Altkanzler Helmut Schmidt mit 96 Jahren gestorben Gauck: Schmidt war ein "leidenschaftlich vernünftiger Denker"

10.11.2015 · Berlin/Hamburg. Trauer um Helmut Schmidt: Der Altkanzler ist am Dienstag in seinem Haus in Hamburg gestorben. In den vergangenen Tagen hatte er an hohem Fieber gelitten. Spitzenpolitiker und Kirchenvertreter bezeichneten ihn als Vorbild für künftige Generationen und großen Europäer.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist tot. Er starb am Dienstagnachmittag im Alter von 96 Jahren in seinem Haus in Hamburg. Spitzenpolitiker würdigten die Lebensleistung des Sozialdemokraten, der von 1974 bis 1982 Bundeskanzler war. Er sei ein "leidenschaftlich vernünftiger Denker" gewesen, erklärte Bundespräsident Joachim Gauck. Die SPD-Bundestagsabgeordneten legten während einer Fraktionssitzung eine Trauerminute ein. "Wir werden seine Urteilskraft, seine Weitsicht und seinen Rat vermissen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel.  

Der Altkanzler hatte Medienberichten zufolge in den vergangenen Tagen an einer Infektion mit hohem Fieber gelitten. Nach einem Krankenhaus-Aufenthalt im September, bei dem er wegen eines Arterienverschlusses behandelt worden war, hatte sich Schmidt nicht mehr vollständig erholt. Seitdem wurde er zu Hause rund um die Uhr medizinisch betreut.

"Wir trauern um einen der bedeutendsten deutschen Politiker der Nachkriegszeit", schrieb Gauck in einem Kondolenzbrief an Schmidts Tochter Susanne Kennedy-Schmidt. Mit seinen Tugenden werde er auch künftigen Politikergenerationen ein bleibendes Vorbild sein. Dazu gehörten "Unabhängigkeit des Geistes, Mut und Pflichtbewusstsein".

Merkel: "Tiefe Zuneigung zu unserem Altkanzler"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dem verstorbenen Altkanzler ihren "tiefen Respekt vor den Leistungen im Laufe seines langen Lebens" bezeugt. Als Hamburger Politiker, als Minister verschiedener Bundesregierungen, als Kanzler und schließlich als unabhängiger Geist und Publizist habe er sich um das Land verdient gemacht, sagte die Kanzlerin.

Merkel sprach Schmidts Lebensgefährtin und seiner Tochter ihr Beileid aus und schilderte ihr erste persönliche Erinnerung als Kind an den damaligen Hamburger Innensenator bei der Bekämpfung der Sturmflut 1962.

Aus der Wertschätzung und dem Respekt der Deutschen für Schmidt sei mit den Jahrzehnten "eine tiefe Zuneigung zu unserem Altbundeskanzler" geworden, sagte Merkel. Helmut Schmidt sei eine politische Institution der Bundesrepublik und auch für sie persönlich eine Instanz, "einer dessen Rat und Urteil mir etwas bedeuteten".

Der SPD-Vorsitzende Gabriel sagte: "Wir verneigen uns vor der Lebensleistung von Helmut Schmidt." Dieser habe sich immer dagegen gesträubt, ein Vorbild zu sein. Nachfolgende Generationen könnten dennoch von ihm lernen, was Wille zur Übernahme politischer Verantwortung und Engagement für das öffentliche Wohl betreffe. "Wir werden seine Urteilskraft, seine Weitsicht und seinen Rat vermissen", betonte der Vizekanzler.

Bedford-Strohm: "Verneigen uns vor der Lebensleistung"

Auch die beiden großen Kirchen würdigten den Verstorbenen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, bezeichnete den Altkanzler als "großen Denker und einen kritischen Mahner". "Wir verneigen uns mit Respekt und Hochachtung vor der Lebensleistung von Helmut Schmidt", erklärte der Ratsvorsitzende in einem Kondolenzschreiben an die Tochter des Verstorbenen.

Für die katholische Deutsche Bischofskonferenz würdigte deren Vorsitzender Reinhard Marx Schmidt als Politiker mit Weitblick und überzeugten Europäer: "In dieser Stunde des Abschieds verneigen wir uns vor einem Bundeskanzler, der dem Glauben und der Religion mit Sympathie und Respekt begegnete."

Schmidt war zeitlebens seiner Geburtsstadt Hamburg eng verbunden. Als Innensenator profilierte er sich während der Flutkatastrophe 1962, bei der er den Krisenstab lenkte. Ende der 60er Jahre stieg Schmidt in der Bundespolitik auf, wurde zunächst Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, später Verteidigungs- und Bundesfinanzminister. 1974 folgte er Willy Brandt als Bundeskanzler.

Sein Umgang mit dem RAF-Terror Ende der 70er Jahre festigte sein Image als Krisenmanager. Nach dem Bruch mit dem Koalitionspartner FDP wurde er 1982 durch ein konstruktives Misstrauensvotum von Helmut Kohl (CDU) abgelöst. Nach dem Ende seiner Politikerlaufbahn wurde er "Zeit"-Herausgeber, Buchautor und gefragter Interviewpartner. Seine Frau Loki, mit der er seit 1942 verheiratet war, starb 2010 im Alter von 91 Jahren. 

Quelle: epd/kmv