Theologie studieren – warum? Mit vielen Fragen ins Studium - Was junge Menschen an die Theologischen Fakultäten in MV geführt hat

13.11.2016 · Rostock/Greifswald. Über 260 junge Menschen haben sich in Mecklenburg-Vorpommern zum Wintersemester an den Theologischen Fakultäten eingeschrieben. Was reizt junge Menschen heute am Theologie-Studium? Was bedeutet ihnen der Glaube? Und wie wollen sie später arbeiten? Studierende aus Rostock und Greifswald geben Antworten.

Neele Stehr

Dieses Gesicht dürfte Ihnen schon einmal begegnet sein. Vielleicht nicht persönlich, aber schauen Sie doch nochmal in Ihre Kirchenwahlbenachrichtigung: Dort finden Sie Neele Stehr, 20, aus Lübeck. An der Universität Rostock studiert die junge Frau jetzt Religion und Deutsch auf Lehramt für Regionalschulen. „Mein Freiwilliges Soziales Jahr an St. Jürgen in Lübeck hat mir so viel Spaß gebracht, dass ich diese Erfahrung einfach weitergeben möchte“, erzählt sie. „Und ich habe erlebt, wie Kinder und Jugendliche Kirche wahrnehmen.“ Die Schule spiele da leider kaum eine Rolle, eher komme der Kontakt über Jugendfreizeiten oder den Konfirmandenunterricht zustande. „Das möchte ich als Religionslehrerin gern ändern und den Kindern auch im Raum Schule mehr Kirche vermitteln.“ In der Lübecker Domgemeinde fühlt sich Neele Stehr zu Hause, aber in Rostock hat sie dennoch sofort ankern können, sagt sie. „Es liegt im Norden. Und am Meer!“

Felix Seidel

Diplomtheologe Felix Seidel, 29, hat früher ebenfalls an der Theologischen Fakultät in Rostock studiert. Heute arbeitet er hier als Dozent und untersucht in einem Promotionsprojekt das Verhältnis von Protestantismus und Nationalsozialismus in Mecklenburg. Einmal wöchentlich führt er vor allem Erstsemester in Fragen und Arbeitstechniken der Kirchengeschichte ein. Gefragt, wie seine „Erstis“ denn so seien, antwortet er: „Sie wirken sehr motiviert und interessiert – auch wenn die ersten Wochen des Studiums immer von vielen organisatorischen Fragen bestimmt werden.“

Ayla Schwartkop

Ayla Schwartkop hat es wie Neele Stehr aus der Lübecker Domgemeinde nach Rostock verschlagen. Sie studiert hier „Religion im Kontext“ auf Bachelor, als Zweitfach neben Politikwissenschaften. In ihrer Heimatgemeinde war sie in der Jugendarbeit aktiv, begleitete Konfirmandenfahrten, wirkte im Gottesdienst mit. „Diese Arbeit war mir immer wichtig“, sagt sie. „Aber deswegen Pastorin werden? Ich war mir ja nicht mal sicher, ob ein Studium überhaupt etwas für mich ist!“ Eine Nordkirchenveranstaltung für Studieninteressierte überzeugte sie schließlich doch. „Politik fasziniert mich, und der Glaube ist mein Rückzugsort“, erklärt Ayla Schwartkop. „Meine Begeisterung für beides wollte ich mit ins Studium nehmen. Denn ich habe auch viele kritische Fragen, die mich manchmal zweifeln lassen.“ Nach dem Abitur hatte Ayla Schwartkop im Rahmen eines Auslandsaufenthalts bei der türkischen gemeinnützigen Organisation „International Women of Istanbul“ gearbeitet. Dort wurden ihre Fragen ganz konkret. „Ich konnte mitverfolgen, wie die türkische Demokratie entwertet wird und welche Rolle die Religion bei diesem Prozess erhält“, erzählt sie. „Zeitgleich sah ich von außen auf die Geschehnisse in Deutschland, als sich die Flüchtlingssituation zuspitzte und auch hier religiöse Argumente in den Diskurs einzogen.“ Eingreifen und mal eben die Welt retten – das wäre zwar ihr Wunsch. „Aber man muss erstmal in der Lage sein, Unterschiede zu verstehen und Begriffe zu füllen, um Wechselwirkungen von Politik und Religion nachvollziehen zu können.“ Ihre Fächerwahl werde von anderen manchmal belächelt. Ihr selbst werde aber immer klarer, dass sie damit auf dem richtigen Weg sei, sagt die 21-Jährige.

