„Zukunftsdialog – Nachhaltigkeit und Landwirtschaft“ Begegnung mit Regenwürmern – Exkursion zum Gut Pätschow ermöglichte Einblicke in komplexes Thema

Auf einem seiner Äcker hat Landwirt Matthias Hecker eine Bodenprobe genommen. Als Zeichen der Vitalität des Erdreichs präsentiert er den Exkursionsteilnehmenden einen Regenwurm.

Foto: S. Kühl

27.10.2014 · Pätschow. Der „Zukunftsdialog – Nachhaltigkeit und Landwirtschaft“ des Pommerschen Kirchenkreises wurde am Sonnabend mit einer Exkursion zum Thema „Bodenkunde“ fortgesetzt. Dabei wanderten die rund 50 Teilnehmenden unter anderem über einen Acker, überzeugten sich von der Vitalität des Erdreichs und besichtigten landwirtschaftliche Fahrzeuge.

Mit rund 50 Exkursionsteilnehmenden bestätigte sich beim zweiten „Zukunftsdialog – Nachhaltigkeit und Landwirtschaft“ am vergangenen Sonnabend (25. Oktober) der Erfolg der im Sommer gestarteten Veranstaltungsreihe. Der Pommersche Evangelische Kirchenkreis hatte diese Veranstaltungsreihe initiiert, um einen fortwährenden Gesprächsprozess zwischen Vertretern aus Landwirtschaft, Kirche und Gesellschaft zu begleiten und zu fördern. In einem Wechsel aus Tagungen und Exkursionen zu landwirtschaftlichen Betrieben soll der Dialog ein Forum für den gegenseitigen Austausch sowie die Möglichkeit, mit Experten verschiedener Fachrichtungen ins Gespräch zu kommen, bieten.

Begrüßung im Gutshaus
            
Nachdem der Zukunftsdialog im Sommer mit einer Tagung gestartet war, fand am Sonnabendvormittag die erste Exkursion statt. Sie führte zum Gut Pätschow, dem Betrieb von Landwirt Matthias Hecker in Groß Polzin im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Die Exkursion stand unter dem Motto „Bodentag“. Zu Beginn der Veranstaltung hieß Matthias Hecker im Gutshaus die Teilnehmenden willkommen. Pastorin Franziska Wells hielt als Vertreterin des Pommerschen Kirchenkreises eine Andacht. Darin nahm sie das Motto der Exkursion und das Thema Nachhaltigkeit einfühlsam auf. „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen“, zitierte Franziska Wells aus der biblischen Bergpredigt. Diese Seligpreisung sei ein Auftrag für christliche Landwirte und christliche Landverpächter.

„Die Sanftmütigen – die mutig sind, die Neues wagen und große Kraft aufbringen und die dabei zugleich behutsam vorgehen, nicht gewaltig, sondern sanft – ihnen spricht Jesus den Boden zu, der so wertvoll ist.“ Der Erdboden sei lebenswichtig und unersetzbar, so die Pastorin. „Wer soll das Land bekommen? Keine Geringeren als die Sanftmütigen! Die Behutsamen sollen Bodenbesitzer sein. Nicht die Spekulanten und Raffgierigen, auch nicht die Mutlosen. So wichtig ist der Boden, das Erdreich für Jesus, dass er es parallel setzt mit Satt-werden, mit Gerechtigkeit, mit dem Schauen Gottes.“

Bodenpflege dient kommenden Generationen

Nach der gemeinsamen Andacht hielt Prodekan Prof. Dr. Gerhard Flick vom Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften der Hochschule Neubrandenburg einen Vortrag zum Thema „Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit“ in dem er auch auf die Historie des nachhaltigen Wirtschaftens einging. Nachhaltigkeit umschrieb Gerhard Flick zunächst mit der Frage, die er sich in seiner Jugend auf dem Landwirtschaftsbetrieb seiner Familie gestellt hatte: „Wer hat vor mir hier gegraben und wer wird nach mir hier graben?“ In einer wissenschaftlichen Definition des Begriffes Nachhaltigkeit führte Gerhard Flick vier Punkte auf: Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Betriebs, Minderung ökologischer und sozialer Risiken, wirtschaftliche Effizienz sowie nachweisbare Sozial- und Umweltverträglichkeit.

„Langfristiges Denken ist die Grundlage jeder Landwirtschaft“, so der Professor, der auf das erste Buch Mose in der Bibel verwies, in dem es heiße, dass der Mensch sich mit Mühsal von seinem Acker ernähren solle. „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.“ Dementsprechend sei Landwirtschaft nicht geeignet, um kurzfristig Gewinn zu machen. Der Professor betonte, dass jeder Landwirt Verantwortung für die Bewahrung des Bodens trage. Bodenpflege sei aber kein Selbstzweck. Der Landwirt müsse von seiner Arbeit leben können. Dabei sei die Erhaltung und Verbesserung der Bodenqualität das ureigene Interesse der Landwirte. Auch in einem ökologischen Betrieb gehe es nicht ohne Chemie, räumte Gerhard Flick mit Vorurteilen auf. Das gelte beispielsweise auch für Stickstoff, der als wesentlicher Bestandteil der Proteine ein wichtiges Bauelement aller Lebewesen ist. „Elemente unterscheiden nicht zwischen ökologisch und konventionell“, spitzte Gerhard Flick zu.

