BUND warnt vor fatalen gesellschaftlichen Folgen Verbände kündigen Widerstand gegen Entzug der Gemeinnützigkeit an
03.04.2019 · Berlin/Hamburg.Führende Umweltverbände und die Kampagnen-Plattform Campact haben Widerstand gegen den möglichen Entzug ihrer Gemeinnützigkeit angekündigt. Das Vorgehen gegen Attac, die Deutsche Umwelthilfe, Campact oder den BUND-Landesverband Hamburg sei nicht nur ein Versuch, einzelne Organisationen einzuschüchtern, sondern ein Angriff auf die Zivilgesellschaft insgesamt, erklärten Vertreter mehrerer Verbände. "Das machen wir nicht mit."
Der Bundesfinanzhof hatte dem globalisierungskritischen Attac im Februar die Gemeinnützigkeit aberkannt. Das Netzwerk verfolge rein politische Ziele, erklärten die Richter zur Begründung. Diese aber seien nicht vom Steuerrecht geschützt. Der Verein darf somit keine Spendenbescheinigungen mehr ausstellen, Spenden sind nicht mehr steuerlich absetzbar. Viele zivilgesellschaftlichen Organisationen befürchten, das Beispiel könnte Schule machen. Zudem hat die CDU ein Parteitagsbeschluss verabschiedet, wonach der Deutschen Umwelthilfe öffentliche Zuwendungen aus Bundeshaushalt gestrichen werden sollen. Hintergrund sind die DUH-Klagen zur Durchsetzung des Dieselfahrverbots in Städten.
Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND), Hubert Weiger, sprach von einem gewaltigen Imageschaden für Verbände und Organisationen, wenn ihnen das Prädikat Gemeinnützigkeit entzogen werde mit fatalen Auswirkungen in die Gesellschaft. Vor allem kleinere Vereine würden ihre Unterstützer verlieren und seien dann nicht mehr arbeitsfähig. Dem BUND Hamburg war vorgeworfen worden, im Rahmen der Volksinitiative "Unser Hamburg - Unser Netz" 2010 nicht gemeinnützig gearbeitet zu haben. Das Finanzgericht hatte 2015 geurteilt, dass der BUND damit außerhalb des Satzungszwecks "Umweltschutz" gehandelt habe. Der Bundesfinanzhof hatte 2017 das Urteil aufgehoben und zurückverwiesen.
"Wir tun nichts Illegales"
Eine starke Zivilgesellschaft sei aber der Garant einer lebendigen Demokratie, sagte Weiger. Über das Steuerrecht werde versucht, den Umweltverbänden die Glaubwürdigkeit abzusprechen, "weil wir Großprojekte in Deutschland blockieren". Dabei setzten sich die Verbände für die Umsetzung beschlossener Gesetze ein. "Wir Umweltverbände sollen zum Sündenbock für politisches Versagen gemacht werden. Wir tun nichts Illegales."
Der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands, Michael Müller, appellierte an die Politik, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren. "Die Politiker sollen klar erklären, ob sie Maulkörbe verhängen oder eine offene Gesellschaft haben wollen." Die Grundlage der Debatte um die Gemeinnützigkeit müsse der Austausch von Argumenten sein, nicht aber Verbote und Angst", sagte Müller. "Nicht die DUH ist für die Manipulation der Dieselmotoren verantwortlich, sondern hat sie aufgedeckt. Nicht Attac hat die Ungerechtigkeiten im Steuersystem gemacht, sondern kritisiert sie. Nicht Campact schädigt die Demokratie, sondern fördert und belebt das Engagement der Bürgerinnen und Bürger." Eine Zerstörung von deren Arbeitsfähigkeit über das Steuerrecht käme einem Verbot gleich.
Das politische Klima gegenüber den Verbänden habe sich in den vergangenen Jahren verändert, beklagte Campact-Vorstand Felix Kolb. "Der Druck wächst." Nichtregierungsorganisationen würden nicht nur in Russland oder Ungarn drangsaliert sondern "auch in Deutschland tut sich was".
In Reaktion auf das Attac-Urteil haben sich mehr als 100 Vereine und Stiftungen zu einer Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" zusammengeschlossen. Sie fordern von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Reform der Abgabenordnung, um diese fatale Entwicklung zu korrigieren. Zu den Unterstützern zählen nach Angaben des Geschäftsführers des Deutschen Naturschutzrings, Florian Schöne, unter anderem der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), die Kirchen und der Kulturrat.
Quelle: epd