Besinnung zum Osterfest 2023 von Bischof Tilman Jeremias Er lebt und wir mit ihm

Das Abendmahl zu Emmaus. Gemälde von Frederick George Swaish (1879-1931)

Foto: wikimedia

09.04.2023 · Greifswald. Ostern bricht sich Bahn. Nicht nur dort, wo ein fröhliches Fest gefeiert wird. Der Auferstandene kommt gerade zu denen, die sich mit enttäuschten Hoffnungen zurückgezogen haben in ihren Alltag. So wie zu den zwei Männern aus Emmaus.

Ihr geht beide tief gebeugt, habt kein Auge für die Umgebung. Die Trauer, ja die Verzweiflung über den Tod des Meisters liegt auf euren Herzen wie ein Mühlstein. Alle eure Hoffnung hattet ihr auf ihn gesetzt. Er sollte Befreiung bringen und neuen Anfang, Heilung für Leib und Seele. Und nun dies! Verspottet, gefoltert und hingerichtet wie ein Schwerverbrecher ist er von euch gegangen. Alles vorbei, alles umsonst. Was soll eigentlich das Leben noch angesichts dieses Verlusts? Eure Beine werden schwerer und schwerer und wollen euch kaum mehr tragen.

 

Und so merkt ihr es zunächst gar nicht. Plötzlich seid ihr zu dritt. Ein Fremder teilt euren Weg. Er ist sichtlich anders gestimmt als ihr. Scheint nichts mitbekommen zu haben von dem Drama vorgestern. Oder ist ihm das alles egal? Jede Einzelheit müsst ihr ihm erklären. Vor allem das mit der schmachvollen, schrecklichen Kreuzigung des Meisters.

 

Aber ihr berichtet auch von den eigenartigen Geschichten, die die Frauen heute Morgen erzählt haben. Verwirrend, verstörend! Sie seien zum frischen Grab gegangen. Der Leichnam sei weg gewesen. Und Engel dort hätten ihnen mitgeteilt, dass Jesus lebe. Was das nun alles wieder zu bedeuten hat? Lasst dem Toten und denen, die trauern, doch ihre Ruhe!

 

Begleitung in schwerer Zeit tut gut

 

Aber eines hat er doch schon geschafft, der Fremde: Ihr lasst die Köpfe nicht mehr ganz so hängen. Da will einer wissen, warum ihr so niedergeschlagen seid. Da hört einer zu. Immerhin, ein kleiner Lichtblick im Tal des Jammers.

 

Doch nun geschieht Überraschendes. Erst traut ihr euren Ohren kaum. Der fremde Mitwanderer fängt an zu predigen. Ihr habt ja wohl die Schrift nicht recht verstanden! Der Gesalbte Gottes leidet für uns, so haben es schon die Propheten gesagt! Und erst durch dieses Leiden hindurch wird er von Gott verherrlicht. Ihr staunt. Es ist schwer zu verstehen – aber der Fremde redet so, dass man kein Wort verpassen möchte.

 

Und ebenso erstaunlich: Während er spricht, werden eure Beine etwas leichter. Ihr richtet euch auf, nicht absichtlich, es geschieht einfach. Der Weg wird kürzer. Die Zeit vergeht im Flug. Da vorn seht ihr schon euer Heimatdorf. Der Fremde will weiterziehen. „Nein, nein, bleib doch bei uns diese Nacht! Es ist schon spät.“ Fast drängt ihr ihn. Es tut doch richtig gut, ihn jetzt bei sich zu haben, Begleitung in schwerer Zeit.

 

Er kommt mit. Ihr möchtet es kaum zugeben – ihr freut euch. Seid nicht allein in einer Nacht, die vermutlich wieder schlaflos bleibt. Die letzten Schritte zu eurer Hütte geht ihr fast beschwingt. Besuch ist immer eine Freude, heute ist sie eine Wohltat! Eure von Trauer zerfurchten Gesichter hellen sich auf.

 

Brot und Wein stehen schnell auf dem Tisch zu Hause. Und nun: Wieder geschieht Verwunderliches. Bevor ihr als Gastgeber den Segen spenden könnt, nimmt der Fremde sich das Brot, spricht den Dank, bricht es und reicht es euch. Diesen Moment werdet ihr niemals vergessen. Denn es schießt euch durch Herz, Magen und Augen: Jesus! Du bist es! Du lebst! Und auf einmal ist der Meister wieder verschwunden.

 

Krumme Rücken werden gerade, die Beine leicht

 

Euch hält jetzt nichts mehr. Ihr springt auf, rennt beschwingt den Weg zurück, der euch eben noch so schwer war. Wieder nach Jerusalem! Die Dunkelheit kann euch nichts anhaben. Ihr lauft, als hättet ihr nicht gerade schon einen guten Weg hinter euch. Ja, immer wieder springt ihr in die Luft. Er lebt, er lebt!, ruft ihr, singt ihr, lacht ihr. Das müssen die anderen hören!

 

Ihr seid auferstanden. Ihr spürt im Blick zurück: Die Last der Trauer hat euch niedergebeugt und blind gemacht. Die Erzählungen der Frauen haben euch völlig durcheinandergebracht. Die Predigt des Meisters hat euch erfrischt, aber ihr konntet noch nicht ermessen, was sie wirklich bedeutete. Doch nun sind eure Augen offen, seit er mit euch das Mahl gefeiert hat. In Brot und Wein ist er euch begegnet, leibhaftig.

 

Ihr seid auferstanden. Der krumme Rücken gerade, die schweren Beine leicht, die matten Augen hellwach, euer Herz springt. Er lebt und wir mit ihm. Halleluja!

Quelle: KIZ