Kirchliche Diskussionsveranstaltung Flüchtlingsdebatte: EU-Direktor sieht "echte institutionelle Krise"

03.12.2015 · Brüssel.

Die EU-Kommission ist angesichts des Streits über Flüchtlinge zunehmend besorgt um die Zukunft Europas. "Wir haben es mit einer echten institutionellen Krise zu tun", warnte Matthias Ruete, Generaldirektor für Migration in der Kommission, auf einer kirchlichen Diskussionsveranstaltung in Brüssel. Nationale Alleingänge kämen immer öfter vor, sagte Ruete: "Überall in Europa werden wieder Grenzkontrollen eingeführt. Polen, Schweden, baltische Staaten wollen aus dem europäischen Umverteil-Plan für Flüchtlinge ausscheren."

Wenn Europa nicht bald Lösungen finde, könnten "weite Teile der EU-Institutionen selbst infrage gestellt werden", befürchtet Ruete. Europa könnte dann zu "einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft, einer großen Freihandelszone" werden. Unkooperativen Ländern EU-Fördergelder zu streichen, wäre auch keine Lösung, warnte der Spitzenbeamte. Die einzige Chance bestehe darin, weiter beharrlich für europäische Solidarität und Zusammenarbeit zu werben, sagte er.

Die Diskussionsveranstaltung zur Flüchtlingskrise war von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der kirchlichen Migrantenkommission CCME und der Diakonie Deutschland organisiert worden. Kirchen und zivilgesellschaftliche Organisationen könnten eine wichtige Rolle bei der Integration von Flüchtlingen spielen, unterstrich der Beauftragte der EKD für die Europäische Union, Prälat Martin Dutzmann. Kirchen hätten in der Flüchtlingsarbeit jahrzehntelange Erfahrung, hob er hervor.

Ebenso wie Diakoniepräsident Ulrich Lilie verlangte Dutzmann ein europaweites System für die regelmäßige Aufnahme von Flüchtlingen. Europa solle sich auf einen Mindestbeitrag von 20.000 Aufnahmeplätzen pro Jahr verpflichten, sagte Lilie. Daran sollten sich insbesondere auch Länder beteiligen, die traditionell keine Flüchtlings-Aufnahmeländer seien. Tatsächlich sei der weltweite Schutzbedarf noch viel höher, unterstrich Lilie: Laut UN-Schätzungen bräuchten derzeit rund 960.000 Menschen Schutz, 39 Prozent mehr als im vergangenen Jahr prognostiziert.

Quelle: epd