Dagmar Simonsen folgt Annerose Neumann "Uns verbindet ein besonderer Geist" - Telefonseelsorge Vorpommern hat neue Leiterin

Dagmar Simonsen (Mitte) löst Annerose Neumann (links) als Leiterin der Ökumenischen TelefonSeelsorge Vorpommern ab. Petra Kleinert ist bei der TelefonSeelsorge hauptamtlich in der Verwaltung und der Ehrenamtlichenbegleitung tätig.

Foto: R. Neumann

10.06.2016 · Greifswald. In einem Gottesdienst in Greifswald wurde Annerose Neumann als Leiterin der Ökumenischen TelefonSeelsorge Vorpommern verabschiedet, ihre Nachfolgerin ist Dagmar Simonsen.

Seit dem 1. Mai ist Dagmar Simonsen neue Leiterin der Ökumenischen TelefonSeelsorge Vorpommern. Bislang wurde die TelefonSeelsorge von Annerose Neumann geleitet, die in dieser Position seit Januar 2012 tätig war und Ende des Monats Juni in den Ruhestand geht. In einem nichtöffentlichen Gottesdienst in Greifswald wurde Annerose Neumann am vergangenen Sonnabend, 4. Juni, verabschiedet und Dagmar Simonsen offiziell in ihren Dienst eingesegnet. Zudem fand in dem Gottesdienst die Wiederbeauftragung von ehrenamtlich Seelsorgenden statt. Um die Anonymität der Telefonseelsorgenden zu gewährleisten, findet die alle zwei Jahre erfolgende Wiederbeauftragung in nichtöffentlichem Rahmen statt.

Ehrenamt ist Kern der TelefonSeelsorge

„Die Wiederbeauftragung der Ehrenamtlichen ist auch immer ein Anlass zur gemeinsamen Reflektion und zum Austausch darüber, was für die Fortsetzung der Arbeit gebraucht wird, was wünschenswert wäre, was vielleicht geändert werden sollte“, erläutert Annerose Neumann. Dieser Austausch finde zwar permanent statt – es gibt Hospitationen und Supervision – die Wiederbeauftragung biete für das Feedback aber noch einmal einen besonders geeigneten Rahmen. „Der persönliche Kontakt zu den Ehrenamtlichen ist uns eine Herzensangelegenheit, denn die Ehrenamtlichen sind der Kern der Seelsorge. Ihrer Arbeit geht eine lange Ausbildung voraus, viele Gespräche und eine detaillierte Planung“, sagt Dagmar Simonsen. Auch bei ihr selbst sei es so gewesen. Um ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge zu arbeiten, spiele neben der Eignung auch der Aspekt der verbindlichen Verpflichtung eine tragende Rolle. Alles weitere beinhalten dann die entsprechenden Kurse, in denen theologisches Wissen, Gesprächsführung und die Vielfalt der Lebensprobleme behandelt werden. Im kommenden Jahr wird es wieder einen Kurs für ehrenamtliche Telefonseelsorgerinnen und –seelsorger geben, kündigt die neue Leiterin an.

"Wir sind wie eine Familie"

„Wir sind wie eine Familie bei der TelefonSeelsorge, uns verbindet ein besonderer Geist“, sagt Dagmar Simonsen. Dazu habe auch die Ausbildung beigetragen. Zudem gebe es immer wieder Gespräche in Fallgruppen und Weiterbildungen. „Wir besprechen aber auch, was ganz allgemein die aktuellen Themen sind, die in der Gesellschaft diskutiert werden, denn wir brauchen für die Gespräche ein umfangreiches Hintergrundwissen.“ Psychologisches Fachwissen und Kommunikationstechniken spielen für die Seelsorge eine wichtige Rolle. Entscheidende Kernkompetenzen sind Zuhören und Empathie, sind sich Dagmar Simonsen und Petra Kleinert einig. Neben der Leiterin ist Petra Kleinert die zweite hauptamtliche Mitarbeiterin der TelefonSeelsorge Vorpommern und für die Verwaltung sowie die Begleitung von Ehrenamtlichen zuständig. Die 53 Seelsorger, die derzeit bei der Telefonseelsorge arbeiten, tun dies sämtlich im Ehrenamt. Die Mehrheit von ihnen, etwa 75 Prozent, sind Frauen, das Alter der Seelsorgenden liegt zwischen 28 und 73 Jahren.

Alter und Einsamkeit sind die Hauptthemen

„Die eigenen Gefühle zu reflektieren und auszusprechen, was man empfindet, wenn man das hört, was die Anrufenden sagen, das hilft ihnen oft schon einen ganzen Schritt weiter“, ist die Erfahrung, die Petra Kleinert gemacht hat. „Wir sprechen die Gefühle aus, zu denen die Anrufenden manchmal keinen Zugang haben.“ Für Dagmar Simonsen ist es wichtig, als Telefonseelsorgende nicht das Gefühl zu haben, alle geschilderten Probleme lösen zu müssen. „Das ist gar nicht möglich. Davon abgesehen gibt es auch jugendliche Testanrufer, die wir trotzdem ernst nehmen müssen, denn das sind möglicherweise die Anrufer von morgen.“ Manchmal sei das schon ziemlich schwer. „Ich weiß nie, was kommt, aber das ist das Spannende an der Telefonseelsorge.“ Das hat auch Annerose Neumann so erlebt: „Wir bekommen die ungewöhnlichsten Anrufe und es gibt kein Thema, das es nicht gibt. Doch immer sind Offenheit und Wertfreiheit im Gespräch wichtig. Auch wenn mir das Thema völlig fremd ist, gehe ich wertfrei in das Gespräch. Das ist eine wichtige Grundlage der Telefonseelorge.“ Das Spektrum reicht vom banalsten Thema, wie der Suche nach der richtigen Farbe der Sommerjacke, über existentielle Fragen und Arbeitslosigkeit, aber auch über Sexualität bis hin zu Krankheit und Trauer. Die Themen, die Menschen in Vorpommern ganz besonders bewegen, sind Alter und Einsamkeit. „Das sind Themenkomplexe, die ganz oben auf liegen“, sagt Annerose Neumann.

