Nordkirchen-Kunstwettbewerb Bischof Jeremias: "Kunst ist wichtig, um aus der Erstarrung herauszufinden“

„Dystanz“: Aus der Arbeit von Shirin Goldstein und MarcW1353L – Preisträger beim Nordkirchen-Kunstwettbewerb

26.01.2021 · Greifswald/Kiel/Schwerin/Ückeritz. Bernd Engler (Ückeritz bei Demmin) und die Teams Shirin Goldstein (Schwerin)/Marc Wiesel alias W1353L sowie Achim Kirsch (Windeby)/Stina Kurzhöfer (Kiel) sind die Preisträger des ersten Kunstwettbewerbs der Nordkirche. Sie erhalten jeweils 2000 Euro. Den mit 1000 Euro dotierten Sonderpreis der Jury erhält die Kielerin Lisa Hoffmann.

60 Künstlerinnen und Künstler aus dem Gebiet der Nordkirche ließen sich von dem Motto „Von der Kunst die Krise zu deuten“ inspirieren und reichten Zeichnungen, Gemälde, Installationen, Videos und Audiofiles ein. Heute Vormittag vergab die Jury bei einer digitalen Feier die Preise.
 
Jurymitglied Tilman Jeremias sprach bei der Preisverleihung eine Laudatio. Dabei dankte der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern den Organisatoren und Künstlerinnen: „Ich bin begeistert von der Vielzahl der Einsendungen und der breiten Palette an künstlerischen Ausdrucksformen, die sich alle auf einzigartige Weise mit der aktuellen Coronakrise auseinandersetzen. Als wohltuend in dieser Zeit empfand ich die spielerischen und humorvollen Ansätze vieler Kunstwerke. So haben gleich zwei unserer Preisträger das Thema als eine Art Tanz umgesetzt. Die Einsendungen haben uns als Jury gezeigt, wie wichtig Kunst ist, um aus der Erstarrung herauszufinden.“
 
Hoffnung überwiegt

Die Initiatorin des Wettbewerbs, Anna Luise Klafs, freut sich über die große Resonanz. „Am 31. Dezember, unserem Einsendeschluss, gingen noch bis 23 Uhr die letzten Kunstwerke ein“, erzählt sie lachend. Die Studienleiterin der Nordkirche (www.kulturhimmel.de) hat Theologie und Musiktheater studiert. Sie erzählt von den Abstimmungen innerhalb der Jury, die sich aus Theologen und Künstlerinnen zusammensetzte: „Für uns kristallisierte sich bald ein wichtiger Unterschied zwischen Kunst und Religion heraus: Religion ohne Trost wäre trostlos, doch Kunst ist nicht darauf angewiesen, Trost zu spenden, sie ist da freier.“ Obwohl die Künstlerinnen und Künstler das Thema Coronakrise durchaus ernst genommen hätten, seien die Einsendungen nicht deprimierend. Anna Luise Klafs: „Bei den meisten Beiträgen überwiegt die Hoffnung. Viele spielen mit den Polaritäten, die diese Krise mit sich bringt – etwa Schutz und Abgrenzung, Nähe und Distanz, Hilflosigkeit und Kreativität“.
 
Während Bischof Jeremias eine theologisch begründete Laudatio hielt, sprach Susanne Burmester als Laudatorin mit künstlerischem Hintergrund. Als Galeristin, Kuratorin und künstlerische Leiterin des Rügener Kunstvereins CIRCUS EINS ist ihr die Situation der Künstler vertraut: „Die meisten bildenden Künstlerinnen und Künstler arbeiten mehr oder weniger am Existenzabgrund und leben prekär. Das hat sich durch die aktuelle Krise nicht verändert. Allerdings gibt es ein großes Unverständnis dafür, dass Museen und Kunstvereine nicht öffnen können. Dass Kunst als nicht systemrelevant und zu den Freizeitaktivitäten gezählt wird, sagt viel darüber aus, welchen Stellenwert Kultur für uns hat.“
 
