Kunsthistorikerin Karin Berkemann: Aus DDR-Kirchenbau lassen sich Erfahrungen ziehen

07.09.2023 · Greifswald. Nach Ansicht der Kunsthistorikerin und Theologin Karin Berkemann kann man aus dem Kirchenbau in Ostdeutschland in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren wertvolle Erfahrungen für heute ziehen. „Oft bieten gerade die Kirchen, die in der späten DDR-Zeit errichtet oder umgestaltet wurden, bereits ein hohes Maß an Flexibilität“, sagte Berkemann.

In der DDR wurde mit der Zeit immer sichtbarer, dass die kleiner werdenden Kirchengemeinden alleine ihre großen Räume nicht halten konnten, führte Berkemann aus. Aus der Not wurde so eine Tugend: Durch den Einbau von sogenannten Winterkirchen ließen sich unterschiedliche Nutzungen sowie verschiedene Akteurinnen und Akteure unter einem Dach vereinen. Dieses Modell sei in den 1980er Jahren dann in der Bundesrepublik wiederentdeckt worden. Damals galten die Kirchengemeinden in der DDR als Vorreiterinnen, mit historischen Räumen kreativ umzugehen. Bei dem Modell der Winterkirche wird ein Raum zum Beispiel unter der Empore abgetrennt, der sich leichter beheizen lässt. In der Bundesrepublik verschwanden solche Lösungen zumeist mit dem Bauboom der 1950er und 1960er Jahre.

 

Vor dem Hintergrund, dass christliche Gemeinden heute kleiner werden würden und pragmatische Lösungen suchten, könne man es sich nicht leisten, „diese wertvolle Ressource ungenutzt zu lassen“. Gefragt seien auch heute nicht aufwendige und teure, sondern „im besten Wortsinn einfache Lösungen“, sagte Berkemann.

 

Zusammen mit dem Theologen Tobias Braune-Krickau organisiert Berkemann den Studientag „Kirchen für neue Städte“ über den spät- und postmodernen Kirchenbau in Ostdeutschland am Donnerstag und Freitag in Greifswald. Veranstalter ist die Arbeitsgemeinschaft „Kirche und Kulturerbe“ der Theologischen Fakultät an der Universität Greifswald.

 

„In der Stadt verlieren wir immer mehr Freiräume, in denen man sich treffen und entfalten kann“, kritisierte die Kunsthistorikerin weiter. Öffentliche Orte jenseits der Kommerzialisierung würden dennoch gebraucht, und Kirchen eigneten sich besonders gut dafür. Der Studientag finde deswegen bewusst in der evangelischen Altstadtkirche St. Marien und in der in den 1970er Jahren erbauten evangelischen Christuskirche am Rande des Plattenbauviertels Schönwalde II statt. „Mit der spätmodernen Seite der Hansestadt hat man sich vor Ort bislang kaum auseinandergesetzt, dabei kann Greifswald so viel mehr als Backsteingotik.“

Quelle: epd