70. Jahrestag Gauck erinnert an Volksaufstand und ruft zur Solidarität auf
16.06.2023 · Berlin. Vor 70 Jahren rollten in der DDR sowjetische Panzer gegen Demonstranten und Streikende. Zum Jahrestag des Aufstands ziehen Politiker eine Verbindung zur friedlichen Revolution von 1989. Zugleich wird mangelnde Unterstützung für SED-Opfer beklagt.
Altbundespräsident Joachim Gauck hat zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR zur Solidarität mit Freiheitsbewegungen in anderen Ländern aufgerufen. Aus der Erinnerung an den niedergeschlagenen Aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR erwachse heute die Verpflichtung, solidarisch mit denen zu sein, die wie etwa im Iran oder in Belarus für ihre Freiheit kämpfen, sagte Gauck am Donnerstag bei einer Gedenkstunde von Berliner Senat und Abgeordnetenhaus. „Auch dort, wo wir nicht leben, sind wir gefordert zur Solidarität“, unterstrich der Altbundespräsident.
Gauck warb im Abgeordnetenhaus für eine größere öffentliche Beachtung der Ereignisse rund um den 17. Juni 1953: „Dieses Land nimmt seine Freiheitsgeschichte zu wenig wahr.“ Bislang seien der Jahrestag und die Opfer des Volksaufstandes kein Teil des kollektiven Gedächtnisses. „Wir halten Freiheit für das Selbstverständliche und vergessen die Kämpfe und Sehnsucht derer, die sie nicht erringen konnten.“ Dabei stehe fest: „Deutsche können Freiheit“, sagte er mit Blick auf den Mauerfall von 1989.
Die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur, Evelyn Zupke, machte auf die schwierige Lage von Teilnehmern des Volksaufstands aufmerksam. Heute lebten viele Betroffene aufgrund ihrer gebrochenen Biografien teils in prekären sozialen Verhältnissen. Dabei beklagte Zupke eine mangelnde Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden. „Weiterhin scheitert die breite Mehrheit der Betroffenen mit ihren Anträgen“, erklärte Zupke am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung ihres zweiten Jahresberichtes an den Bundestag.
Der Berliner evangelische Bischof Christian Stäblein würdigte „die Menschen, die sich trotz brutaler Repressionen am Aufstand beteiligten“. Der Kampf um Freiheit und Demokratie habe vielen Menschen das Leben gekostet und einer Generation die Hoffnung genommen. „Aber die Hoffnung ist nie erloschen.“ Er sei dankbar, „dass das wach ist und wir gemeinsam um Demokratie kämpfen gegen ihre Feinde, gegen den Rechtspopulismus, gegen die, die die Freiheit für ihre Zwecke ausnutzen wollen“, sagte Stäblein.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nannte den Volksaufstand eine „Sternstunde der deutschen Freiheitsgeschichte“. Der 9. November 1989 wäre ohne den 17. Juni 1953 nicht möglich gewesen. „Proteste kann man niederschlagen, Menschen kann man einsperren, aber den Wunsch nach Freiheit und Demokratie kann man nicht wegsperren“, sagte Wegner.
Vor 70 Jahren streikten im Juni in Ost-Berlin Bauarbeiter, zunächst um gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen zu protestieren. Am 17. Juni 1953 und zum Teil auch danach folgten zahlreiche Streiks in Betrieben und Demonstrationen in mehr als 700 Städten und Gemeinden der DDR. Die Menschen forderten den Rücktritt der Regierung, freie und geheime Wahlen sowie die Einheit Deutschlands. Die Proteste wurden von der sowjetischen Armee niedergeschlagen. Mindestens 55 Menschen starben. Rund 10.000 wurden festgenommen.
Der Bundestag erinnert am Freitag (16. Juni) an den Volksaufstand. Am Sonnabend (17. Juni) gibt es eine Gedenkveranstaltung der Bundesregierung am Mahnmal für die Opfer des Volksaufstandes auf dem Friedhof an der Seestraße im Wedding.
Quelle: epd