Neuauflage des Buches "Der Greifswalder Weg" Bischof Abromeit: Pommersche Kirche stellt sich ihrer DDR-Vergangenheit

Mit den Verstrickungen zwischen einzelnen Mitgliedern der pommerschen Kirche und der Staatssicherheit beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe in der Nordkirche. (Symbolbild)

© epd-bild/dpa-Poolfoto/S. Stache

28.01.2017 · Greifswald/Schwerin. Mecklenburg-Vorpommerns Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Anne Drescher, hat sich für eine vorurteilsfreie Diskussion über die DDR-Vergangenheit der Pommerschen Evangelischen Kirche ausgesprochen. Die Kirche müsse den Raum dafür schaffen, dass ohne Halbwissen und Halbwahrheiten darüber gesprochen werden kann. Drescher stellte am Freitag in Schwerin die überarbeitete und erweiterte Nachauflage der vergriffenen Publikation "Der 'Greifswalder Weg' und die DDR-Kirchenpolitik 1980 bis 1989" von Rahel Frank vor.

Der Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit bezeichnete die Nachauflage als hilfreichen Impuls für die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Frank habe an der 1998 erschienenen Publikation über die DDR-Kirchenpolitik "konstruktiv weiter gearbeitet". Er kritisierte jedoch, dass es so dargestellt werde, als habe die Pommersche Kirche sich ihrer Geschichte nicht gestellt - "und das stimmt nicht".

Die Historikerin Frank sagte bei ihrer Buchvorstellung, es sei Konsens in allen Landeskirchen in der DDR gewesen, keine Gespräche mit dem DDR-Geheimdienst zu führen. Deshalb seien solche Gespräche ein "fundamentaler Sündenfall". Aus sehr problematischen Gründen habe sich die pommersche Kirche nach der Wende nicht von Altlasten getrennt und einen Neuanfang versucht. Damit die pommersche Kirche ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen kann, müsse sie sich den über 80.000 Christen vor Ort zuwenden, die mit Einschränkungen leben mussten wie etwa der Nichtzulassung zum Abitur.

Es sei schlichtweg falsch zu sagen, betonte Drescher, in der Kirchenleitung der damaligen Greifswalder Kirche habe es keine Stasi-IMs gegeben. Der IM-Begriff werde umgedeutet, wenn er beispielsweise von einer Verpflichtungserklärung abhängig gemacht werde.

"Jeder Fall ist einzeln durchleuchtet worden"

Bischof Abromeit verwies darauf, dass es bereits Anfang der 90er Jahre eine disziplinarrechtliche Aufarbeitung nach rechtsstaatlichen Kriterien gegeben habe, die lückenlos durchgeführt worden sei. "Jeder Fall ist einzeln durchleuchtet worden". Das schlichte Schema in dem Buch "Wer ist Opfer, wer ist Täter?" werde der Problematik nicht gerecht. Das Hauptproblem des "Greifswalder Weges" sei in Täter-Opfer-Kategorien nicht zu fassen.

Während viele Christen wegen ihres Glaubens beispielsweise nicht studieren durften oder wegen ihrer Weigerung zur Stasi-Kooperation sogar "zersetzt" wurden, hätten Mitglieder der Kirchenleitung mit dieser Staatssicherheit kooperiert, räumte Abromeit ein. "Als das nach der Wende herauskam, wurde das als Vertrauensbruch empfunden." Dieser Vertrauensbruch habe viele Narben hinterlassen. "Hier genau hinzusehen und zu versuchen zu heilen, sehe ich als eine wichtige Aufgabe für uns als Kirche."

Neben der juristischen Aufarbeitung habe es immer wieder seelsorgliche Gespräche und Angebote gegeben, für die sich besonders sein Vorgänger im Amt, Bischof Eduard Berger, und die damaligen Pröpste Friedrich Harder und Hans-Georg Haberecht eingesetzt hätten.

"Heiligt der Zweck die Mittel?"

Allerdings müsse bei aller gebotenen Kritik beachtet werden, dass die kirchenleitenden Personen nicht "aus eigenem Antrieb" mit der Stasi gesprochen hätten. Es habe sich um ein Ministerium gehandelt, das Einfluss auf bestimmte Entscheidungen auch im kirchlichen Bereich gehabt habe. Eine Kooperation einiger Mitglieder der damaligen Kirchenleitung mit der Stasi habe seines Wissens nach mit dem Ziel stattgefunden, etwas Positives für die Kirche und ihre Mitglieder zu bewirken. Aus Abromeits Sicht ist die Streitfrage "Heiligt der Zweck die Mittel?"

Bei der Beantwortung dieser Frage verbiete sich jedes Pauschalurteil. Jeder Fall sei für sich zu betrachten, "und das ist auch geschehen". Abromeit würdigte, dass sich die überarbeitete Auflage dem Thema der Zusammenarbeit von Kirche und Staatssicherheit differenzierter stelle. Dies spiegele sich bereits im geänderten Titel wider.

Die Ergänzung "Einsam oder gemeinsam" mache deutlich, dass die Zusammenarbeit mit der Stasi "kein Weg der gesamten Landeskirche, sondern der Weg einiger Pastoren und einiger Personen in der Kirchenleitung", gewesen sei. "Die Nordkirche wird auch diesen Teil ihrer Geschichte aufarbeiten", kündigte Abromeit an. Eine von ihm initiierte Arbeitsgruppe arbeite bereits seit letztem Jahr an einer entsprechenden Konzeption.

Quelle: epd


Info

Rahel Frank, "Einsam oder gemeinsam? Der "Greifswalder Weg" und die DDR-Kirchenpolitik 1980 bis 1989, Publikation der Landesbauftragten, Schutzgebühr 10 Euro
ISBN 978-3-933255-48-8.
Erhältlich unter post@lstu.mv-regierung.de oder unter Tel.: 0385 734006.

Weitere Informationen und Bestellformular