Rostocker Propst Wulf Schünemann aus dem Dienst verabschiedet Bischof Jeremias: "Schnörkellose Theologie und scharfer Blick für Zahlen“

Bischof Tilman Jeremias entpflichtete den Propst von seinem Dienst als leitender Theologe im Kirchenkreis Mecklenburg. Wulf Schünemann gab als Zeichen dafür das pröpstliche Amtskreuz zurück.

Foto: C. Meyer

24.04.2022 · Rostock. „Du hast das Evangelium von Jesus Christus gepredigt und in vielfältiger Weise die Botschaft von Gottes Treue bezeugt: Kontinuierlich hast Du Dich mit Engagement, Ideen und Kreativität eingebracht. Stets warst Du ein scharfsichtiger Haushalter über die personellen und finanziellen Ressourcen. Von Herzen danke ich Dir im Namen der Nordkirche für alles, was Du damit für unsere Kirche und besonders den Kirchenkreis Mecklenburg getan hast.“ Mit diesen Worten ist der mecklenburgische Propst Wulf Schünemann am heutigen Sonntag von MV-Bischof Tilman Jeremias in Rostock aus seinem Dienst verabschiedet worden.

In seiner Predigt zuvor hatte Propst Schünemann im Blick auf seine Kirche dazu aufgerufen, hoffnungsvoll zu sein, trotz der Risiken des Christseins und vieler bedrückender Umstände in Gesellschaft und Kirche, wie Pandemie, Krieg, weltweite Ungerechtigkeit, zerstörender Klimawandel, sinkende Mitgliederzahlen, Pfarrstellenkürzungen, Zusammenlegungen von Gemeinden und Menschen, die sich und anderen im Weg stehen oder gar die Beine weghauen.

 

Wie eine Hebamme, die mit einem Hörrohr erkundet, ob eine Frau „guter Hoffnung“ ist, habe er sich als Propst oft genötigt gesehen, genauer hinzuhören und hinzusehen: „Gibt es nicht einen kleinen Herzschlag der Hoffnung, einen kleinen Ton, der einen hoffungsvollen Klang enthält? Eine Spur, die zueinander führt. Ein anderer Blickwinkel, der eine neue Möglichkeit eröffnet, weil Gott mit ins Spiel kommt.“ Der 58-jährige Theologe verwies auf den 1. Petrus-Brief und die Zusage: „Gott hat uns wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi.“

 

Propst Schünemann: Christen können guter Hoffnung sein

 

Zugleich bekannte er offen, dass er sich nach dem Aufstehen eher selten wie neu geboren und voller guter Hoffnung fühlte, vielmehr „niedergedrückt von den großen Herausforderungen unserer Zeit und der eigenen Verantwortung“. Denn, wenn’s komplizierter wurde oder vor in den Gemeinden eigene Ziele nicht erreicht wurden – wurde der Propst eingeschaltet. „Jetzt möge er mal sagen, wie es gehen soll und am liebsten die Gegenseite mal in die Schranken weisen. So war es doch ziemlich oft: Beim Propst landete das Schwierige, das Komplizierte, das Schwere. Und das fühlt sich dann nicht gerade an wie ,Hoffnung auf einen fröhlichen Tag‘“, blickte Wulf Schünemann zurück.

 

Doch dann sei da eine Kraft gewesen – mitten in dieser Welt, die gegen allen Anschein, gegen alle Statistiken, gegen alle Abbrüche und allen Niedergang dagegenhält. „Da ist eine Kraft, da ist Gott, der mich aufstehen lässt/der mich auferstehen lässt. Und diese Kraft wird mächtig, wenn ich die Auferstehung Jesu verbunden bekomme mit meinem eigenen Leben.“

 

An die Gemeinde gerichtet fragte der Prediger: „Sind wir guter Hoffnung?“ trotz allem, in allem? Wenn ja, sind wir so wichtig, so relevant für diese Welt. Wenn nein, wird es nicht weiter schlimm sein, wenn unsere Kirche nicht mehr wahrgenommen wird.

