Tourismusexperte der Nordkirche: "Kirche muss vor die Tür"

20.06.2022 · Hamburg. Mit mehr als 3.000 Kilometern Küste und zahlreichen Ausflugszielen im Hinterland ist das Gebiet der Nordkirche ein Tourismusmagnet. Kirchenbesichtigungen gehören Studien zufolge für viele Touristen zum Urlaub dazu. Der Tourismusexperte der Nordkirche, Ulrich Schmidt, hat dieses Potenzial schon in seinem Theologie-Studium erkannt. Der 65-Jährige wird nicht müde, die Kirchengemeinden aufzufordern, ihr touristisches Angebot weiter auszubauen. „Kirche muss vor die Tür“, sagte Schmidt. Jetzt geht er in den Ruhestand.

Bereits als Student fiel Schmidt während eines Praktikums bei „Kirche am Urlaubsort“ auf, dass Menschen im Urlaub auf der Suche sind, „nach Gemeinschaft, nach Ablenkung für die Kinder zum Spielen und nach Konzerten und anderen Gottesdiensten“.

 

Auch nach dem Studium blieb der Hamburger Theologe dem Thema Kirche und Tourismus treu. 25 Jahre lang engagierte er sich bei „Kirche Unterwegs“. An Urlaubsorten und auf Campingplätzen in der Nordkirche begegnete er vielen Menschen und gab ihnen Impulse für den Glauben und das Leben. In dieser Zeit habe er auch bemerkt, dass offene Kirchen viele Besucher anlocken. Aus dieser Erfahrung sei die Aktion „Tritt ein - die Kirche ist offen“ mit den blau-gelben Schildern entstanden, so Schmidt. „Das macht uns erkennbarer.“

 

Zu Kirche und Tourismus gehöre, dass „Kirche vor die Tür geht“. In Bayern gebe es Berggottesdienste, im Norden die Strand- oder Seebrückengottesdienste. Die Kirchen dürften nicht darauf warten, dass jemand kommt, sondern müssten dahin gehen, wo die Menschen sind. Die seien immer neugierig und würden auch bei kirchlichen Angeboten stehen bleiben. Kirche müsse es dann eben „aushalten“, dass manche vielleicht nicht bis zum Schluss eines Strandgottesdienstes bleiben, so Schmidt.

 

Immer wieder habe sich ihm die Frage gestellt, wie Kirchengemeinden und Tourismuszentralen besser vernetzt werden können, erinnert sich Schmidt, der vor neun Jahren zum Tourismus-Experten der Nordkirche berufen wurde. Beispielsweise hätten die Organisten erst im Mai das Sommerprogramm herausgegeben, die Tourismusverwaltungen wollten aber eigentlich im November des Vorjahres die Konzerte bewerben. Also habe er 2010 den Fachkongress „Kirche und Tourismus“ ins Leben gerufen, bei denen die Verantwortlichen zusammenkommen und voneinander lernen können.

 

Urlauberbefragungen hätten über die Jahre gezeigt, dass Menschen sich für offene Kirchen, ihre Geschichte und spirituelle Angebote interessieren. Mit den Angeboten von Kirche und Tourismus würden zudem bis zu 25 Prozent der Menschen erreicht, die zu Hause nicht oder nicht regelmäßig eine Kirche besuchen.

 

Am morgigen Dienstag (21. Juni, 16 Uhr) wird Ulrich Schmidt mit einem Gottesdienst in der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi (Innenstadt) in den Ruhestand verabschiedet. Reisen wird auch privat sein Thema bleiben. Ratschläge seien von ihm aber vermutlich keine mehr zu erwarten, so Schmidt. Allerdings wünsche er der Zusammenarbeit von Kirche und Tourismus, dass die Kirche die Professionalität des Tourismus bekomme und dem Tourismus, dass er die verborgenen Angebote der Kirchen häufiger wahrnehme. Denn: „Wir haben was zu bieten.“

Quelle: epd