Kirchenasyl von 1990 kommt ins Fernsehen "Honecker und der Pastor"

Von Yvonne Jennerjahn

08.03.2022 · Lobetal/Potsdam. Vor mehr als 30 Jahren hat der abgesetzte DDR-Regierungschef Erich Honecker mit seiner Frau zehn Wochen lang im Kirchenasyl im brandenburgischen Lobetal gelebt. Nun hat sich der Schauspieler Jan Josef Liefers der zeithistorischen Geschichte von 1990 als Regisseur angenommen und die Ereignisse der Endphase der DDR verfilmt. Mitte März kommt der Film ins Fernsehen und wird im ZDF und auf Arte ausgestrahlt. Ab dem 14. März soll er bereits in der ZDF-Mediathek zugänglich gemacht werden.

Die Geschichte von den Honeckers und dem evangelischen Pfarrerehepaar Holmer verfolge ihn, seit er das erste Mal davon gehört habe, schreibt Liefers dazu im Pressematerial des ZDF: „Das ehemalige Staatsoberhaupt und seine Frau, die einstige Volksbildungsministerin, werden nach ihrem tiefen Fall zu obdachlosen Bittstellern, die keiner will.“ Nur zwei eilig gepackte Koffer seien ihnen vom alten Leben geblieben. Dass in der ausweglosen Situation ausgerechnet ein evangelischer Pastor sein Haus für das „Diktatorenpärchen“ öffnet, klinge wie im Märchen. „Kirche und Staat - die Enden der Parabel kreuzen sich“, schreibt Liefers: „Das Undenkbare passiert.“

 

Was wie ein Kammerspiel aussehe, sei jedoch in Wahrheit ein Thriller, betont der Regisseur: „Eingebunkert und in nahezu völliger Isolation von den Dingen des Lebens wird die Außenwelt von den Honeckers nur durch den Blick in den Fernseher oder durch die Gardinen an den Fenstern ihrer Zimmer wahrgenommen.“ Doch in ihren Köpfen tobe ein Krieg, dort gehe es „auf zum letzten Gefecht“. Auch diese imaginären Bilder würden im Film zum Teil sichtbar gemacht.

 

Erich Honecker wird in dem Film von Edgar Selge gespielt, seine Frau Margot von Barbara Schnitzler. Hans-Uwe Bauer verkörpert Pastor Uwe Holmer, Steffi Kühnert seine Frau Sigrid. Auch Liefers Ehefrau Anna Loos, Kurt Krömer und Axel Prahl haben Rollen übernommen. Gedreht wurde in den Babelsberger Studios und der Umgebung von Potsdam, jedoch nicht in Lobetal am historischen Ort des Geschehens. Dort war Uwe Holmer seinerzeit Leiter der Hoffnungstaler Anstalten der evangelischen Diakonie, die einst zur Aufnahme von Obdachlosen gegründet wurden und inzwischen vielfältige soziale Unterstützung anbieten.

 

Das Drehbuch hat der vor allem als Krimi- und „Tatort“-Autor bekannte Jurist Fred Breinersdorfer geschrieben. Er habe auch eine besondere Leidenschaft für historische Widerstandsfilme, erzählt Breinersdorfer im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er hat Drehbücher für Spielfilme über die NS-Widerstandskämpferin Sophie Scholl, den gescheiterten Hitler-Attentäter Georg Elser und die von den Nazis ermordete Anne Frank verfasst. Auch der Film über Honeckers „Kirchenasyl“ gehöre dazu, „weil er eine besondere, stille und beharrliche Form von Widerstand erzählt, den Pastor Uwe Holmer ausgeübt hat“, sagt Breinersdorfer: „Das hat mich von Anfang an fasziniert.“

 

Zwei Jahre Recherche und drei Jahre Arbeit am Drehbuch seien den Dreharbeiten vorangegangen, erzählt er. Und von der Zusammenarbeit mit Jan Josef Liefers als Regisseur sei er begeistert.

 

„Ich vergleiche meine Aufgabe als Drehbuchautor gerne mit einem 'Achter' beim Fußball“, sagt er: „Das ist eine Mittelfeldposition, der Spieler mit der acht verteilt die Bälle und muss die Räume öffnen, damit die Tore fallen, und gleichzeitig defensiv absichern, er muss aber nicht selber jedes Tor schießen.“ Ein Drehbuchautor müsse wie dieser Mittelfeldspieler Räume öffnen und dürfe sie nicht egoistisch zustellen, betont Breinersdorfer: „Aber, um im Bild zu bleiben, die Tore müssen fallen.“

 

Jan Josef Liefers sei im Fußballjargon ein „echter 'Neuner', ein Torjäger, ein unglaubliches Regietalent“, erzählt der Drehbuchautor: „Er ist persönlich auch sehr angenehm, ein sehr höflicher Gentleman. Ich habe keine Sekunde die Zusammenarbeit bereut.“

 

Zentraler roter Faden ist für den Drehbuchautor die moralische und christliche Integrität des inzwischen 93 Jahre alten Pastors Uwe Holmer, der seit längerer Zeit in Mecklenburg-Vorpommern lebt. „Ich bin kein Christ“, erzählt Breinersdorfer: „Aber mich interessieren die Themen Religion, Ethik und Moral und die Ideologie des Sozialismus, für den ich als Student gekämpft habe.“

 

Im Mittelpunkt stehe die Frage, ob Uwe Holmer als Pastor seine Grundprinzipien wie Barmherzigkeit, Gastfreundschaft, Nächstenliebe als Opfer des DDR-Regimes über Bord werfen und die damals faktisch obdachlosen Honeckers abweisen soll oder ob er seiner Haltung trotz vieler Widerstände treu bleibt, fasst Breinersdorfer zusammen: „Und es geht auch darum, wie Holmer Honecker zusetzt mit seiner christlichen Moral, und um die Hilflosigkeit der honeckerschen Ideologie und Doktrin und seines Starrsinns.“

Quelle: epd