 

Deshalb möchte der scheidende Propst das „Hörrohr“ auch gern behalten und wünscht jedem getauften Christen so ein kleines Hilfsmittel. „Eine Hilfe“, so Wulf Schünemann, „um die Hoffnung in uns Wiedergeborenen besser und lauter schlagen zu hören. Und dann davon beseelt, Salz und Licht der Welt zu sein. Es wäre doch schön, wenn die anderen über uns sagen würden: ‚Sie sind guter Hoffnung!‘“

 

Bischof Jeremias: Als Propst nah an den Gemeinden und den Menschen geblieben

 

Bischof Tilman Jeremias skizzierte in seiner Ansprache zur Amtsentpflichtung den Weg von Wulf Schünemann nach. „Vor zehn Jahren bist Du in das Propstamt berufen worden. Du wusstest damals, was so ein kirchenleitendes Amt bedeutet: als Landessuperintendent von Güstrow hast Du Deinen damaligen Kirchenkreis in die Nordkirche begleitet. Ein Dienstort, der Dir immerhin so viel bedeutet, dass Du das Güstrower Amtskreuz bis heute trägst.“ Schünemann zeichne aus, dass er auch als Propst immer Pastor geblieben sei, „nah an den Gemeinden und den Menschen in den Dörfern und Städten“.

 

In selbstverständlicher, tiefer Gründung im christlichen Glauben, in konstanter Treue selbst in aufreibenden Zeiten, in der Haltung des bescheidenen Dieners ohne jede Überheblichkeit oder Machtdemonstration habe der scheidende Propst gewirkt, resümierte Bischof Jeremias. Zugleich erinnerte er daran, dass Wulf Schünemann nie zusätzliche Verantwortung gescheut habe, beispielsweise als er nach dem Wechsel von Andreas v. Maltzahn ans Predigerseminar einige Monate Bischofsvertreter im Sprengel Mecklenburg und Pommern war.

 

Besondere Verdienste im Blick auf Finanzen und Strukturen erworben

 

Ein Glücksfall für die Kirche sei gewesen, dass Zahlen für Propst Schünemann ein Hobby sind. „Struktur- und Stellenpläne, das nordkirchliche Personalkostenbudget und vor allem die vielfältigen Aufgaben der Kirchenkreisverwaltung seien anders als für die meisten Theologinnen und Theologen keine notwendigen Übel, sondern für Wulf Schünemann „Gestaltungsorte für die Ermöglichung und Erleichterung der täglichen kirchlichen Arbeit“ gewesen. Als Beispiele nannte der Bischof die Fusionsprämie als effektiven Anreiz für Strukturveränderungen innerhalb der Kirchengemeinden oder der von Schünemann „angestoßene und durchdachte Neubau der Kirchenkreisverwaltung in Güstrow mit vorbildlicher Energieeffizienz“.

 

Bewahrung der Schöpfung ein besonderes Anliegen

 

Überhaupt habe Propst Schünemann mit nord- und ostdeutscher Beharrlichkeit, so Bischof Jeremias, das Thema der Bewahrung der Schöpfung in den Mittelpunkt gerückt: „So bist Du einer der Väter des Kirchlichen EnergieWerks, der Klimastiftung und aktuell des Klimaschutzplans 2030 des Kirchenkreises, den ich nordkirchenweit für ein wichtiges Signal halte und auch in meinem letzten Bericht vor der Landessynode gewürdigt habe.“

 

Persönlich dankte Bischof Jeremias für Schünemanns norddeutsche Direktheit und seinen hintergründigen Humor: „Als Gegenüber weiß man bei Dir immer, woran man ist, auch und gerade dann, wenn es einem mal nicht so gefällt. Und so habe ich auch Deine Theologie und geistliche Prägung erlebt: schnörkellos und klar, unter Verzicht auf unnützes Brimborium oder zu gestelzte Worte. Auf Dich ist Verlass.“

 

Propst mit ganzer Kraft, Ideenreichtum und Leidenschaft

 

Rund 200 Vertreter*innen aus den 69 Kirchengemeinden der Propstei Rostock, aus dem gesamten Kirchenkreis, aus der Kirchenkreissynode Mecklenburg und dem Kirchenkreisrat, aus der Nordkirche, der Hansestadt Rostock und ihrer Universität sowie Freunde und Wegbegleiter waren in die St. Nikolai-Kirche der Hansestadt gekommen, um sich persönlich für das gute Miteinander zu bedanken.