Anrufende kündigen Suizid an

Vor ganz besondere Herausforderungen werden die ehrenamtlich Seelsorgenden gestellt, wenn sich Menschen mit Selbsttötungsabsichten bei ihnen melden. Petra Kleinert erinnert sich gut an einen jungen Mann, der sie anrief und seinen Suizid ankündigte. „Wir haben gemeinsam überlegt, wie es weitergehen kann und einen Plan gemacht. Ich glaube, das war eine wichtige halbe Stunde, die wir hatten“, erzählt Petra Kleinert. Zusammen mit den Anrufenden die nächsten Schritte zu erarbeiten, das ist auch ein Kernpunkt der Ausbildung. Annerose Neumann weiß, dass es anfangs oft schwer fällt, eigene Ratschläge zurückzuhalten. „Es geht darum, sich zu bremsen und den in persönlicher Not Anrufenden nicht die eigenen Ideen vorzuschreiben, sondern ihnen Angebote zu machen und ihre eigene Aktivität zu stärken“, so Annerose Neumann. Dabei geben die Gespräche nicht nur den Anrufenden Impulse und Denkanstöße, auch die Ehrenamtlichen verändern sich. „Ich gehe immer ein Stück weit anders nach Hause, als ich gekommen bin“, fasst es Petra Kleinert zusammen. Dagmar Simonsen fühlt sich nach den Anrufen häufig neu geerdet. „Diese Arbeit holt mich manches Mal auf den Boden zurück. Meine eigenen Alltagsprobleme relativieren sich. Das ist eine sehr heilsame Erfahrung.“

Seelsorgende werden von Gott getragen

Entscheidend für alle Bemühungen der Seelsorgenden sei aber, dass Gottes Segen dabei ist, weiß Annerose Neumann. „Die Ehrenamtlichen sind in ihrer Aufgabe getragen von Gott.“ Eine christliche Bindung ist aber für eine ehrenamtliche Arbeit bei der TelefonSeelsorge nicht Voraussetzung, jedoch eine gewisse Kirchennähe und Aufgeschlossenheit gegenüber Glaubensthemen ist wichtig. „Manche Anrufenden möchten gemeinsam ein Gebet sprechen oder Bibeltexte hören. Aber einen Psalm können auch Menschen vorlesen, die keine Christen sind“, sagt Annerose Neumann. „Letztlich kommt es darauf an, dass wir so wie wir sind, authentisch sind.“ Die neue Leiterin der TelefonSeelsorge sieht das ebenso: „Man stellt sich ja selber tausend Fragen und ich habe auch nicht alle Antworten, aber gerade da ergeben sich die besten Gespräche. Ich kann ehrlich und offen bleiben und sagen; ich weiß es nicht, aber wir können gemeinsam nachdenken.“ Dass dieser Weg der richtige ist, zeigen die vielen Reaktionen der Dankbarkeit. „Ich würde ihnen jetzt gern einen virtuellen Blumenstrauß schicken“, sei nur ein Beispiel für den spontanen Dank eines Anrufenden am Ende eines langen Gesprächs, so Annerose Neumann.

TelefonSeelsorge ist auf Spenden angewiesen

Getragen wird die Arbeit der 1994 gegründeten Ökumenischen TelefonSeelsorge Vorpommern mit Sitz in Greifswald vom Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis, vom Diakonischen Werk Mecklenburg-Vorpommern, vom Erzbistum Berlin und dem Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V. – Region Vorpommern. Die Finanzierung erfolgt durch die vier Träger. Zusätzlich geben das Land Mecklenburg-Vorpommern – durch die Landkreise Vorpommern-Rügen und Vorpommern-Greifswald – und die Universitäts- und Hansestadt Greifswald Zuschüsse. Dennoch ist die TelefonSeelsorge auf Spenden angewiesen. Sie helfen dabei, die Kosten für die Weiterbildungen und kompetente Referenten, für die Anfahrten der Ehrenamtlichen oder für Fachliteratur und Telefontechnik zu tragen. „Daher sind wir besonders dankbar dafür, dass die Osterkollekte im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis für die Arbeit der TelefonSeelsorge gesammelt wurde“, so Annerose Neumann.

Die neue Leiterin Dagmar Simonsen wurde 1968 in Pirna geboren. Die Mutter von vier Kindern ist Lehrerin und war bereits mehrere Jahre ehrenamtlich bei der Ökumenischen TelefonSeelsorge Vorpommern tätig. Bevor sie sich erfolgreich für die Leitungsstelle bewarb, arbeitete sie im Greifswalder Bürgerhafen als Koordinatorin sowie als Beraterin bei der Arbeitsagentur.

Quelle: PEK (sk)


Weitere Informationen und Kontakt: Ökumenische TelefonSeelsorge Vorpommern