"Was ich derzeit in der Türkei beobachte, bestürzt mich" Gauck kritisiert Erdogan: Demokratischer Rechtsstaat in Gefahr

05.11.2016 · Hamburg. Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auch Bundespräsident Joachim Gauck das Vorgehen der türkischen Regierung gegen Journalisten und Richter mit deutlichen Worten verurteilt. "Was ich derzeit in der Türkei beobachte, bestürzt mich", sagte Gauck in einem Interview des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel".

Wenn Ankara den Putschversuch nutze, "um etwa die Pressefreiheit faktisch auszuhebeln, wenn es die Justiz instrumentalisiert und der Präsident die Wiedereinführung der Todesstrafe betreibt", dann würden zentrale Grundlagen eines demokratischen Rechtsstaats außer Kraft gesetzt, sagte Gauck.

Er frage sich: "Ist diese Politik die endgültige Abkehr vom Weg in Richtung Europa?" Nach den Worten des Bundespräsidenten bedeutet diese Politik in jedem Fall "eine Eskalation, die die Europäer nicht unbeantwortet lassen können". Zusammenarbeit könne nicht den Verzicht auf Kritik bedeuten, betonte Gauck.

Zuletzt hatte die Regierung in Ankara die unabhängige Zeitung "Cumhuriyet" ins Visier genommen und zahlreiche Journalisten sowie oppositionelle Politiker verhaften lassen. Am Montag will der Bundespräsident den früheren "Cumhuriyet"-Chefredakteur Can Dündar in seinem Berliner Amtssitz Schloss Bellevue empfangen. Dündar lebt inzwischen in Deutschland im Exil, nachdem er in der Türkei vorübergehend inhaftiert war und zu fast sechs Jahren Haft verurteilt wurde.

Nach der Festnahme kurdischer Spitzenpolitiker in der Türkei berief Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) den türkischen Geschäftsträger in Berlin am Freitag ins Auswärtige Amt ein. Die nächtlichen Festnahmen von Politikern und Abgeordneten der kurdischen Partei HDP seien eine weitere drastische Verschärfung der Lage, erklärte Steinmeier.

Am Mittwoch hatte sich Merkel besorgt über die Verhaftungen von Journalisten in der Türkei geäußert. Es sei "in höchstem Maße alarmierend, dass das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit immer wieder aufs Neue eingeschränkt wird", sagte sie in Berlin.

Quelle: epd