Entscheidungshilfe für Kirchengemeinden

Eine weitere Gemeinsamkeit ökologischer und konventioneller Landwirtschaft beziehe sich ebenfalls auf die Bodensubstanz: „Genug Humus entsteht nur durch sinnvolle Fruchtfolgen, hier treffen sich Öko- und konventioneller Landbau.“ Gutes und Schlechtes liege im wahren Leben oft nah beieinander. „Man kann nicht sagen, ‚Öko‘ ist gut und konventionell ist böse“, so Gerhard Flick. Kirchengemeinden, die Land verpachten, rät er, sich die bisherigen Flächen des zukünftigen Pächters genau anzusehen. Daran könne man am besten die Qualitäten eines Landwirts erkennen. Für ihn wären bei der Landvergabe die Art des Wirtschaftens des Pächters und seine fachliche Qualifikation die wichtigsten Bewertungskriterien. Wenn ein Landwirt nach bestem Wissen und Gewissen seine Arbeit mache, könne man ihm auch bedenkenlos Land verpachten, meinte Gerhard Flick.

Im Anschluss an den Vortrag äußerten sich viele Teilnehmende beeindruckt von den faktenreichen Ausführungen des Professors. Der Vortrag habe unter anderem deutlich gemacht, wie hoch komplex moderne Landwirtschaft sei, und ebenso, dass es auf vielschichtige Fragen keine einfachen Antworten gebe, so der Tenor in den Gesprächen. Nach dem Vortrag und einer kurzen Fragerunde bestand die Möglichkeit für die Teilnehmenden, während eines Rundgangs über die Ackerflächen sowie durch Fahrzeughallen und technische Anlagen das alltägliche Wirtschaften in einem fortschrittlichen Landwirtschaftsbetrieb näher kennenzulernen. Matthias Hecker stellte den Exkursionsteilnehmenden an verschiedenen Stationen seinen Hof vor.

Acker ist mit Bürocomputer vernetzt

„Wir bewirtschaften eine Fläche von ungefähr 900 Hektar“, so der Landwirt. Unter anderem erläuterte er, wie mittels GPS-Unterstützung, also per Satellitensteuerung, und durch regelmäßige Bodenproben die Düngung an die einzelnen Flächen mit ihrem unterschiedlichen Bedarf angepasst wird. „Wir differenzieren ganz exakt, um langfristig die Erträge zu steigern ohne zu viel zu verteilen“, so Matthias Hecker. Während der Wanderung über eine Ackerfläche hob der Landwirt ein Stück Erde aus, um den Exkursionsteilnehmenden die Lebendigkeit des Bodens und seine hohe Qualität aus der Nähe zu zeigen. Dicke Regenwürmer, die Matthias Hecker aus der Bodenprobe entnahm, zeugten von der Vitalität des Erdreichs. Die Exkursion führte auch an einer mobilen Wetterstation auf dem Acker vorbei, die per Funk mit dem Rechner im Büro des Landwirts vernetzt ist. So können unter anderem Aussaat oder Düngung mit dem jeweiligen Wettergeschehen synchronisiert und so optimiert werden.

Besonders beeindruckt waren die Teilnehmenden von den großen Maschinen des Gutes Pätschow, die von Experten erklärt wurden. Einige Fahrzeuge konnten bei der Rübenernte beobachtet werden. „Alle unsere Maschinen sind GPS-gesteuert. So verbrauchen sie weniger Treibstoff, der Boden wird geschont und die Tagesleistung erhöht. Zudem reduziert sich der Stress für die Fahrer“, erläuterte Matthias Hecker. Ein Kernelement seines Betriebes ist die Trocknungsanlage, in der das geerntete Getreide in einen optimalen Lagerzustand gebracht wird. „Wir können so ganzjährig verkaufen und sind nicht darauf angewiesen, das Getreide unmittelbar nach der Ernte anzubieten."

Zukunftsdialog wird im Frühjahr fortgesetzt

An den verschiedenen Stationen kam es immer wieder zu anregenden Gesprächen, bevor der Hofrundgang im Gutshaus zur Mittagszeit endete. Pastorin Franziska Wells sprach das Schlusswort und den Segen. Sie dankte der Familie Hecker für die Gastfreundschaft und lud im Namen des Pommerschen Kirchenkreises zu den kommenden Veranstaltungen ein. Im Frühjahr 2015 wird der „Zukunftsdialog - Nachhaltigkeit und Landwirtschaft“ voraussichtlich mit einer weiteren Tagung fortgesetzt.

Quelle: PEK (sk)