Festgottesdienst in Ratzeburg zur Gründung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in NorddeutschlandNah bei den Menschen – Feuer und Flamme für Gottes Geist

27.05.2012 | Ratzeburg (cme/fz/ak). Segel für die Nordkirche setzen und Feuer und Flamme für Gottes Geist sein – diesen inhaltlichen Bogen hat der festliche Gottesdienst zur Gründung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland am heutigen Pfingstsonntag (27. Mai 2012) in Ratzeburg gespannt. Den ganz besonderen Geburtstag feierten 700 Gäste im Dom, darunter Bundespräsident Joachim Gauck und die Regierungschefs aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Hunderttausende Gäste und Fernsehzuschauer verfolgten auf dem Rathausplatz und am Bildschirm zu Hause den von der ARD live übertragenen Festgottesdienst.

 

Gemeinsam mit Bischöfin Kirsten Fehrs (Sprengel Hamburg und Lübeck) und den Bischöfen Dr. Hans-Jürgen Abromeit (Mecklenburg und Pommern), Gerhard Ulrich (Schleswig und Holstein), Dr. Andreas von Maltzahn (Mecklenburg und Pommern) sowie dem Bischofsbevollmächtigten Gothart Magaard gestalteten 80 Mitwirkende aus der bisherigen nordelbischen, der mecklenburgischen und der pommerschen Kirche den Beginn des bunten Festtages.

 

„Segel setzen heißt das Motto dieses Gründungsgottesdienstes“, begrüßte Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit die Gottesdienstgemeinde und ergänzte: „An Bord eines Schiffes ist das ein Kommando. Heute ist es eine Einladung an alle.“ Der Bischof rief zum Mit-Machen und Mit-Ziehen auf. So werde „Gottes Geist das Nordkirchen-Schiff bewegen“.

 

Um das Pfingstwunder, die Ausgießung des Heiligen Geistes, und um die Aufgabe der Kirche heute ging es in den beiden Predigtteilen:

 

Bischof Dr. Andreas von Maltzahn plädierte dafür, auch als Kirche die Demokratie zu stärken und zugleich auf Gerechtigkeitslücken in der Gesellschaft hinzuweisen. Kirche muss nach seinen Worten, „den Finger in die Wunde legen“. In diesem Zusammenhang erinnerte der Bischof an den Herbst 1989: „Wir haben damals entdeckt: ,Wir sind das Volk!’ Und wir haben damit eine eigene Sprache gefunden. Wir haben das bleierne Kleid der Unfreiheit abgestreift, denn wir hatten einen geschichtlichen Moment lang verstanden, wie Gott uns gemeint hat. Seitdem wissen wir: Die Verhältnisse müssen nicht bleiben, wie sie sind.“

 

Von Maltzahn rief seine Kirche dazu auf, „Platzhalter solcher Hoffnung zu sein“. Im Blick auf die Nordkirche fügte der Bischof hinzu. „Wir erfinden Kirche nicht neu, aber wir wollen dem Geist der Erneuerung Raum geben. Und das heißt unbedingt auch: Wir wollen die Sprache derer verstehen lernen, die ohne Gott leben – und wollen lernen, in ihrer Sprache von Gott zu reden. Ein Leben ohne Gott ist für viele Menschen im Osten Deutschlands seit Generationen normal. Man kann das beklagen. Man kann sich aber auch dieser Herausforderung stellen – hungrig danach zu verstehen, was Menschen zu Gott führen könnte und was sie daran hindert.“

 

Für Bischof Gerhard Ulrich ist der Zusammenschluss der drei Kirchen auch eine Folge der friedlichen Revolution, „die die Zäune niedergebrochen hat und die Mauer. Die die Sehnsucht nach Freiheit umgewandelt hat in den Mut, das Getrennte zusammenwachsen zu lassen.“ Die Kirchenfusion sei so gesehen ein Lernen hin zum Verstehen gewesen, durch das Vorurteile geschwunden seien. Denn die Partner hätten „auf das gemeinsame Neue mit den Augen der je anderen geschaut“, sagte Bischof Ulrich. Pfingsten sei das Fest des göttlichen Geistes, „der nicht den Anschluss sucht, sondern alles neu machen hilft; der Vertrauen setzt gegen die Angst, verloren zu gehen. Nicht ein Geist der Einfalt, sondern ein Geist der Vielfalt, die nicht bedroht, sondern reich macht“, so Bischof Ulrich.

