Kirchenmitarbeiter sprechen über "Staat und Kirche in MV" Bischof Jeremias: "Krisen fordern uns heraus, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen"

Ministerin Bettina Martin und Bischof Tilman Jeremias im Greifswalder Dom.

Foto: A. Klinkhardt

14.09.2022 · Greifswald. Über das Verhältnis von „Staat und Kirche in Mecklenburg-Vorpommern“ tauschten sich heute in Greifswald rund 100 kirchliche Mitarbeitende aus: In Vorträgen und Workshops ging es um kirchliches Engagement im Gemeinwesen, Bildung, kirchliche Gebäude und kirchliches Leben in ländlichen Räumen.

Bischof Tilman Jeremias sagte in seiner Predigt zum Auftakt: „Das sind allesamt Bereiche, die uns als Pastorinnen, Pastoren und kirchliche Mitarbeitende unmittelbar und Tag für Tag beschäftigen. Damit wird deutlich: Wir sind als Kirche immer auch öffentlich tätig, im Raum der Gesellschaft, als politische Größe. Für eine Kirche, die in ihrem Verhältnis zu einem diktatorischen und grausamen NS-Staat gravierend versagt hat, besitzt dieses Thema besondere Brisanz.“

 

Ein Ziel des Treffens sei es gewesen, die neuen Ansprechpartnerinnen und – partner in der Regierung kennenzulernen, sagte der Demminer Propst Gerd Panknin, einer der Organisatoren. „Wir möchten gern über gemeinsame Handlungsfelder ins Gespräch kommen.“ Gesprächspartnerin im Greifswalder Dom war die Kulturministerin des Landes MV Bettina Martin. Seit November ist sie zuständige Ministerin für Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften und damit der Kirchen. In ihrem Vortrag dankte sie allen, die sich in der Kirche haupt- und ehrenamtlich engagieren und sagte: „Nordkirche und Landesregierung sind schon seit vielen Jahren gute und enge Partner. In wichtigen Bereichen, wie beispielsweise der Bildung, arbeiten wir vertrauensvoll und konstruktiv zusammen. Gerade in diesen schwierigen Krisenzeiten, in denen viele Menschen mit Sorgen in die Zukunft blicken, nimmt die Kirche eine wichtige Rolle ein. Sie kann Orientierung und Gemeinschaft bieten. Damit trägt sie zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Das ist aktuell wichtiger denn je.“

 

Auch der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern betonte die Rolle von Kirche als Kooperationspartnerin, um „so den wachsenden Gräben in unserer Gesellschaft entgegenzuwirken.“

 

Zwei Bibelstellen haben laut Tilman Jeremias das Verhältnis von Kirche und Staat über die Jahrhunderte bestimmt: Die Apostelgeschichte erzählt, wie Petrus aufgrund seiner Überzeugung im Gefängnis landet und von einem Engel befreit wird. Sofort beginnt er wieder, öffentlich von Jesus zu erzählen. Bischof Jeremias sagte: „Die Apostel ließen sich nicht abhalten von der Verkündigung trotz der zu erwartenden Konsequenz, wiederum gefangen gesetzt zu werden. Auch beim erneuten Vorsprechen vor dem Hohen Rat nach der wunderbaren Befreiung aus dem Gefängnis ändert sich nichts am Mut und an der Überzeugungskraft der Apostel. Petrus bezeugt einmal mehr die Auferstehung Jesu, Ihren Ungehorsam den religiösen Autoritäten gegenüber stützen die Apostel auf den Satz: ‚Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen'."

 

Bekannter und über die Jahrhunderte wirksamer als dieser Aufruf zum zivilen Ungehorsam sei dagegen die Forderung des Paulus: Demnach muss ein Christ der Obrigkeit untertan sein, da diese von Gott eingesetzt ist. Bischof Jeremias betonte: „Wer nur diese Verse des Paulus im Römerbrief liest und nicht  den Satz des Petrus in der Apostelgeschichte, steht in der immensen Gefahr, wie die Deutschen Christen in brauner Verblendung zu landen.“

 

Wichtig sei, beide Traditionsstränge zusammenzuhalten: „Ich bin davon überzeugt: Wir brauchen beide Sichtweisen, die einander ergänzen und korrigieren.“ Die aktuellen Krisen auch innerhalb der Kirchen erforderten „einen wachen Blick und ein warmes Herz von uns allen“. Jeremias schloss: „Wenn wir unseren Glauben überzeugend leben möchten, bleibt uns nichts, als angesichts brennender Fragen Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Uns zu wehren gegen Ausgrenzung und Diskriminierung, gegen Gewalt und blinde Wut. Uns einzusetzen und zu beten für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung.“

Quelle: Bischofskanzlei Greifswald (ak)