Die Uni Greifswald kommt auf's Land Wenn Gott Hebräisch spricht

Von Sybille Marx

Die Bibel, die Hutter nutzte, gehörte zuletzt den Pastoren Balthasar in Anklam (1594 bis 1670) und Christian Schröder in Loitz (1687 bis 1714).

Foto: Christoph Krasemann

17.03.2019 · Loitz. In der neuen Reihe „Universität in der Region“ spricht Wissenschaftler und Vikar Christoph Krasemann aus MV über ein Buch aus der Loitzer Kirchenbibliothek, das der Hebraist Hutter einst eifrig studierte: eine hebräische Bibel von 1584. Hutter glaubte, Hebräisch sei die Ursprache der Menschheit.

Für Christoph Krasemann war es ein „Sensationsfund“, sagt er: als er 2017 mitten in seiner Doktorarbeit in der Loitzer Kirchenbibliothek eine Bibel von 1584 gezeigt bekam – eine, die der sächsische Hebraist Elias Hutter im 17. Jahrhundert persönlich durchgearbeitet hatte. Fast war es, als konnte Krasemann Hutter nun bei der Übersetzungsarbeit über die Schulter schauen: „Ich konnte zum Beispiel verfolgen: Welche Übersetzungen, die er am Rand notiert hat, hat er später übernommen, welche wieder verworfen?“, erzählt der Theologe, der an der Universität Greifswald über Hutters Hebräisch- Ansatz promovierte.

Am Donnerstag, 21. März, um 17 Uhr wird Christoph Krasemann in der Loitzer Marienkirche von eben dieser Bibel erzählen. Und davon, wieso Hutter das Hebräische allen Menschen beibringen wollte. „Im Hebräischen haben alle Wörter einen Stamm, der aus nur drei Buchstaben besteht“, erklärt Krasemann. Hutter habe das zur Trinitatslehre in Verbindung gebracht und daraus geschlossen: Bis zur Babylonischen Sprachverwirrung hatten alle Menschen Hebräisch gesprochen, diese Sprache der Einheit mussten sie nun wieder lernen. Der Titel von Krasemanns Vortrag: „Wie man einst Hebräisch lernte – die bewegte Geschichte einer hebräischen Bibel in der Loitzer Kirchenbibliothek.“

Nicht nur das Thema ist ungewöhnlich, auch die Veranstaltung selbst: Sie gehört zur neuen Reihe „Universität in der Region“, die im Oktober an der Greifswalder Hochschule startete. Seit Jahren bringt die Uni mit den Formaten „Familien-Universität“ und „Universität im Rathaus“ Wissen aus den eigenen Forschungsreihen allgemeinverständlich unters Volk – bisher aber auf die Stadt beschränkt. Im Rahmen der neuen Reihe kommen einmal im Monat Wissenschaftler zu Vorträgen oder Werkstattgesprächen ins weite Umland und präsentieren interessierten Laien ihre Forschungsergebnisse – vor allem solche, die gesellschaftliche Relevanz oder regionale Bedeutung haben.

„Wir wollen als Uni nicht nur Leuchtturm für Greifswald, sondern für die gesamte Region sein“, erklärt Julia Lammertz, Mitarbeiterin der Uni-Pressestelle. Die Hauptaufgaben einer Hochschule seien Forschung und Lehre. „Wir legen inzwischen aber auch viel Wert auf die sogenannte ‚third mission‘: die Aufgabe, die gesellschaftliche Relevanz der universitären Arbeit zu zeigen.“

„Es kommt zu einem echten Austausch“

Die erste Veranstaltung hatte im Oktober in Pasewalk stattgefunden, es folgten Vorträge in Anklam, Wolgast und nochmal Pasewalk – zu Demenz, Lehrermangel, schwierigen Entscheidungen auf der Intensivstation. „Manchmal kamen nur etwa 15 Besucher, zuletzt waren es 35“, erzählt Julia Lammertz. „Und meistens war es ein intensiver Austausch.“ In Anklam hatten Wissenschaftler zum Beispiel über die Wiedervernässung von Mooren gesprochen. „Das ist ein Thema, das für Anwohner nicht unbedingt positiv besetzt ist“, sagt sie. Doch die Abschlussrunde habe gezeigt: „Es ist gegenseitiges Verständnis gewachsen.“

Christoph Krasemann, der inzwischen als Pfarrvikar in Hagenow arbeitet, war sofort interessiert, als er von der neuen Reihe horte. „Ich komme aus Demmin“, erzählt er. „Die Chance, in meiner alten Heimat von dem zu erzählen, was ich an der Uni erforscht habe, wollte ich unbedingt nutzen.“ Nach seinem Vortrag können alle Besucher auch die Kirchenbibliothek in der Sakristei der Loitzer Marienkirche besichtigen – bestehend aus 600 weitgehend gut erhaltenen Bänden, von denen die ältesten 400 Jahre alt sind. Die hebräische Bibel „Miqra – Biblia Hebraica“, gedruckt 1584 in Antwerpen, fand 1704 ihren Weg nach Loitz. Elias Hutter nutzte sie vorher in Sachsen, um die Herausgabe seiner eigenen hebräischen Bibel vorzubereiten. Eine finanzielle Notlage aber zwang ihn, die Bibel zu verkaufen – sie gelangte nach Pommern.

Der Gemeindepastor Bernd-Ulrich Gienke freut sich auf die Veranstaltung mit Krasemann, weil der ein pommersches Hausgewächs sei. „Und weil wir hier in Loitz alles gebrauchen können, was die Arbeit der Universität sichtbar macht.“ Seit der Kreisgebietsreform gehöre Loitz verwaltungsrechtlich ja zu Greifswald. Und auf ihre Kirchenbibliothek seien die Loitzer stolz, sagt Gienke. Er hofft, dass vielleicht 40 Besucher zum Vortrag kommen. „Wir machen jedenfalls überall Werbung, wo es geht.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 11/2019


Weitere Termine

  • 21. März, 17 Uhr, St. Marien Loitz: „Wie man einst Hebräisch lernte“, mit dem Theologen Dr. Krasemann
  • 10. April, 17 Uhr, KKH Wolgast: „Tatort Darm: Wie Antibiotika Bakterien anfeuern“, mit Mikrobiologin Dr. Susanne Sievers
  • 15. Mai, 17 Uhr, Historisches U in Pasewalk: „Welchen Einfluss haben Vulkanausbrüche auf Atmosphäre und Klima?“, mit Physik-Professor Christian von Savigny
  • 5. Juni, 17 Uhr, Sparkasse Anklam: „Radikalisierung im digitalen Zeitalter“, mit Jura-Professor Stefan Harrendorf
  • 3. Juli, 17 Uhr, Stadtgeschichtliches Museum, Wolgast: „Kriminalfall Fritz Reuter“, mit Ulrike Stern, Kompetenzzentrum für Niederdeutschdidaktik“.