Der Altaraufsatz der Loitzer Marienkirche

Der Altaraufsatz der Loitzer Marienkirche

 

Kunstwerke in Kirchen unterliegen der Veränderung. Die Ausstattung ist oft über Jahrhunderte „gewachsen“, hat in Kriegszeiten gelitten, wurde wiederhergestellt und unterlag Renovierungen im jeweiligen Zeitgeschmack.

Mitunter sind an einem Werk heute mehrere Zeitschichten erfahrbar – so auch am 1999 restaurierten Loitzer Altar.

 

Im Oktober 1723 soll der Loitzer Amtmann Schulmann erste Absprachen mit dem „Bildhauer in Stralsund“ für einen neuen Altaraufsatz getroffen haben.

Bei „dem Bildhauer in Stralsund“ handelte es sich um Elias Keßler – zweifellos der bedeutendste seiner Zunft in der Stadt am Sund in jenen Jahren. Die zahlreichen Werke Elias Keßlers in Vorpommern vermitteln noch heute das Bild einer barocken Blütezeit, die bisher wenig wahrgenommen wird. Man spricht hierzulande viel von der Backsteingotik und der Malerei der Romantik, Skulptur und Malerei des Barock hingegen werden erst nach und nach entdeckt.

Aufgerichtet wurde das neue Altarretabel am 20. Juni 1725. Der architektonische Aufbau besteht aus Kiefernholz, die Skulpturen (unten die vier Evangelisten, auf dem Gebälk Engel und als Bekrönung der auffahrende Christus) und die Ornamente wurden in Keßlers Werkstatt aus Linde geschnitzt. Der kunsthistorisch Bewanderte wird vielleicht bemerken, dass einige der heute am Retabel sichtbaren Ornamente später entstanden sein müssen.

Sie gehören wie auch die Gemälde des Altars einer zweiten „Zeitschicht“ an. Nachdem die Kirche ab 1807 von in Loitz einquartierten französischen Soldaten als Magazin missbraucht worden war, ging man unter Leitung des als Lehrer Caspar David Friedrichs bekannten Greifswalder Architekten und Akademischen Zeichenlehrers Johann Gottfried Quistorp (1755-1835) in den Jahren 1810/11 an eine Renovierung. Einige nach damaligem Geschmack „höchst überflüssige Verzierungen“ am Altar wurden von dem Stralsunder Bildhauer Altendorff entfernt bzw. durch solche nach Quistorps Entwürfen ausgetauscht. Ursprünglich hatte das Gebälk einen barocken gesprengten Giebel mit einer Glorie im Zentrum (vgl. u.a. die Altarretabel in Lassan, Semlow, Sagard, Reinkenhagen). Auf den Giebeln lagerten weitere Engel, der Umriß des Altaraufsatzes dürfte von geschnitzten Akanthuswangen belebt gewesen sein. Wir haben es also in Loitz mit einer klassizistischen Reduzierung und Beruhigung eines barocken Werkes zu tun.

Die neuen Altarbilder – im Hauptfeld die Grablegung Christi und im Auszug die Verklärung - schuf der seinerzeit in der Familie des Loitzer Präpositus Joachim Friedrich Barkow als Hauslehrer angestellte Anton Heinrich Gladrow. Die Vorlage für das Verklärungsbild im Auszug – einen kolorierten Stich nach Raffael – hatte Quistorp selbst „nach vielen Herumforschen“ für Gladrow besorgt.

Gleichzeitig bekam der so umgebaute Altaraufsatz durch den Loitzer Malermeister Cartsburg einen neuen Anstrich in klassizistischer Manier: weiß mit blau abgesetzten Spiegeln und vergoldeten Ornamenten.

Bei späteren Renovierungen folgte eine Holzlasur mit partiellen Vergoldungen (vgl. etwa die Fassung des Rokokoaltars in Reinkenhagen aus dem 19. Jh.), 1906/07 eine schon damals von Seiten der Denkmalpflege kritisierte gelbliche Fassung und schließlich 1944 eine polychrome Neufassung durch den Kirchenmaler Gustav Hoffmann aus Stettin-Finkenwalde in den für Hoffmann typischen stumpfen, ins Grau gebrochenen Farben.

Bei der 1999 erfolgten Restaurierung entschloss man sich zu einem Kompromiss: im wesentlichen wurde die klassizistische Fassung in weiß, blau und gold rekonstruiert, bei den Säulen dagegen stimmte die Gemeinde dafür, die sehr qualitätvolle barocke Marmorierung freilegen zu lassen. Somit wird auch in der heutigen farbigen Fassung das historisch Gewachsene des Loitzer Altaraufsatzes erfahrbar.

 

Fotos und Text: © Detlef Witt

witt.detlef(at)web.de