Hoffnung und Wärme - nicht nur im Advent Das "Adventstürchen" bietet einen heimeligen Ort in einer öden Plattenbausiedlung
Von Nicole Kiesewetter
Foto: N. Kiesewetter-Müllejans
Das kleine Dorf Möllenhagen im Süden Mecklenburgs bietet in diesen Tagen ein ganz besonderes "Adventstürchen": Die Kommunalgemeinde hat den beiden kirchlichen Sozialarbeitern Stefan Lauterbach und Simone Schnackenberg für einen Monat kostenlos eine der vielen leerstehenden Wohnungen in der Plattenbausiedlung zur Verfügung gestellt. Für die Vorweihnachtszeit hatte sich das Team das Projekt "Adventstürchen" ausgedacht: Von Montag bis Mittwoch wird hier gebacken, gebastelt und musiziert. Bis zu 15 Kinder kommen an diesen Tagen in die provisorisch mit gespendeten Möbeln ausgestattete Wohnung.
Möllenhagen, westlich von Neubrandenburg, ist ein geteiltes Dorf. Auf der einen Seite findet sich der alte Dorfkern und auf der anderen eine große Plattenbausiedlung. Mit über 33 Prozent der rund 1.500 Einwohner leben hier überdurchschnittlich viele Langezeitarbeitslose. Auch der Anteil an schwerbehinderten Arbeitslosen liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. "Hier bleiben die Leute nicht auf der Straße stehen und unterhalten sich miteinander", sagt Lauterbach. "Sie kennen sich zwar, haben aber kaum Kontakt miteinander."
Die drei Schwestern Silvana (7), Susanne (11) und Jenni (14) besuchen gern das "Adventstürchen". Während die beiden jüngeren emsig kleine Holzfiguren mit Schmirgelpapier bearbeiten, um sie anschließend zu bemalen, sorgt Jenni für etwas musikalische Untermalung. "Wer kennt 'In der Weihnachtsbäckerei'?" ruft sie in die Runde und spielt das Lied laut über ihr Mobiltelefon ab. "Is echt cool hier", findet die Jugendliche. "Im Sommer kann man ja noch auf´m Rasen oder am Bushäuschen chillen, aber nun is' zu kalt", stellt sie fest. "Und sonst gibt´s hier ja nichts."
„Wir verbinden Sozialarbeit und christliche Werte“
Eingebunden ist "Adventstürchen" ist das Kirchen-Projekt "Volx-Mobil". Seit Anfang des Jahres tourt der blaue Kleinbus des evangelischen Kirchenkreises Mecklenburg mit Lauterbach und seiner Kollegin Schnackenberg durch die Propstei Neustrelitz. Auf der Straße und auf Märkten suchen die beiden das Gespräch mit den Bewohnern. Immer im Gepäck: Sitzbänke und Spiele, ebenso einen Gaskocher für Kaffee und Tee. "In unserem Projekt wollen wir Straßensozialarbeit, Hilfe und christliche Werte miteinander verbinden" erklärt die 40-jährige Schnackenberg das Anliegen des Volx-Mobil-Projekts.
"In dieser Region fehlt oft soziale Infrastruktur", weiß Lauterbach. Rechte Propaganda finde hier guten Nährboden, sagt der 56-Jährige und verweist auf die Problematik im anderen Volx-Mobil-Standort Friedland nordöstlich von Neubrandenburg. Dort hatten bei der letzten Kommunalwahl fast 14 Prozent die NPD gewählt. "Als Ende letzten Jahres auch noch Proteste gegen ein Asylbewerberheim dazu kamen, haben wir uns Friedland als einen Einsatzort gewählt." Ziel ist, Bürgerbündnisse aus Kirchengemeinden, Kommunen, Vereinen oder der Feuerwehr zu bilden.
Die beiden Sozialarbeiter wollen mit ihrer Arbeit erreichen, dass sich die Lebenslagen der Menschen in den Plattenbausiedlungen verbessern. Gerade im ländlichen Bereich sind Plattenbausiedlungen häufig soziale Brennpunkte. "Wir erleben nicht selten, dass diese von der Kirche kaum angemessen in den Blick genommen werden können", formuliert Lauterbach seine Erfahrung. Auch die Kommunalpolitik ist kaum in der Lage, den Versorgungslücken zu begegnen.
„Mein Weihnachtswunsch: dass das Projekt weitergeht“
Das Mitarbeiter-Duo will an diesen Orten Entwicklung ermöglichen. "Doch das braucht einen langen Atem." Ob das Volx-Mobil diesen langen Atem haben kann, steht derzeit noch in den Sternen. Die über eine Stiftung finanzierte Stelle von Simone Schnackenberg läuft im April 2016 aus. Bisher ist unklar, ob es danach weitergehen kann. Stefan Lauterbach ist zwar fest angestellt, "aber allein ist man eben kein Team". Dass das Projekt weiter geht, ist sein Weihnachtswunsch. "Meinetwegen auch erst für 2015."
Quelle: epd