Archäologische Funde in MV Die Kreuzigung Christi und das dritte Kreuzeswort

Von Hans-Joachim Kohl

Landesarchäologe Dr. Detlef Jantzen im dendrochronologischen Archiv

Foto: Hans-Joachim Kohl

24.04.2023 · Wismar. In den letzten zwölf Jahren gab es auf dem Gebiet von MV einige archäologische Funde, die christlich interpretiert werden können. Sie zeigen u.a. die Kreuzigung Christi und das dritte Kreuzeswort. Manche wurden durch ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger entdeckt. Von ihnen gibt es derzeit fast 250. Der Landesarchäologe, Dr. Detlef Jantzen, erzählt von vier, teilweise sehr spektakulären Funden. Die Zahl der slawen-/wikingerzeitlichen Fundstücke mit christlichem Hintergrund ist insgesamt aber sehr klein.

Im letzten August wurde ein beschädigtes Stück Metall in Ilow bei Neuburg, östlich von Wismar, zu Tage gefördert. Es lag im Boden einer Burganlage aus slawischer Zeit. „Das ist ein kreuzförmiges Stück“, erklärt Detlef Jantzen, „so eine Art dickes Blech, etwas verbogen und an einer Stelle gerissen. Einer der Arme des Kreuzes ist abgebrochen. Auf der Vorderseite ist klar zu erkennen, dass dort eine menschliche Figur abgebildet ist mit ausgebreiteten Armen, die Hände sind ausgestreckt. Die Figur trägt eine Art Rock und über der Figur kann man ein Kreuz erahnen“.

 

Vor etlichen Jahren wurde ein ähnliches Teil in der slawischen Marktsiedlung Parchim-Löddigsee gefunden. Beide Teile haben ein Pendant in Dänemark. „Das steht in Jelling, in Jütland“, sagt Detlef Jantzen, „der Stein, der an Harald Blauzahn erinnert, den dänischen König, der das Reich einte und die Dänen zu Christen machte. Auf einer Seite dieses Jellingsteins ist eine Christusdarstellung zu sehen, die diesen Darstellungen sehr ähnelt“.

 

Der Jellingstein sei etwa um 960 gesetzt worden, meint Detlef Jantzen. Wegen der Ähnlichkeit des Motives könnte die Darstellung aus Ilow auch aus dem späten 10. Jahrhundert stammen, die aus Parchim-Löddigsee sei wahrscheinlich etwas jünger. Bei Fundstücken, die rein aus Metall bestehen, sei eine genauere zeitlich Einordnung aber generell schwer.

 

Zwei Kreuzemaillefibeln fand man bei den Ausgrabungen, die 2014 und 2015 im Innenhof der ehemaligen slawischen Burganlage stattfanden. Sie stand ab 941/42 da, wo heute das Schloss steht. 

 

„Sie haben auch einen christlichen Bezug“, erläutert Detlef Jantzen, „man kann sich vorstellen, dass Reisende aus dem westeuropäischen Gebiet hier an die Burg Schwerin gekommen sind. Sie könnten diese Fibeln verloren haben. Man kann auch darüber spekulieren, ob sich eine „christliche Elite“ auf dieser Burg aufgehalten hat. Sie ist seit 965 eine fürstliche Nebenburg gewesen. Vielleicht hatten sich diese christlichen Eliten mit den Kreuzemaillefibeln geschmückt. Das verraten sie uns leider nicht, aber das Kreuz wird im christlichen Zusammenhang interpretiert“. Anders als heute, wäre das Kreuz damals sicher nicht als reiner Schmuck getragen worden, sondern viel mehr als Bekenntnis zum christlichen Gott, ist er sich sicher.

 

Der spektakulärste Fund ist ein ostkirchliches Enkolpion. Es wurde 2011 von einem ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger in Blengow bei Bad Doberan gefunden. „Bei einem Enkolpion handelt es sich um ein meist aus Bronze gegossenes, zweiteiliges hohles Klappkreuz, das als Pektoral, also als Kettenanhänger vor der Brust, getragen wurde. Im Inneren befanden sich eine oder mehrere Reliquien“, schreibt Alexander Sakuth in seiner Untersuchung in „Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern“ (Beiheft 15, 2016). Zu den altgriechischen großen Buchstaben unter den Kreuzesarmen, schreibt er: „somit lassen sich die Inschriften zweifelsfrei als eine Wiedergabe aus dem Johannesevangelium (Johannes 19,26-27), nämlich dem dritten der sieben letzten Kreuzesworte Christi, identifizieren“. Dargestellt ist Jesus Christus am Kreuz mit geneigtem Haupt. Er trägt ein ärmelloses Gewand, das bis zu den Knöcheln reicht, das Colobium. Auf dem Querbalken sind links Maria und rechts wohl der Jünger Johannes dargestellt. Über dem Kreuz sind Mond und Sonne zu sehen. Letzteres „findet sich in der ikonographischen Kreuzesdarstellung schon sehr früh in der byzantinischen Kunst und verweist (u. a.) auf den Weltherrschaftsanspruch Christi“, schreibt Alexander Sakuth. Wie das Enkolpion aus dem byzantinischen Bereich nach Blengow gekommen ist, liegt völlig im Dunkeln.

 

Zwar muss die Geschichte des christlichen Glaubens durch diese Funde auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns nicht neu geschrieben werden. Aber die teils spektakulären Funde haben doch etwas mehr Licht in seine Anfänge gebracht.

Quelle: kirche-mv.de (hjk)