Kritisches G-20-Konzert gefordert EKD-Kulturchef: "Elbphilharmonie darf nicht zur Bühne der Mächtigen werden"

Hamburgs neues und sehr beliebtes Wahrzeichen, die Elbphilharmonie, wird am 7. Juli zum Hochsicherheitstrakt für die Staats- und Regierungschefs beim G20-Gipfel

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

31.05.2017 · Hamburg. Der EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen hat eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Elbphilharmonie beim G-20-Gipfel in Hamburg eingefordert. "Man sollte ein Konzerthaus nicht umstandslos zur Bühne für die Mächtigen dieser Welt machen", fordert der langjährige Hamburger Propst in einem Gastbeitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt".

Dies verbiete sich vor allem dann, "wenn sich unter diesen Mächtigen einige hoch problematische Autokraten befinden". Namentlich nannte er US-Präsident Donald Trump, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Russlands Präsidenten Wladimir Putin.

"Wenn Künstler vor Großpolitiker treten, dann dürfen sie auf keinen Fall zu deren Dienern werden", so Claussen. Die Elbphilharmonie dürfe sich daher nicht einfach dafür hergeben, ein profanes diplomatisches Arbeitstreffen kulturell zu überhöhen. Zwar biete die Elbphilharmonie für Gipfelfotos aller Art eine grandiose Kulisse. Aber ein "wirkliches Wahrzeichen" sollte auch "ein Verhältnis zur Wahrheit" haben - samt einer "ethischen Haltung".

Schon ein kurzer Blick auf die Gästeliste zeige die Probleme, schreibt Claussen. US-Präsident Trump stehe "als Rechtspopulist und Repräsentant amerikanischer trash-culture für eine politisch gefährliche Kunstverachtung" und habe sich längst "als Feind der Freiheit" erwiesen. "Wie will man vor ihm mit ruhiger Hand den Geigenbogen führen?"

Noch krasser liege der Fall bei Erdogan: "Die von ihm betriebene Abschaffung der Demokratie vollzieht sich als Verfolgung all derer, die für die Freiheit des Geistes eintreten: Journalisten, Wissenschaftler, Künstler." Claussen: "Wie will man vor ihm aus voller Brust singen, ohne an die türkischen Künstlerkollegen zu denken, die im Gefängnis sitzen?"

"Für die Freiheit des Geistes einstehen"

Verantwortlich für das Konzert seien Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Bundesregierung. "Bitte werft die Neunte Sinfonie von Beethoven mit ihrer Freuden- und Freiheitshymne nicht Autokraten zu Füßen, bloß weil sie so festlich ist", appellierte der Theologe. Musiker müssten "beweisen, dass sie wie alle Künstler, Wissenschaftler und Journalisten für die Freiheit des Geistes einstehen". Zwar sei ein G-20-Konzert auch eine "diplomatische Angelegenheit" - wie militärische Ehren oder prächtige Banketts. Aber die Elbphilharmonie sei keine Messehalle oder Rathaus, sondern "der wichtigste Kunstraum der Stadt".

Es gelte, den Anspruch einzulösen, den Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) formuliert hatte: "Die Elbphilharmonie verkörpert als Haus für alle auch die Grundwerte der freiheitlichen, offenen und demokratischen Kultur moderner Gesellschaften." Claussen schlägt vor, für das Programm Komponisten auszuwählen, die einen Widerstand markieren. Der sowjetische Komponist Dimitri Schostakowitsch zum Beispiel, der Zeit seines Lebens unter dem stalinistischen Terror gezittert hat - was man seiner Musik auch anmerke.

Hamburg sei mit seinem Kulturprogramm zum G-20-Gipfel gut vorbereitet. Doch es reiche nicht, den kritischen Bürgern ein Programm auf Kampnagel anzubieten und den Mächtigen die Elbphilharmonie zu reservieren. "Beides muss aufeinander bezogen sein." Die Elbphilharmonie sollte sich beim G-20-Gipfel als "Wahrzeichen einer weltoffenen Bürgerkultur" erweisen. Damit könnte sie zeigen, dass es nicht immer nur um Sicherheit, sondern stets auch um Freiheit gehe.

Quelle: epd