Hitliste der gelungensten Projekte nach einem Jahr im Ausnahmezustand Gemeindeleben trotz alledem

VON CHRISTINE SENKBEIL UND MARION WULF-NIXDORF

Wie eine Herausforderung zu neuen Wegen in der kirchlichen Arbeit leuchtet allabendlich in der Schweriner Buschstraße ein Covid-19-Modell vor dem Dom.

Tilman Baier

14.03.2021 · Greifswald/Schwerin. Viele Planungen, die wegen der Corona-Maßnahmen über den Haufen geworfen wurden. Viel Kummer. Aber einiges in der Gemeindearbeit ist auch richtig gut gelaufen.

„Das werden wir auf jeden Fall weiter so machen!“ Neben vielen Sätzen im Corona-Jahr, die mit „eigentlich“ oder „aber“ anfangen, hört man gelegentlich auch dies aus den Gemeinden im Sprengel Mecklenburg und Pommern: dass es Ideen gibt, die aus der Not geboren wurden, aber auch nach dem Lockdown bleiben dürfen.

 

Gottesdienste unter freiem Himmel stehen weit oben auf dieser Liste. „Unter Gottes Kathedrale“, nennt Pastor Michael Giebel aus Altentreptow die Freiluftform und erinnert an die frühlingshaften Andachten auf dem grünen Vorplatz der Petri-Kirche. „Fast schöner als in der Kirche“, hätten viele gesagt. Manche ziehen das sogar im Winter durch, dann an der Feuerschale – die zu den lukrativen Neuerwerbungen einiger Gemeinden gehört. Vierzehntägig wird beispielsweise in der Kirchengemeinde Lohmen bei Güstrow seit dem ersten Lockdown Gottesdienst oder Andacht draußen gefeiert. Und es kommen mehr und jüngere Menschen als zu den „normalen“ Gottesdiensten, sagt Jonas Görlich, Gemeindepastor von 750 Gemeindemitgliedern. Bis Ostern gibt’s immer sonnabends um 17 Uhr „Feuer & Flamme“, am 20. März an der Badestelle des Bolzsees bei Oldenstorf: mit Akkordeonspieler und Straßenmusiker Zigmunds Zilitis. „Den haben wir in der Fußgängerzone in Güstrow angesprochen, und er fing Feuer“, erzählt Görlich.

 

Ebenfalls zu den Errungenschaften der Krise zählen die News-Kanäle per Mobiltelefon. Die „St. Petri News“ aus dem Tollensewinkel beispielsweise empfangen zirka 80 Angemeldete: Pastor Giebel postet Informationen, seine Predigten und die musikalischen Einspielungen der Kantorin Elisabeth Prinzler. „Damit erreichen wir mehr Menschen als im Gottesdienst“, sagt er. Ein Vorteil: Jeder kann selbst wählen, wann er die guten Botschaften abhört.


Das gute alte Festnetztelefon bedient Ulf Harder im Gemeindeverbund Züssow-Zarnekow-Ranzin. Per Telefon-Konferenzschaltung bekommt er auch diejenigen älteren Gottesdienstbesucher an die Strippe, die modernste Technik nicht nutzen. Häufig also diejenigen, die sonst im Gottesdienst saßen. „Es ist wunderbar“, schwärmt Teilnehmerin Renate Moderow: „Wir hören den Predigttext, eine anspruchsvolle Auslegung und können sogar drüber sprechen.“ Und Auch der Brief aus dem Pfarramt erfreut sich einer Renaissance, klassisch auf Papier gedruckt oder per E-Mail-Verteiler versandt. Pastor Henning Kiene aus Ahlbeck verteilt wöchentlich 60 per Fahrrad inklusive Schwatz über den Gartenzaun.

 

Computer und Internet – die Online-Auftritte der Kirchengemeinden erweisen sich in dieser Zeit als nützlich. „Es hat mich gefreut, wie viel Kreativität in unseren Kirchengemeinden zu erleben ist“, sagt Helga Ruch: „Digitale Gottesdienste und Andachten, Angebote für Jugendliche und Kinder im Internet, aber auch so viele ‚Analoges‘: Besuche an der Haustür, Gottesdienstentwürfe in den Briefkästen, das tägliche 19 Uhr-Singen, Glockengeläut, Musizieren, die Treue, die durchhält.“

 

Gemeinde betreuen zu Pandemiezeiten? „Learning by doing“ ist angesagt für alle dabei Engagierten. Kurse oder Weiterbildungen, wie man sowas eigentlich macht, gibt es nicht, bislang zumindest. „Aber wir haben eine Zusammenschau dessen, was sich die Gemeinden landauf, landab so einfallen lassen“, sagt Pressesprecher Sebastian Kühl: „Unsere Coronaseite auf www.kirche-mv.de.“ Dort sind Termine und Angebote veröffentlicht, die die Kirchengemeinden einsenden. Eine Vielfalt, die auch dazu inspirieren soll, vielleicht ähnliche Ideen umzusetzen. „Außerdem bieten wir den Gemeinden so die Möglichkeit, ihre Reichweite zu erhöhen.“

 

„Es war für alle eine ungewohnte Situation, die Schwerstarbeit von uns verlangte und noch immer verlangt“, sagt Helga Ruch. „Ich danke allen, die sich darauf eingelassen haben: der Pastorin, die abends Andachten per Messenger-Dienst losschickte, wie den Bläsern vor den Altenheimen, der Gemeindepädagogin, die ihre Videofilmqualitäten entwickelt hat, der Krankenhausseelsorgerin bei den Patienten.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 11/2021