Predigt in Leipziger Nikolaikirche Bischof Abromeit: „Vor Gott müssen wir nicht reden, nichts produzieren“
02.06.2014 · Leipzig. Auch nichtreligiöse Menschen können in existenziellen Krisen Trost unter dem Kreuz finden. Darauf wies der Greifswalder Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit am Sonntag in seiner Predigt in der Leipziger Nikolaikirche hin. „Unaussprechliches Seufzen – endlich einmal!“ war die Predigt überschrieben, die eine Stelle aus dem Römerbrief des Paulus auslegte. Bischöfinnen und Bischöfe aus acht evangelischen Landeskirchen stehen in diesem Sommer in einer Predigtreihe der Leipziger Universitätsgottesdienste auf der Kanzel.
Bischof Abromeit zitierte aus dem Tagebuch des 2010 an Krebs verstorbenen Künstlers und Regisseurs Christoph Schlingensief: „Ich bin ganz still geworden und habe hochgeguckt, da hing das Kreuz, und in dem Moment hatte ich ein warmes, wunderbares, wohliges Gefühl. Ich war plötzlich jemand, der sagt: Halt einfach die Klappe, sei still, es ist gut, es ist gut.“ Bischof Abromeit dazu: „Es ist eine große Befreiung, wenn unser Leid vor Gott kommt und wir uns dort aufgehoben fühlen. Dann tritt der Geist Gottes mit Flehen und Seufzen für uns ein. Und wir müssen nichts sagen. Wir sind schweigend bei Gott in guter Gesellschaft.“ Es tue gut, in Momenten von Leid und Trauer „nicht schon wieder reden und produzieren zu müssen“. Diese Entlastung spürten auch Menschen, die der Kirche und dem christlichen Glauben nicht nahe stünden.
In solchen Krisensituationen werde auch sehr deutlich, dass man sich ein gelingendes Leben nicht selbst erarbeiten könne. Abromeit: „Wir meinen ja, wir könnten unser Leben machen. Nur genug arbeiten, forschen und veröffentlichen und wir werden Erfolg haben. Nur alles in eine Beziehung investieren und dann wird das mit der Partnerschaft schon klappen. Nur achtsam leben, dann wird mir die Gesundheit schon erhalten bleiben.“ Doch dies sei ein Trugschluss: „Wir haben unser Leben nicht in der Hand. Ob wir es im Beruf zu etwas bringen, hängt von vielen – vermeintlichen – Zufällen ab. In der Beziehung ist mir die andere Person unverfügbar. Und unsere Gesundheit balanciert immer auf einem Drahtseil.“ Dieses Eingeständnis der Unverfügbarkeit führe zur Kernfrage der Reformation. Abromeit: „Die Frage heißt: Lebe ich aus der Kraft Gottes oder versuche ich, mein Leben aus eigenen Kräften zu führen?“ So könne aus dem unaussprechlichen Seufzen in der Tiefe der Seele der Weg durch die Kapitulation hindurch zur Veränderung durch Gottes Geist führen. Bischof Abromeit: „Unser Leben wird gut, heil, wenn wir es einfach vor Gott hinstellen, es ihm ausliefern.“
Quelle: Bischofskanzlei Greifswald (ak)