Wie ist Versöhnung möglich? Bischöfin Junkermann: Viel Geduld bei Stasi-Aufarbeitung nötig
14.02.2014 · Magdeburg.Nach Ansicht der mitteldeutschen Landesbischöfin Ilse Junkermann sind bei der Aufarbeitung der Stasi-Verbrechen noch viel Geduld und neue Formen nötig. 25 Jahre nach dem Ende der DDR seien eine Zeitspanne, nach der es für Opfer erst möglich sei, sich einem Trauma zu stellen, sagte Junkermann bei einem Spiegelsaal-Gespräch in Magdeburg. Der 25. Jahrestag der friedlichen Revolution biete die Chance, aus einer gewissen Blockade zu kommen und Gesprächsräume für die Opfer zu schaffen.
Gleichwohl habe sie die Befürchtung, dass mit der politischen Korrektheit der offiziellen Veranstaltungen die Menschen mit ihrer Identität vernachlässigt werden könnten, sagte Junkermann. Nachteilig sei, "dass wir in den Begriffen Opfer und Täter verhaftet sind". Stattdessen seien Gesprächsräume nötig, in denen allen Seiten vermittelt werde, dass "jeder eine individuelle Geschichte in einem gemeinsamen Kontext" habe.
Zudem erneuerte die Landesbischöfin ihren danach mehrfach kritisierten Versöhnungsaufruf von 2009. Nach wie vor gelte ihre Aussage, dass Versöhnung oder zumindest Schritte dorthin eine Aufgabe sei, die noch mehr vor als hinter den Menschen liege. "Das kann aber nicht als Forderung, sondern nur im Modus einer Bitte geäußert werden", sagte Junkermann. Bei Versöhnung müsse auch ernst genommen werden, dass sie scheitern könne und jemand nicht bereit zur Vergebung sei.
Sachsen-Anhalts Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen der DDR, Birgit Neumann-Becker, beklagte, dass die Opfer noch heute "unter dem mangelnden Interesse der Öffentlichkeit und selbst der eigenen Familienmitglieder leiden". Dagegen bekämen ehemalige Funktionäre überwiegend auskömmliche Renten, auch seien zwei Drittel der damals noch relativ jungen Stasi-Mitarbeiter heute noch berufstätig. "Dieses Signal ist für Opfer nahezu unerträglich", betonte die Theologin. Damit verbunden sei auch die Botschaft, dass sich Anpassung lohne und nicht Engagement gegen Unrecht.
Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) betonte, dass unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen auch ausgehalten und wechselseitig und akzeptiert werden müssten. Veranstalter des traditionellen Spiegelsaal-Gesprächs waren das Evangelische Büro Sachsen-Anhalts und die Evangelische Akademie in Wittenberg. Das Thema der Diskussion lautete "25 Jahre nach dem Ende der DDR - wie ist zwischen Trauma, Desinteresse und Idealisierung auch Versöhnung möglich?".
Quelle: epd