Rechtsextremismus Broschüre bietet Hilfe für Umgang mit rechtsextremen Mandatsträgern

Von Markus Geiler

02.04.2014 · Berlin. Mehr Obst für Schüler, keine Ausdünnung des öffentlichen Nahverkehrs: Seit Jahren kämpft die NPD darum, in den Kommunen als normale Partei wahrgenommen zu werden. Bisher wurde sie erfolgreich isoliert. Das reicht nicht mehr aus, sagen Experten.

Wenige Wochen vor den Kommunalwahlen in zehn Bundesländern will eine neue Handreichung den künftigen Gemeinde- und Stadtvertretern Hilfe beim Umgang mit rechtsextremen Mandatsträgern geben. Empfohlen wird die Anwendung des sogenannten "Berliner Konsenses'", der seit Jahren in den Bezirksparlamenten der Bundeshauptstadt praktiziert wird. Demnach werden Anträge der NPD grundsätzlich von den demokratischen Parteien gemeinsam abgelehnt und die Parteien wechseln sich mit der inhaltlichen Begründung ab, sagte die Geschäftführerin des Vereins Demokratische Kultur (VDK), Bianca Klose, am Dienstag bei der Vorstellung in Berlin.

"Mit dieser Praxis sind die Normalisierungsbestrebungen der NPD erfolgreich vereitelt worden", fügte sie hinzu. Über etwa 350 Mandate verfüge die NPD derzeit bundesweit in Kommunalparlamenten und Landtagen. Dazu kämen weitere Mandatsträger von rechtspopulistischen "Pro"-Parteien und Republikanern. Dank des in fast allen Kommunal- und Landesparlamenten bestehenden Konsenses, die Rechten zu isolieren und ihre Anträge grundsätzlich abzulehnen, kamen diese kaum zum Zug.

"Grund zur Entwarnung besteht trotzdem nicht", sagte Klose. Das Wählerpotential rechts von CDU/CSU sehen Beobachter der Szene wie sie bei 15 bis 20 Prozent. "Deren Kitt ist der Rassismus", sagte Klose. Nicht zuletzt wegen des Wegfalls der Drei-Prozent-Hürde würden die Kommunalwahlen Ende Mai eine "Herausforderung für die Demokratie".

Die von dem Verein Demokratische Kultur gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebene Handreichung fußt auf einer Untersuchung über den Umgang mit rechtsextremen Kommunalpolitikern in den vergangenen Jahren. Dafür führten die beiden Autoren Vera Henßler und Ulrich Overdieck zahlreiche Interviews mit demokratischen Mandatsträgern unter anderem in Köln, Cottbus, Dresden, Pirmasens (Rheinland-Pfalz), Radevormwald (NRW), Delitzsch in Sachsen oder Schöneiche bei Berlin.

Erfreulich sei, dass die NPD-Vertreter in allen Kommunen einhellig abgelehnt würden und dadurch keinerlei politischen Gestaltungsspielraum hätten, sagte Henßler. Allerdings führe dieser "ignorierende Umgang" nicht zwangsläufig zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit rechtsextremen oder rassistischen Positionen. Aus Furcht vor Kontroversen zwischen den demokratischen Parteien würden Themen wie Asyl, Einwanderung oder Gedenkkultur bewusst ausgeklammert.

Auch unter den Demokraten gebe es "Grenzen eines antirassistischen Bekenntnisses", haben die Autoren festgestellt. "Die Ächtung auf der Oberfläche bedeutet nicht automatisch, dass alle Inhalte der Rechten auch abgelehnt werden", sagte Henßler.

Das könnte zum Problem werden, warnte Co-Autor Ulrich Overdieck. Die Handreichung empfiehlt deshalb eine stärkere Analyse und Auseinandersetzung mit rechten Ideologien. Wie in der Berliner Praxis sollten die Parteien abwechselnd die inhaltliche Begründung für abgelehnte rechte Anträge vortragen. Zudem sollten innerhalb der Parteien bestimmte Personen für den Rechtsextremismus zuständig sein.

Der Sozialwissenschaftler Dietmar Molthagen von der Friedrich-Ebert-Stiftung sieht nach den Kommunalwahlen auch die Gefahr einer "Unschärfe". "Die NPD-Ausgrenzung hat funktioniert", sagte Molthagen. Die Herausforderung sei künftig, mit anderen Akteuren aus dem rechten Spektrum umgehen zu lernen, die als solche nicht eindeutig zuzuordnen sind.

Quelle: epd


Die Handreichung zum Download unter: www.fes-forumberlin.de