Tom Pretschner

„Lange Zeit habe ich gedacht, beten könnte man nur im Gottesdienst. Als Kind bin ich getauft worden, aber ich war selten in der Kirche und habe mich nie gefragt, ob es Gott wirklich gibt. Mit 18 bin ich dann auf eine Sommerfreizeit des Greifswalder Jugendpfarramts gefahren und habe zum ersten Mal gehört, dass Gott ein persönlicher Gott sei, der Kontakt zu allen Menschen wolle, und dass ich ihn direkt ansprechen könne. So zu beten, war für mich eine Entdeckung. Dann habe ich angefangen, Deutsch und Geschichte auf Lehramt zu studieren und mich in der Kirche zu engagieren. Inzwischen kann ich mir nicht mehr vorstellen, mein Leben in der Schule zu verbringen, ich studiere jetzt evangelische Theologie auf Pfarramt. Anderen Menschen davon zu erzählen, dass sie Gott kennenlernen können, ist mir ein Herzensanliegen. Und unsere Landeskirche braucht junge, engagierte Pastoren!“

Andreas Heinz

„Ich hätte nie gedacht, dass ich mit 33 noch mal an die Uni gehe. Aber eines Morgens bin ich aufgewacht mit dem Gedanken, ich sollte Theologie studieren, und dieser Gedanke hat mich nicht mehr losgelassen. Ich bin Methodist und gelernter Industriekaufmann, habe Wirtschaft studiert und schnell Karriere gemacht: In Frankfurt am Main bin ich direkt in die Leitungsebene eines Unternehmens eingestiegen. Drei Jahre lang habe ich dort gearbeitet, hatte ein enormes Pensum. Bis ich dachte: Es muss noch etwas anderes im Leben geben. Weniger zu arbeiten, war mit meinem Posten aber nicht zu vereinbaren, also habe ich eine selbständige Unternehmensberatung gegründet. Und dann kam dieser innere Ruf. Dass ich nun an der Uni studiere und nicht an einer FH oder Bibelschule wie andere Methodisten, liegt daran, dass ich wissenschaftlich herangehen möchte. Die Greifswalder Hochschule hat zudem einen guten Ruf und die Stadt hat mir sofort gefallen, im Sommer jedenfalls... Nach dem Studium will ich in die Diakonieleitung gehen oder eine Ethikberatung gründen. Immer mehr Unternehmen machen sich ja Gedanken darüber, was im Geschäftsgebahren ethisch vertretbar ist und was nicht. Das wäre dann mein Gebiet.“

Tabea Jahreiß

„Meine Eltern haben mich gewarnt: ‚Willst du wirklich Pfarrerin werden? Wir trauen dir das zu, aber es ist ein schwieriger Beruf!‘ Das stimmt natürlich, die Trennung von Beruf und Privatleben ist nicht ganz einfach, aber dafür kann man Lösungen finden. Und ich weiß sehr gut, worauf ich mich einlasse, mein Vater ist auch Pfarrer. Trotzdem habe ich gezögert. Nach der Schule bin ich erst mal in die Krankenpflege gegangen. Aber der Pfarrberuf ist so vielseitig, das Studium auch. Ich interessiere mich für Menschen, Geschichte und theologische Fragen. Und ich hoffe, dass es mir später als Pastorin gelingt, besonders für die Menschen am Rand der Gesellschaft da zu sein.“


Info

Über 560 Studenten sind derzeit für evangelische Theologie an der Uni Rostock immatrikuliert. Über 280 von ihnen studieren auf Magister oder Diplom, die anderen auf Pfarramt oder Lehramt. Außerdem gibt es elf Doktoranden an der Fakultät.

106 junge Menschen haben sich zum Wintersemester an der Universität Greifwald neu für Theologie eingeschrieben, 21 von ihnen auf Pfarramt. Damit gibt es 411 angehende Pfarrer, Relilehrer und Magister-Theologen an der Hochschule - etwa so viele wie 2015.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung (sym/skm/dav)