"Da ist ein gemeinsamer Spirit entstanden" Die evangelische Nordkirche feiert zu Pfingsten ihren 10. Geburtstag

Von Nicole Kiesewetter

03.06.2022 · Ratzeburg/Schwerin. Mehr als 10.000 Menschen feierten an Pfingsten vor zehn Jahren in Ratzeburg das Gründungsfest der Nordkirche. Jede der über 1.000 zugehörigen Gemeinden bekam ein Lindenbäumchen mit nach Hause, damit die neue Kirche überall "wurzelt und wächst".

Es war ein großes, neues Gebilde, das vor zehn Jahren entstand: Pfingstmontag, am 27. Mai 2012, schlossen sich die mecklenburgische Landeskirche, die nordelbische Kirche und die pommersche Kirche zur Nordkirche zusammen - und damit zur ersten und bis heute einzigen evangelischen Landeskirche über die ehemalige deutsch-deutsche Grenze hinweg.
 

Das zehnjährige Bestehen wird nun gefeiert - jedoch nicht ganz so groß: Am Pfingstmontag (6. Juni, 11 Uhr) wird es einen kirchenmusikalischen Festgottesdienst im Dom zu Ratzeburg geben. Mit dem Motto „Zusammen Nordkirche“ solle auch die Bedeutung der weltweiten Ökumene für die Nordkirche unterstrichen werden, heißt es in der Einladung.
 

Dabei sei das Ziel „Zusammen Nordkirche“ für die drei beteiligen Landeskirchen anfangs gar nicht leicht herbei zu führen gewesen: „Natürlich haben wir einander geärgert“, sagt der ehemalige Landesbischof Gerhard Ulrich im Rückblick auf die nicht immer einfachen fünfjährigen Verhandlungen, die der Fusion voraus gingen. „Aber ich dachte immer: Das wird gutgehen, das gehört zusammen.“
 

Dabei sei ihm klar gewesen, es könne nur klappen, wenn es keinen „Anschluss von Ost an West“ gebe: „Unser Prinzip war: Wir verhandeln auf Augenhöhe“. Das bestätigt auch der frühere pommersche Bischof Hans-Jürgen Abromeit: „Es war ein harter Weg dahin - aber es ist etwas Gutes geworden.“ Gerade in Mecklenburg und Pommern habe es jedoch auch Widerstände gegeben, die bisherige Eigenständigkeit der Landeskirchen aufzugeben.
 

Dabei hätten die einzelnen Kirchengemeinden „in ihrer Wirklichkeit keine große Veränderung verspürt - da ging das Leben weiter“, so Abromeit, der von 2001 bis zur Fusion 2012 Bischof mit Sitz in Greifswald war. Auf einer Fläche von über 40.000 Quadratkilometern in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg befinden sich 920 Kirchengemeinden in 13 Kirchenkreisen. Einige Gemeinden liegen zudem in den Bundesländern Brandenburg und Niedersachsen.
 

Die Fusion ist nach Gerhard Ulrichs Einschätzung „gelungen“: Es sei in aller Unterschiedlichkeit der verschiedenen Landesteile „ein gemeinsamer Spirit“ entstanden. Dabei sei die Nordkirche heute „ein unverzichtbarer Partner“ für die Gesellschaft in Norddeutschland und von großer Bedeutung für die politischen und kommunalen Gremien - „auch wenn wir zahlenmäßig kleiner werden“.
 

Die Nordkirche hatte in ihrem Gründungsjahr 2012 noch rund 2,4 Millionen Gemeindeglieder, was rund 39 Prozent der Bevölkerung im Kirchengebiet entsprach. Im April 2021 hatte sie mit knapp 1,9 Millionen (28,9 Prozent der Gesamtbevölkerung) rund eine halbe Million Mitglieder verloren.
 

Die „Gottvergessenheit“, der sich die Kirche zunehmend stellen müsse, habe jedoch nicht mit der Fusion eingesetzt, betont Ulrich, der von 2013 bis Ende März 2019 Landesbischof der Nordkirche war. Allerdings müsse diese Entwicklung die Kirche dazu bewegen, darüber nachzudenken, „mit welcher Sprache und mit welchen Formaten wir unseren Verkündigungsdienst künftig tun“.
 

Am Pfingstmontag lädt Ulrichs Nachfolgerin, Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, alle Kirchengemeinden in der Nordkirche ein, bei sich vor Ort in pfingstlichen Gottesdiensten und Andachten mitzufeiern, „als gemeinsames und stärkendes Signal in einer Welt, die sich nach Frieden sehnt“. Dazu werden Anregungen und Impulse in einem Gottesdienst-Begleitheft verteilt, das zuvor an alle Kirchengemeinden geschickt wurde.
 

Kühnbaum-Schmidt sagt anlässlich des Jubiläums, dass die Nordkirche nicht vor sinkenden Mitgliederzahlen kapitulieren dürfe, sondern schauen müsse, „was wir mit denen, die da sind, anfangen können“. Dazu gehörten innovative Ideen wie die Kasualagentur „st. moment“ in Hamburg, aber auch Chorprojekte oder Ideen für die Kinder- und Jugendarbeit. Für die vielen kleinen Dorfkirchen könne sie sich zudem Coworking-Projekte mit Vereinen vorstellen. „Wo man nicht nur guckt, was bedeutet das Gemeindehaus für uns als Kirche, sondern was bedeutet es hier im Sozialraum.“
 

Die Predigt im Ratzeburger Dom hält die estnische Theologin und Pfarrerin Anne Burghardt, Generalsekretärin des Lutherischen Weltbunds (LWB), erwartet werden bischöfliche Gäste aus der weltweiten Ökumene.

Quelle: epd