 

Für den Kirchenkreisrat dankte dessen Vorsitzender, Propst Dirk Sauermann, dass Wulf Schünemann „einerseits als Ideengeber gewirkt und andererseits keine Mühe gescheut hat, Ideen auch bis ins Detail zu durchdenken und in Verwaltungsabläufe zu integrieren bzw. teils erst zu entwickeln“. Dafür sei in den Gremien oft viel Überzeugungsarbeit nötig gewesen und „da hast Du mit Vehemenz und Leidenschaft für Deine und für gemeinsame Vorhaben gekämpft. Kein Argument war Deinem analytischen Denken zu gering. …Mit ganzer Kraft und mit Leidenschaft warst Du Propst. Und wir bitten Gott für Dich und Deine Familie um Segen für den weiteren Weg, der jetzt mit einer Sabbatruhe beginnt“.

 

Zur Person

 

Wulf Schünemann war Anfang 2010 für zwölf Jahre zunächst zum Landessuperintendenten im damaligen Kirchenkreis Güstrow der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs gewählt worden und trat im Frühjahr 2010 die Nachfolge von Fridolf Heydenreich an, der zuvor in den Ruhestand gegangen war.

 

Im Zuge der Gründung der Nordkirche und Bildung des Kirchenkreises Mecklenburg zu Pfingsten 2012 wurde Wulf Schünemann zum Propst im neuen Kirchenkreis mit Dienstsitz in Rostock und damit einer von vier leitenden Theologen im Kirchenkreis, der das Gebiet der früheren Landeskirche umfasst. Seine Predigtstelle war die St. Marienkirche Rostock.

 

Da die Amtszeit von Wulf Schünemann am 30. April 2022 endet und er nicht wieder für das Propstamt kandidierte, hat die Kirchenkreissynode Pastor Dirk Fey aus Wanzka (Mecklenburgische Seenplatte) zum neuen Propst gewählt, der am 1. Mai in sein Amt eingeführt wird.

Quelle: ELKM (cme)


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Info

 

Die Propstei Rostock mit ihren rund 55.000 Kirchenmitgliedern liegt im mittleren Teil des Kirchenkreises Mecklenburg zwischen Ostsee und Seenplatte. Ihr Gebiet umfasst die Hansestadt Rostock, den Landkreis Rostock und Teile der Landkreise Mecklenburgische Seenplatte und Vorpommern-Rügen. Zur Propstei gehören 70 Kirchengemeinden in fünf Kirchenregionen.

 

Das Propstamt wird im Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Mecklenburg derzeit von einer Pröpstin und drei Pröpsten in gemeinsamer Verantwortung wahrgenommen. Zugleich tragen sie jeweils Sorge für ihr Propsteigebiet (Seelsorgebezirk) und ebenso für gemeinsame Aufgaben im kreiskirchlichen Dienst, etwa für die Verwaltung, die Diakonie oder für die Dienste und Werke. Die Pröpste haben ihren Sitz in Wismar, Parchim, Rostock und Neustrelitz.

 

Im Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Mecklenburg werden 202 Kirchengemeinden mit insgesamt rund 153.000 Gemeindegliedern gezählt (Stand: 1. Januar 2022). Der Kirchenkreis Mecklenburg, einer von 13 in der gesamten Nordkirche, regelt seine Aufsicht und Verwaltung im Rahmen der rechtlichen Vorgaben eigenständig, unterstützt die Kirchengemeinden und ist für alle Aufgaben zuständig, die den örtlichen Bereich der Kirchengemeinde überschreiten. Der Kirchenkreis gliedert sich in vier Propsteien: Parchim, Wismar, Rostock und Neustrelitz.