 

In Bezug auf die neue Nordkirche sei klar: „Wer auf dem Sprung ist aus Vertrautem, aus Bestehendem, wer abspringt, der ist für eine Weile mit beiden Beinen in der Luft, haltlos, angewiesen auf Vertrauen, dass die Landung gelingt. Wir sind aufgebrochen aus Vertrautem. Nichts ist mehr wie vorher. Und doch: Wir sind gelandet auf gutem Grund nach Anlauf und Absprung. Es gibt einen Grund, der gelegt ist: Und das ist Christus. Eine Kirche werden wir sein: Unterwegs die Verschiedenen, Feuer und Flamme für Gottes Geist.“

 

Mit einer Erklärung (Wortlaut siehe unten), die alle fünf bischöflichen Personen sprachen, und dem nizänischen Glaubensbekenntnis* wurde die Gründung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland feierlich vollzogen. Zwei Tänzerinnen und ein Tänzer setzten diese Verbindung symbolisch mit einer Segelperformance in Szene. Als zum Ende des Gottesdienstes gemeinsam „Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt“ gesungen wurde, war ein Stück Geschichte der evangelisch lutherischen Kirche und Norddeutschlands geschrieben.

 

Wortlaut der Erklärung zum feierlichen Gründungsakt und Einleitung zum

Glaubensbekenntnis:

Bischof Abromeit:

Im Brief an die Epheser werden wir daran erinnert, in Einigkeit zu leben. Zur EINER Hoffnung sind wir berufen - als EIN Leib und EIN Geist. Denn es ist EIN Herr, EIN Glaube, EINE Taufe. Durch die eine Taufe gehören wir zur einen Kirche Jesu Christi.

 

Bischofsbevollmächtigter Magaard:

Im Vertrauen auf Gott und zur Erfüllung ihres Auftrages schließen sich die Evangelischlutherische Landeskirche Mecklenburgs, die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche und die Pommersche Evangelische Kirche zu einer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland zusammen. Der Abschied von ihrer bisherigen Kirche fällt manchem unter uns schwer.

 

Bischöfin Fehrs:

Die drei Kirchen bringen ihre Geschichte und ihre Erfahrungen mit. Das kann die Gemeinschaft bereichern. In der Verfassung ist der Grund unseres Glaubens so beschrieben:

„Die Kirche gründet in dem Wort des dreieinigen Gottes. Gerufen von diesem Wort bekennt sich die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland zu dem Evangelium von Jesus Christus,

 

Bischof von Maltzahn:

wie es im Zeugnis der Heiligen Schrift des Alten und Neuen Testaments gegeben, in den altkirchlichen Bekenntnissen und in den lutherischen Bekenntnisschriften ausgelegt ist, und wie es aufs Neue bekannt worden ist in der Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland hat den Auftrag, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen und Jesus Christus als ihren einzigen Herrn zu bekennen.“

 

Bischof Ulrich:

Zu EINEM Glauben sind wir berufen. Denn EIN Gott und Vater aller ist über allen und durch alle und in allen. In Verbundenheit mit den Christinnen und Christen in der ganzen Welt bekennen wir gemeinsam unseren Glauben an den dreieinigen Gott mit den Worten des nizänischen Glaubensbekenntnisses*.

 

* Das Nicaenum ist ein Glaubensbekenntnis, das auf dem Konzil von Nicäa 325 n. Chr. beschlossen wurde und 381 in Konstantinopel seine abschließende Fassung erhielt. Es wird in der evangelischen Kirche üblicherweise nur an hohen Festtagen wie Ostern und Pfingsten gebetet.