"Offene Kapelle“ in Jager bei Greifswald Ein Gegenpol zur Hektik des Alltags

Täglich kümmert sich Sabine Petters um die Kapelle in Jager. Das Schild hat sie selbst gestaltet.

Fotos: S. Kühl

23.06.2015 · Jager. In Jager bei Greifswald bietet eine "Offene Kapelle“ Wanderern und Pilgern, Touristen und Einheimischen Raum für Gebet und Besinnung.

Knapp 20 Kilometer von Greifswald entfernt, inmitten einer weiten, offenen Landschaft, liegt der kleine Ort Jager. Das Dörfchen gehört zur Kirchengemeinde Horst und Reinkenhagen in der Propstei Stralsund. Und obgleich Jager winzig ist, hat es ein eigenes kleines Kirchlein. Wer daran vorbeikommt, dem fällt sofort die frisch und einladend gestaltete Schautafel auf. „Offene Kapelle“, ist dort in orangefarbener Kalligrafie zu lesen. Von Mai bis September ist die Kapelle täglich in der Zeit von 8 bis 18 Uhr für Ruhesuchende oder Architekturinteressierte, für Wanderer und Pilger, für Menschen, die in der Stille beten möchten, geöffnet. Zu verdanken ist das Sabine Petters, die sich ehrenamtlich um die „Offene Kapelle“ kümmert.

Kapelle wartet einladend auf Gäste

„Das war einfach so eine spontane Idee“, erzählt die in Jager wohnende 48-Jährige. Während einer Zeit der Arbeitssuche habe sie viel Zeit zum Nachdenken gehabt und sei gezwungen gewesen, ihren inneren Nöten nachzuspüren, die sie schließlich zu dieser meist verschlossenen Kapelle geführt hätten. „Die Kirche sollte offen sein, habe ich mir gedacht und Pastor Fred Burmeister gefragt, ob ich die Betreuung der ‚Offenen Kapelle‘ übernehmen dürfte. Er war sofort einverstanden.“ Seitdem öffnet Sabine Petters jeden Morgen das Kirchlein, bevor sie nach Stralsund zur Arbeit fährt und schließt es am Abend wieder ab. In der Zeit dazwischen ist die Kirche offen und wartet einladend auf Gäste. Vielleicht sind diese ja gerade auf dem Ostseeküsten-Wanderweg E9 unterwegs, der sich von Portugal bis nach Estland erstreckt, und der unmittelbar an der Kapelle vorüberführt.

Besucherbuch hält Gedankensplitter fest

„Dies ist ein Angebot der Stille, der Besinnung und Einkehr für alle, die einen Gegenpol zur Hektik suchen und im Alltag oder im Urlaub einfach mal innehalten möchten“, beschreibt Sabine Petters ihre Auffassung vom Konzept der „Offenen Kapelle“. Die gebürtige Stralsunderin hat sich ein paar Besonderheiten ausgedacht, mit denen diejenigen, die das möchten, ihr Innehalten in dem kleinen Gotteshaus abrunden können. Zum Beispiel lädt ein Sandbild die Besuchenden zum Mit- und Umgestalten ein. Zudem stehen immer Kerzen zum Anzünden auf dem Altar bereit. Und es liegt ein Buch aus, in dem Gäste ihre Gedanken eintragen können. Der Besuch in der Kapelle gebe Licht und Ideen mit auf die Fahrt nach Hause, ist darin unter anderem zu lesen. Oder ein Danke für diesen offenen Raum der Einkehr und Ruhe.

Augenblicke der inneren Versenkung

Ein kleines Kästchen nimmt Zettel mit Gebetswünschen, mit Sorgen, Nöten, auch mit Dankesnotizen auf. Sabine Petters schließt den Inhalt der Zettel und deren Verfasser dann jeden Abend in ihre Gebete ein. „Ich lese dabei von bewegenden Schicksalen, die ich für mich behalte und nur vor Gott bringe. Ab und an stelle ich dann fest, dass manche Menschen immer wieder in die Kapelle in Jager kommen.“ Diese allabendlichen Gebete, zu denen sich Sabine Petters immer woanders in die Bankreihen setzt, seien dann auch für sie selbst eine tägliche Andacht und ein Augenblick der inneren Versenkung.

Besuchende fühlen besondere Geborgenheit

Die Kapelle ist kein Prachtbau, sie wirkt von außen eher bescheiden, doch in ihrem überschaubaren Inneren fühlen Besuchende sofort eine besondere Geborgenheit. Neben geistiger Erquickung bietet die Kapelle auch Labsal für den Körper. Erschöpfte Radfahrer oder Wanderer können sich mit einem Glas Mineralwasser erfrischen.

Gottesdienste finden in der 1830 nach einem Brand neu aufgebauten Kapelle nur noch unregelmäßig statt. Lediglich zu Ostern, am Himmelfahrtstag, zum Beginn der Adventszeit und hin und wieder für Taufen oder Hochzeiten wird die kleine Dorfkirche genutzt. „Dann allerdings ist die Kapelle immer voll, dann kommt ganz Jager“, erzählt Sabine Petters. Bis es wieder einmal soweit ist, lädt das Kirchlein mit stiller Geduld und offener Tür alle Menschen ein und bietet einen Raum für Gebet, Ruhe und Besinnung.

Quelle: PEK (sk)