Workshop beim Taize-Treffen "Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist"

Von Annette Klinkhardt

Workshop mit Barbara Niehaus, den Bischöfen Tilman Jeremias und Stefan Heße sowie der Theologin Anna Slawek (v.l.n.r.)

Foto: C. Meyer

29.12.2022 · Rostock. „Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ Über diesen Satz sprachen bei einem Workshop in der Rostocker Michaeliskirche der Greifswalder Bischof der Nordkirche Tilman Jeremias, der Hamburger katholische Erzbischof Stefan Heße und Barbara Niehaus von der Suppenküche Bad Doberan. Jeden Tag finden beim Europäischen Jugendtreffen von Taizé in Rostock zahlreiche Workshops in Kirchen, Schulen, Freizeitzentren statt, allesamt auf Englisch übersetzt.

Einig waren sich die drei Personen auf dem Podium, dass Kirche nicht weiter in Kategorien von „wir und die anderen“ denken könne. Bischof Tilman Jeremias nahm Bezug auf die vielen Menschen, die zeitgleich mit der Veranstaltung im Erdgeschoß der Michaeliskirche die Tafel besuchten: „Diese Menschen werden immer mehr. Es ist ein Test für unsere Gesellschaft, ob wir sie im Blick haben.“ Die von Dietrich Bonhoeffer geprägte und vom Mecklenburger Altbischof Heinrich Rathke stark gemachte Formel „Kirche für andere sein“ sei in den letzten Jahren vielfach diskutiert und weiterentwickelt worden, „weil Kirche für andere hört sich etwas paternalistisch an, also, wir sorgen für dich. Deshalb sagen wir lieber ‚Kirche mit anderen sein‘, weil wir alle bedürftige Menschen sind.“ Aber auch da könne man nicht stehen bleiben: „Wenn wir so reden, sagen wir immer noch, hier sind wir und dort sind die anderen. Aber wir gehören alle zusammen, es gibt nicht ‚wir‘ und ‚die anderen‘.“

 

Das war auch der Tenor von Barbara Niehaus, die von ihren Erfahrungen als Leiterin der Suppenküche in Bad Doberan erzählte: Dort, wo von Montag bis Freitag die unterschiedlichsten Menschen miteinander am Tisch sitzen und ein warmes Essen teilen, gehören alle zusammen.

 

Raus aus den Kirchenmauern

 

Erzbischof Stefan Heße betonte, die Kirche müsse raus aus den Kirchenmauern: „Menschen verstehen theologische Begriffe wie Erlösung immer weniger, und als Kirche stehen wir immer in der Gefahr, zu sehr um uns selbst zu kreisen. Immer, wenn die Kirche anstatt Gott sich selbst in den Mittelpunkt stellt, sich absolut setzt, geht etwas schief.“ So habe sich der sexuelle Missbrauch in der Kirche dort ereignet, „wo Kirche die eigene Macht in den Mittelpunkt gerückt hat.“ Deswegen sei es wichtig, herauszugehen: „Papst Franziskus hat gesagt, Christus klopft an die Tür, aber von außen, damit wir die Tür aufmachen und herausgehen. Das ist der Weg der Kirche im Norden und im Osten. Wie Sankt Martin vom Pferd absteigt, um mit dem Bettler seinen Mantel zu teilen, muss die Kirche von ihrem hohen Ross herunter. Wenn wir unter uns bleiben, gehen wir an uns selbst kaputt.“

 

Im Anschluss an das Podiumsgespräch kamen zahlreiche Fragen von jungen Leuten aus aller Welt, etwa: Wie kann man jungen Leuten authentisch den Glauben näher bringen?

 

Bischof Jeremias sagte dazu: „Es ist wichtig, dass wir von dem erzählen, was uns selbst trägt: Was habe ich für eine Erfahrung mit Gott gemacht, was gibt meinem Leben Halt, wenn ich traurig bin und mich einsam fühle. Und wenn ich sage, ich fahre nach Taizé und erlebe diesen Halt da, dann ist das so ein Satz.“

 

Auch auf das Tun komme es bei der Glaubensvermittlung an, betonte Barbara Niehaus: „Ich sehe das bei unserer Suppenküche und der Tafel: Der Glaube muss Anknüpfungspunkte im Leben haben, so dass jemand etwas erlebt, woran er das Christentum festmachen kann. Das Tun gehört ganz wesentlich dazu, damit Gottes Liebe und Frieden wachsen können. 90 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Suppenküche sind nicht religiös. Je gründlicher wir reflektieren, was wir da tun, umso einfacher fällt es, das zu rechtfertigen. Wir banalisieren das Evangelium nicht, sondern führen es auf wesentliches zurück.“

Quelle: Bischofskanzlei Greifswald (ak)