Leidvolle Beobachtungen Flüchtlingsdrama belastet viele Seeleute bis zur Berufsaufgabe
09.08.2015 · Bremen/Hamburg.Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer belastet nach Beobachtungen der Deutschen Seemannsmission viele Seeleute auf den dort fahrenden Handelsschiffen bis zur Berufsaufgabe. "In unseren Stationen, in Mails und am Telefon häufen sich die Gespräche, in denen Seeleute etwas loswerden wollen", sagte Generalsekretärin Heike Proske am Freitag in Bremen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn sie einem Flüchtlingsboot begegneen und nicht alle Menschen retten können oder Leichen im Wasser treiben sehen, wüssten sie oft nicht, mit wem sie darüber reden könnten. "Die Familien wollen sie nicht belasten, Kapitäne und Reeder haben dafür meist kein Ohr."
Anders ist das Proske zufolge speziell bei nordeuropäischen Reedereien aus Deutschland, den Niederlanden und Norwegen, die nicht darauf bestehen, Fahrpläne einzuhalten. Sie setzten eine notwendige Rettungsaktion an die erste Stelle und unterstützten die Seeleute besser. Nach Artikel 98 des UN-Seerechtsübereinkommens sind Handelsschiffe verpflichtet, in Seenot geratenen Flüchtlingen zu helfen.
Die evangelische Theologin berichtete von einer Initiative der norwegischen Regierung, die unabhängig von der "Triton"-Rettungsaktion der EU ein Offshore-Schiff umgerüstet und ins Mittelmeer geschickt hat. "Es wäre wünschenswert, wenn die Bundesregierung auch in diese Richtung geht."
Unter Federführung des Zentralinstitutes für Maritime Medizin in Hamburg und in Kooperation mit der Seemannsmission werde gerade erfragt, welche Unterstützung sich Seeleute im Umgang mit dem Flüchtlingsdrama wünschten - "vor allem in der Prävention". Das reiche von Ausrüstungsfragen wie Schwimmwesten über Nahrungsvorräte an Bord bis zu einem Sicherheitsoffizier oder medizinischen Schutzmaßnahmen etwa gegen Tuberkulose.
Nicht jeder Seemann sei traumatisiert, wenn er Belastendes erlebt habe, stellte Proske klar. Aber es gäbe auch Seeleute, die aufgrund des Flüchtlingsdramas aus ihrem Job ausgestiegen seien. So hat sie selbst Kontakt zu einem 52-jährigen Belgier, der sich nun als Lotse bewerben will: "Er hat mir gesagt, er will nicht mehr über Kinderrucksäcke fahren."
Nicht nur in ihren Stationen etwa am Mittelmeer in Alexandria, Genua und Piräus versucht die Deutsche Seemannsmission, verzweifelten Seeleuten psychisch zur Seite zu stehen. "Wir hören zu, wir machen Gesprächsangebote, damit sich die Männer ihre Last wenigstens teilweise von der Seele reden können", erläuterte Proske. Damit sich die Situation verändere, sei aber in erster Linie die Politik gefragt. So müsse die EU-Rettungsmission "Triton" bis vor die libysche und türkische Küste ausgedehnt werden. Zur Deutschen Seemannsmission gehört ein weltweites Netz mit jeweils 16 Stationen im In- und Ausland.
Quelle: epd