Porträt Karla Podszus: „Ich habe so vieles noch nicht ausprobiert“

Von Sebastian Kühl

Karla Podszus vor ihrem selbstgemalten Lieblingsbild.

© PEK/S. Kühl

26.12.2013 · Barth. 36 Jahre war Karla Podszus als Kreiskatechetin und Religionslehrerin ständig auf Achse, doch auch heute, als nunmehr 70-jährige Ruheständlerin, ist sie ständig in Bewegung.

Wer sich im Haus von Karla Podszus umsieht, bemerkt hier und da kleine Gemälde an den Wänden. Es sind von ihr selbstgemalte Bilder. Fast immer sind es Stillleben, Blumen oder Landschaften, die sie auf die Leinwand bringt. „Die meisten Bilder, die ich male, verschenke ich. Aber einige, so wie dieses hier, behalte ich. Es ist eines meiner Lieblingsbilder“, sagt Karla Podszus und deutet auf ein Gemälde, das in ihrer Küche hängt. Es zeigt eine Schale mit Birnen und Äpfeln. Wie alle ihre Bilder ist es von akkurater Klarheit, jeder Strich ist wohlüberlegt.

Als Karla Podszus noch als Kreiskatechetin und dann als Religionslehrerin tätig war, konnte sie im Beruf ihre Kreativität ausleben. Im Ruhestand suchte sie sich die Malerei als Ventil für ihren Ideenreichtum. Denn Stillstand und Müßiggang sind ihre Sache nicht. An Ruhestand im Wortsinne denkt Karla Podszus keine Sekunde. Sie macht regelmäßig Yoga, ist Mitglied einer Walkinggruppe und so immer in Bewegung. Am 2. Dezember feierte sie ihren 70. Geburtstag. „70 ist genau wie 69“, kommentiert sie dieses Ereignis achselzuckend und mit einem schalkhaften Blitzen in den Augen.

Von Hamburg zurück in die pommersche Heimat

Geboren wurde Karla Podszus 1943 in Barth als Karla Grete Gerda Schuldt. Kurz bevor sie auf die Welt kam, war ihre ursprünglich aus Pommern stammende Familie aus Hamburg wieder in die alte Heimat gezogen. Der Vater war Seemann, die Mutter in Stellung bei einer wohlhabenden Hamburger Familie. Ein einschneidendes Erlebnis brachte sie dazu, die Hansestadt zu verlassen: „Bei einem Bombenangriff wurde meine Mutter, die mit mir schwanger war, verschüttet“, erzählt Karla Podszus. Nach der glücklichen Rettung aus den Trümmern fasste ihre Mutter den Entschluss, sich auf dem Land in ihrer pommerschen Heimat vor den Luftangriffen in Sicherheit zu bringen.

„Nur mit Handgepäck, mit meinen Geschwistern und mir kam meine Mutter in Barth an und fing wieder bei Null an. Mein Vater kam erst aus der Kriegsgefangenschaft zurück, als ich drei Jahre alt war.“ Allen Beschwernissen zum Trotz blieben ihre Eltern fest im Glauben und gaben ihn an ihre Tochter weiter. Zudem pflegten sie engen Kontakt zur Barther Kirchengemeinde. „Sie haben nicht viele Worte darüber verloren, dass da jemand zum Anlehnen ist, sondern ihren Kindern den Glauben vorgelebt“, beschreibt Karla Podszus die Glaubensvermittlung in ihrem Elternhaus.

„Ich bin oft heulend nach Rostock gefahren“

In Barth fühlte sich Karla Podszus wohl, ging gerne zur Schule. „Ich hatte eine Lehrerin, die in mir das Interesse an Geschichte weckte. Der Unterricht bei ihr war toll. Außerdem wusste ich schon früh, dass ich beruflich gern mit Kindern arbeiten wollte. Also sagte ich mir nach meiner Schulzeit: Wirst du eben Lehrerin. So begann ich, in Rostock Deutsch und Geschichte zu studieren.“ Doch schnell merkte sie, dass das nicht ihr Weg war. „Ich war da fehl am Platze“, sagt sie über die Zeit an der Universität. „Was wir dort studierten, das war nicht Geschichte, das war nur Marxismus-Leninismus.“ Aber sich verbiegen für eine Ideologie oder so tun als ob, das waren für Karla Podszus keine Optionen. „Ich hätte mich doch niemals vor die Kinder stellen und ihnen etwas sagen können, an das ich nicht glaube“, sagt sie aus tiefster Überzeugung.