Kunst öffnet Raum für Fragen

Ein Wettbewerb, wie ihn die Nordkirche veranstaltet hat, sei derzeit umso wichtiger: „Schon das Motto formuliert positiv, dass Künstlerinnen und Künstler etwas beitragen können. Man vertraut auf ihre Erfahrung und wünscht ihre Expertise für die Gesellschaft, um Krisen zu deuten.“ Susanne Burmester ist davon überzeugt, dass Künstlerinnen und Künstler einen einzigartigen Beitrag zum Umgang mit Corona liefern können: „Die Kunst hält die Ambivalenzen, das Unfertige aus. Sie will keine Antworten liefern, sondern öffnet den Raum für Fragen.“
 
Im Februar wird die Nordkirche einen Zusammenschnitt aller Einsendungen auf youtube veröffentlichen. Die Kunstwerke sollen ab dem Sommer nordkirchenweit in verschiedenen Kirchen ausgestellt werden.

Informationen zu den Preisträgern und deren Werken:
 
„Kinetisches Objekt: WARTEN AUF OSTERN“: Bernd Engler
 
Bernd Engler, Gutshaus Ückeritz bei Demmin
1959 in Güstrow geboren, studierte Malerei und Grafik Halle/Burg Giebichenstein. Seit 1986 ist er freischaffender Künstler mit wiederkehrenden Lehraufträgen am Greifswalder Caspar David Friedrich Institut der Universität Greifswald. Zahlreiche prämierte Arbeiten im öffentlichen Raum.
 
„Dystanz“: Shirin Goldstein und Marc W1353L
 
Shirin Goldstein, Schwerin
1985 in Schwerin geboren lebt und arbeitet in Schwerin und Leipzig. 2019 hat sie an der Universität Greifswald ihr Examen in Bildender Kunst und Anglistik gemacht.
 
Marc W1353L (Marc Wiesel), Wismar
Architekt, Jahrgang 1973, lebt und arbeitet in Wismar und Bonn. Sein Schwerpunkt ist multimediale Konzeptkunst.
 
„Dystanz - eine multimediale Rauminstallation“ besteht aus einem Fototableau, Spiegeln und einem NATO-Draht. Zitat: „Das Wort Dystanz steht für Distanz, also eine Entfernung und Zurückhaltung und unterteilt sich dabei in die pathologische Vorsilbe dys- und das Wort Tanz(…) Die Überlagerungen der Fotografien zeigen die Kraft, die entsteht, wenn Zusammensein im Geiste stattfindet.“

„Sie tanzen“: Achim Kirsch und Stina Kurzhöfer
 
Achim Kirsch, Windeby
Jahrgang 1973, ist seit 1997 freischaffend künstlerisch mit Malerei/Fotografie/Trickfilm tätig. Davor Studium der Philosophie, Germanistik und Kunst u.a. an der KHM, Kunsthochschule für Medien in Köln.
 
Stina Kurzhöfer, Kiel
Jahrgang 1980, ist Fotografin und hat u.a. Freie Kunst studiert an der Muthesius-Kunsthochschule in Kiel (Master of Fine Arts; performative Installationen).
 
Der preisgekrönte Beitrag ist eine multimediale, performative Installation mit 12 Beamern, Saugrobotern und Animationen, die eine virtuelle Tanzchoreographie erlebbar machen.
 
„Covid 19 Woche 0-VI“: Lisa Hoffmann – Sonderpreis der Jury
 
Lisa Hoffmann, Kiel
Geboren 1989, nach ihrem Examen als Fotodesignerin studierte sie in Kiel und Den Haag und machte ihren Master of Fine Arts an der Kieler Muthesius-Kunsthochschule.
 
„Covid 19 Woche 0-VI“ ist ein siebenteiliger Archival Pigment Print. Jedes Bild besteht aus mehreren hundert übereinandergelegten Bildern, die in der jeweiligen Woche weltweit in den Medien veröffentlicht wurden.
 
Zitat: „Wir haben uns an die seit Jahrzehnten etablierten Bildkonzepte und Dokumentar-Strategien gewöhnt. Diese Gewöhnung führt zur Abstumpfung, und letztlich durch die Menge an täglich veröffentlichten und konsumierten Bildern, so die Annahme, zu einer Passivität der Wahrnehmung. In ihrer rechenbasierten Praxis sucht Lisa Hoffmann nach neuen künstlerischen Dokumentarpraktiken, die zu einer Re-Aktivierung der sinnlich ästhetischen Wahrnehmung führen.“

Quelle: Bischofskanzlei Greifswald (ak)