sonde mit einem Bremsfallschirm ausgestattet. „Der Fallschirm öffnet sich automatisch und sorgt dann dafür dass die empfindliche Technik bei der Rückkehr keinen Schaden nimmt“, erläutert der Pfarramtsassistent die Funktionsweise. Die gleichermaßen leichte wie stabile Styroporhülle der Sonde trage zudem dazu bei, heftige Stöße abzufedern.

 

Bergung der Sonde wird abenteuerlich

 

Mit einem online verfügbaren Programm lässt sich die mutmaßliche Landeposition gemäß der am Flugtag vorherrschenden Bedingungen ziemlich genau voraussagen. „Wenn am 7. Oktober das Programm aufgrund der aktuellen Bedingungen ankündigt, dass die Sonde auf jeden Fall im Meer landen würde, zum Beispiel draußen im Stettiner Haff, was durchaus möglich ist, dann starten wir die Sonde lieber nicht, denn dann wäre das Experiment von Beginn an gescheitert“, ist sich Lars Fischer sicher. Auf alle anderen Landeplätze sei das Team der „KinderKirche“ jedoch bestens vorbereitet. „Wir haben am Flugtag ein Bergungsfahrzeug am Start, das mit einer umfangreichen Ausrüstung auf alle möglichen Szenarien eingestellt ist. Leitern, ein Schlauchboot, Gummistiefel, wir haben alles an Bergungsequipment dabei, was geht.“ Die Sonde könnte auf einem Acker landen, auf einem Privatgrundstück, auf einem Baum oder im benachbarten Polen. Theoretisch sogar dort, wo sie gestartet ist. Je nachdem könnte die Jagd nach der gelandeten Sonde noch ein ganz eigenes Abenteuer werden. Lars Fischer hat zur Sicherheit außen an der Sonde eine Information in deutscher, englischer und polnischer Sprache angebracht. Sie enthält alle nötigen Kontaktinformationen verbunden mit der Bitte an mögliche Finder, sich zu melden und den Fundort mitzuteilen. Zudem weist das Schild darauf hin, dass es sich um ein harmloses Wetterballonprojekt handelt, damit niemand etwa an Aliens oder Spionage denkt. Sollten die Bedingungen am 7. Oktober einen Start nicht zulassen, gibt es zwar Ausweichtermine, damit rechnet Lars Fischer aber derzeit nicht. Die geplante Startzeit des Ballons ist um genau 10 Uhr direkt neben dem Hohenselchower Pfarrhaus. Zuvor wird eine Checkliste abgehakt, wie bei einem Raketenstart. Wenn alles in Ordnung ist, heißt es „Lift off!“.

 

Aufnahmen werden im Gottesdienst gezeigt

 

Aber eben mal einfach so eine Sonde ins Weltall starten, das geht natürlich nicht ohne Genehmigungen, Anträge und jede Menge Papierkram. Und das ist wohl auch ganz gut so, denn es soll ja weder zur Kollision mit Verkehrsflugzeugen oder Rettungshubschraubern kommen, noch sollen unbekannte Signale auf dem Radarschirm zu einem Militäreinsatz führen. „Wir haben Anträge bei der Oberen Luftfahrtbehörde gestellt, die Flugsicherung und auch die polnische Luftfahrtbehörde informiert“, zählt Lars Fischer auf. Da gebe es eine Unmenge an Daten, die dort abgefragt werden und Vorgaben, die erfüllt werden müssen. Von der Reißfestigkeit der Ballonschnüre bis zum Nachweis der Mission als Schulungsprojekt. Letztlich sei das alles jedoch erstaunlich schnell und unkompliziert genehmigt worden, freut sich Lars Fischer. Einen Tag nach der hoffentlich gelungenen „Mission Schöpfung“ werden die voraussichtlich eindrucksvollen Aufnahmen der Sonden-Kameras am Sonntag, 8. Oktober, um 14 Uhr während eines Gottesdienstes in der Hohenselchower St.-Johannes-Kirche gezeigt und „zum Nachdenken über die Schöpfung und unseren Umgang mit ihr anregen“, so Lars Fischer. Aus den gesammelten Daten soll neben einer Fotodokumentation ein Video entstehen, das dann vielleicht auch im Internet veröffentlicht wird. „Ich könnte mir so etwas wie ein Making-of vorstellen, das mit den Fotos kombiniert wird“, so Lars Fischer über die mögliche weitere Verwertung der Daten.

 

Kinder- und Jugendarbeit stärken

 

Rund 1.500 Euro kostet die „Mission Schöpfung 2023“ insgesamt. Einen Teil davon übernimmt der Pommersche Evangelische Kirchenkreis, der das Vorhaben mit 425 Euro aus dem Fonds „Initiativen und Projekte“ unterstützt. „Wir wollen die ‚KinderKirche‘, die eine lange Tradition hat, nach der Corona-Zeit wieder neu beleben und reaktivieren. Viele beliebte Formate der Kinder- und Jugendarbeit haben in der Pandemie gelitten. Wir möchten das wieder stärken und daran anknüpfen“, spricht Lars Fischer die Hoffnung der Kirchengemeinden im Pfarrsprengel aus. Das außergewöhnliche Projekt „Mission Schöpfung 2023“ könne vielleicht dazu beitragen.

Quelle: PEK (sk)