Der Widerspruch zwischen dem, was sie für richtig hielt und dem, was sie lernen und lehren sollte, zehrte an ihr. „Ich bin oft heulend nach Rostock gefahren“, erzählt sie. Halt und Unterstützung habe sie in dieser Zeit in der Rostocker Studentengemeinde gefunden. Nach zwei harten Semestern gab sie schließlich auf. „Um aus dem Studium herauszukommen, habe ich absichtlich eine Prüfung verbockt“, sagt sie schmunzelnd. Unmittelbar nach dem Studienabbruch wechselte sie zum Sozialkirchlichen Dienst nach Greifswald.

Als Katechetin nach Medow

Nach dreijähriger Ausbildung ging sie mit ihrem Mann, Pastor Jürgen Podszus, als Katechetin nach Medow. Kennengelernt hatte sie ihn bereits als Schülerin. „Die Schwester meines Mannes war in meiner Klasse. Sie lud mich in den Ferien zu sich nach Hause ein, wo ich meinen zukünftigen Mann kennenlernte.“ Er studierte damals am Leipziger Missionshaus und kam regelmäßig in die pommersche Heimat. Im Jahr 1966 heirateten sie, zogen gemeinsam drei Töchter groß. Alle drei wurden Krankenschwestern.

1981 wurde ihr Mann Superintendent und sie zogen zurück in ihren Geburtsort Barth. Hier arbeitete sie als Bereichskatechetin und war vor allem im Vertretungsdienst und bei Vakanzen im Einsatz. „Ich war immer auf Achse und habe viele Leute kennengelernt. Die Arbeit mit den Kindern war meine Welt“, strahlt Karla Podszus. Es waren glückliche Jahre, die vom Tod ihres Mannes 1994 überschattet wurden. Trost fand sie in ihrem festen Glauben und in ihrer Familie.

Als Religionslehrerin Spuren hinterlassen

Mit der Wende kam die große berufliche Unsicherheit. „Auch ich habe damals ganz schön Muffensausen gehabt“, gibt Karla Podszus zu. Es habe ja niemand gewusst, wie es nun weitergehen würde. Doch für sie sei es dann erst richtig losgegangen. Sie ergriff die Initiative, machte ihren Abschluss als Religions-Pädagogin und unterrichtete Religion in insgesamt fünf Schulen. Die Kinder liebten ihren Unterricht, besuchten sie sogar zu Hause. Im Jahr 2003 erlitt sie einen Schlaganfall, von dem sie sich zwar wieder erholte, der sie jedoch in den Vorruhestand zwang.

In ihren 36 Jahren als Katechetin und als Religionslehrerin hat Karla Podszus im Leben zahlreicher Menschen Spuren hinterlassen. Noch heute bekommt sie regelmäßig Besuch von ehemaligen Schülern. „Ich habe gute Erfahrung mit dem Schuldienst gemacht“, sagt sie. „Die Kinder waren unvoreingenommen. Ich merkte, dass sie neugierig waren. Sie fragten mich einfach: Glauben Sie an Gott? Und ich sagte ihnen, dass Millionen Menschen auf der ganzen Welt beten und vermittelte ihnen so Toleranz.“

Skeptische Eltern seien ihr häufig begegnet, die Kinder dagegen waren immer offen und neugierig. Diese grundlegende Neugier hat Karla Podszus mit den Kindern gemeinsam. Sie hat sie sich auch im Alter bewahrt. „Ich möchte noch so viel machen, was liegengeblieben ist“, sagt die vierfache Großmutter und schmiedet schon wieder Pläne: „Ich habe so vieles noch nicht ausprobiert.“

Quelle: PEK