Sebastian Kriedel im Interview „Durch Stiften am Erhalt des Gemeinwesens teilhaben“

Sebastian Kriedel: "Es ist deutlich geworden, dass Stiftungen nicht nur was mit Geld, sondern vorrangig mit Ideen, Konzepten und ehrenamtlichen Engagement zu tun haben."

© kirche-mv.de/D. Vogel

14.11.2013 · Rostock/Schwerin. Am vergangenen Samstag fand im Rostocker Rathaus der MV-Stiftungstag statt. Die Kirche ist mit 60 von 160 Stiftungen im Nordosten einer der wichtigsten Akteure im Stiftungswesen des Landes. Oberkirchenrat Sebastian Kriedel, in der Schweriner Außenstelle des Landeskirchenamtes der Nordkirche zuständig für die kirchlichen Stiftungen in MV, berichtet im kirche-mv.de Gespräch vom Stiftungstag.

Wie steht es um das Stiftungswesen in MV im Allgemeinen?

Bundesweit existieren fast 20.000 rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts. Mecklenburg Vorpommern ist mit 160 Stiftungen Schlusslicht im deutschen Stiftungswesen. Bezogen auf 100.000 Einwohner sind das rund zehn rechtlich selbstständigen Stiftungen. Der Nordosten liegt damit vor Brandenburg (sieben Stiftungen pro 100.000 Einwohner) auf dem vorletzten Platz. Der Abstand zu den stiftungsstarken Ländern wird nicht kleiner sondern größer. Von bundesweit 645 Neugründungen im Jahr 2012 sind nur vier in MV errichtet worden. Alle 160 Stiftungen in MV haben zusammen geschätzt weniger Vermögen als die größte der 1000 Hamburger Stiftungen.

Welche Rolle spielt die Kirche im Stiftungswesen des Landes?

Von den 160 Stiftungen in MV sind 60 kirchlich. Diese Zahl verwundert nicht, weil es der Kirche in den Zeiten der Diktaturen gelungen ist, den Bestand der Stiftungsvielfalt in MV zu erhalten. Auch nach 1989 hat sich das kirchliche Stiftungswesen im gesellschaftlichen Umfeld als nachhaltig erwiesen. Neu errichtete kirchliche Stiftungen, die sich dem Bildungsauftrag und der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen verpflichtet haben, wie die Evangelische Schulstiftung, die Stiftung Theologisches Studienhaus Greifswald oder die Stiftung Sozial-Diakonische Arbeit im Kirchenkreis Mecklenburg sind Beispiele für Leuchttürme des kirchlichen Stiftungswesens.

Sie sprechen von Leuchttürmen des kirchlichen Stiftungswesens. Welche Stiftungen gibt es noch in MV und wie sind diese entstanden?

Wir unterscheiden die historischen Stiftungen, die ihre Rechtsfähigkeit bereits im Mittelalter über die Erweckungsbewegung im 19. Jahrhundert bis vor Beginn der Diktaturen im letzten Jahrhundert erlangt haben. Als älteste Stiftung kann dazu die Geistliche Stiftung St. Georg und St. Spiritus in Pasewalk genannt werden, deren Ursprünge bis ins 13. Jahrhundert zurückgehen. Zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert wurden in Mecklenburg ungefähr zehn Hospitalstiftungen von den Herzögen bzw. Großherzögen errichtet, die sich dem Kranken- und Siechenwesen widmeten und sich durch ein Stiftsgebäude und meist erheblichen ländlichen Grundbesitz bis heute ausweisen. Mit der Bewegung der inneren Mission wurden dann im 19. Jahrhundert die großen Diakonischen Stiftungen, wie z.B. die Anna-Hospital-Stiftung Schwerin, das Stift Bethlehem Ludwigslust, die Johanna-Odebrecht-Stiftung Greifswald, das Stralsunder Schwesternheimathaus oder der Michaelshof Rostock-Gehlsdorf gegründet. Seit den 1990er-Jahren kamen 20 kirchliche Stiftungen neu dazu.

Was hat der Stiftungstag aus ihrer Sicht gebracht?

Der Stiftungstag ist ein Forum für Kontakte und Netzwerkbildung über den eigenen Tellerrand hinaus. Rund 140 Teilnehmer kamen ins Rostocker Rathaus und nahmen an Podien und Workshops teil. Es ist deutlich geworden, dass Stiftungen nicht nur was mit Geld, sondern vorrangig mit Ideen, Konzepten und ehrenamtlichen Engagement zu tun haben. Dies ist in MV für alle Stiftungen und potentielle Stifterinnen und Stifter wichtig, weil wir hier keine nachhaltige Stiftertradition vorfinden. Sie wurde durch die beiden Diktaturen unterbrochen und muss sich erst neu entwickeln. Dazu sollen Stiftungstage wie dieser beitragen. Als Landesnetzwerk sind wir motiviert. Wir brauchen aber auch die Bereitschaft der vorhandenen Stiftungen und vieler ehrenamtlich Tätigen, sich in eine Gesprächskultur des Stiftens einzulassen. Dazu gibt es z.B. die Möglichkeit, sich als Stiftung im Netzwerk registrieren zu lassen und damit Anteil an der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung des Stiften-gehens zu nehmen. Das politische Umfeld bis hin zur Landesregierung hat sich sehr offen und einladend an diesem Tag präsentiert.

Sie wurden als Mitglied des Landesausschusses wiedergewählt. Was wollen Sie in den nächsten Jahren einbringen?

Der Landesausschuss hat sich für die nächsten zwei Jahre als Ziel gesetzt, die öffentliche Wahrnehmung der Stiftungsarbeit in Politik, Kirche und Gesellschaft deutlich werden zu lassen. Dazu ist ein parlamentarischer Abend in der Landesvertretung in Berlin geplant. Zudem bereiten wir den nächsten Landesstiftungstag vor. Mir liegt daran, dass Kirche dabei jeweils gut vertreten ist. Das Stiftungswesen in MV lebt auch zukünftig vom Mut einzelner Personen oder Personengruppen, die sich durch eigene Initiative einer guten Sache widmen und durch Stiften am Erhalt des Gemeinwesens teilhaben. Dies gilt im kirchlichen wie im weltlichen Bereich. Die Begleitung von Stiftungsinitiativen in unserem Land ist ein wesentlicher Beitrag der öffentlichen Hand, für den ich mich im evangelischen Bereich gerne weiter einbringen möchte.

Quelle: kirche-mv.de


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