Nach Antijudaismus-Vorwürfen Altbischof Abromeit: Im Nahost-Konflikt beide Seiten hören

Altbischof Hans-Jürgen Abromeit

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

25.01.2021 · Greifswald/Berlin. Wer sich für Palästinenser oder palästinensische Christen einsetzt, kommt leicht in den Verdacht, gegen Israel zu sein. Der Greifswalder Altbischof Abromeit rät, beide Parteien zu sehen. Nur so könne zur Entspannung des Konflikts beigetragen werden.

Der Berliner Jerusalemsverein wehrt sich entschieden gegen Vorwürfe, antijudaistische oder gar antisemitische Tendenzen zu unterstützen. "Zu keiner Zeit hat es auf der Website des Jerusalemsvereins Inhalte gegeben, die einen solchen Vorwurf rechtfertigen würden", sagte der Vorsitzende und frühere Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Nordkirche, Hans-Jürgen Abromeit, in Greifswald. Er reagierte damit auf Kritik an der Weiterleitung eines "Weihnachtsaufrufs aus Bethlehem 2020" der Kairos-Palästina-Bewegung. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und das Berliner Missionswerk hatten Anfang Januar Anstoß unter anderem an darin enthaltenen Aufrufen zu Wirtschaftssanktionen gegen Israel genommen.

Die kurzzeitige Verlinkung des Weihnachtsaufrufs der Kairos-Kampagne auf der Homepage des Jerusalemsvereins bedeute auch im juristischen Sinne nicht, "dass man sich mit allen Inhalten, die durch diesen Link erreichbar sind, identifiziert", betonte Abromeit. So habe er sich von dem Boykott-Aufruf und entsprechenden Aussagen der damit verbundenen israelkritischen BDS-Bewegung bereits wiederholt distanziert. Das Ziel von "Kairos Palestine" sei keinesfalls die Vernichtung Israels, sondern eine gerechte Versöhnung "für beide Seiten". Die Bewegung schließe zudem alle bedeutenden Theologen und Kirchenleiter in Palästina ein.

Wer wie der Jerusalemsverein die Interessen der arabischen Christen vertrete, könne nicht an der Kairos-Bewegung vorübergehen, so Abromeit: "Das bedeutet nicht, alle Positionen unserer Partner und Geschwister kritiklos zu übernehmen." Verbundenheit bedeute hier, einen kritischen Dialog zu führen, der Übereinstimmung und Widerspruch mit einschließe. Der Jerusalemsverein wisse sich gebunden an entsprechende Stellungnahmen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.  

Spannungen aushalten

Abromeit warnte davor, sich nur einseitig über den Nahost-Konflikt zu informieren: "Wenn wir die Stimme derer hören, die vor Ort selbst betroffen sind, dann kommt man zu einem sehr differenzierten Bild." Leider gebe es mit Blick auf Israel eine Spaltung: "Die einen haben die berechtigten Interessen Israels vor Augen und blenden die Palästinenser und ihre berechtigten Interessen aus. Das gibt es auf der anderen Seite genauso." Der Theologe rief dazu auf, beide Parteien zu sehen und die damit verbundenen Spannungen auszuhalten. "Wenn man sich nur auf eine Seite schlägt, dann trägt man nicht zu einer Entspannung des Konflikts bei, wobei unsere Möglichkeiten von Deutschland aus sowieso sehr beschränkt sind", bekräftigte er.

Die palästinensische Führung habe in den vergangenen 20 Jahren leider darin versagt, das Land aufzubauen und ein funktionierendes Staatswesen zu schaffen, räumte Abromeit ein, der selbst Vikar in Jerusalem war. Allerdings sei es ihr auch durch verschiedene israelische Regierungen und durch die Aufteilung des Westjordanlands schwer gemacht worden. Zum Teil seien an die Stelle der palästinensischen Führung zivilgesellschaftliche Organisationen getreten, mit denen auch der Jerusalemsverein in Verbindung stehe. "Diese gelte es zu unterstützen, denn sie helfen, konstruktiv Frieden zu bauen", bekräftigte Abromeit.

"Tendenziös und nicht repräsentativ"

Vor der EKBO und dem Berliner Missionswerk, zu dem der Jerusalemsverein gehört, hatte der frühere Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) den Kairos-Weihnachtsaufruf als in Teilen antijudaistisch kritisiert. Abromeit bezeichnete die von Beck vorgenommene Textauswahl "als tendenziös und nicht repräsentativ".

Das Kairos-Palästina-Dokument wurde 2009 in Bethlehem von führenden Theologen und hochrangigen Bischöfe aus der Region sowie vielen Konfessionen unterzeichnet. Sie bezeichnen darin die Besetzung der Palästinensergebiete als Bruch des Völkerrechts und "Sünde". Gegner kritisieren, dass Papier sehe die Schuld im Nahostkonflikt einseitig bei den Israelis.

Quelle: epd