Kirchliche Kinder- und Jugendarbeit präsentiert sich auf der MAT Mit Zuckerwatte und Legosteinen das Evangelium verkünden

Von Annette Klinkhardt

Mit "Zuckerwatte" fand vom 10. bis 12. Januar die Mitarbeitertagung der Kinder- und Jugendarbeit (MAT) in Salem bei Malchin statt.

Fotos: A. Klinkhardt

24.01.2023 · Salem. Es duftet verlockend nach frisch gebackenen Crêpes und Zuckerwatte, Wimpel wimmeln in bunten Reihen quer durch das Foyer, aus verschiedenen Ecken klingt immer wieder ein Lachen: Die MAT in Salem am Kummerower See, eine Mischung aus Kindergeburtstag und WG-Abend mit tiefgründigen Gesprächen über Gott und die Welt, Rollenspielen, gutem Essen, Musik und Tanz. Dafür sorgte diesmal auch wieder Bischof Tilman Jeremias, der in der MAT-Band die Violine spielt. Bereits als Vikar in den 1990-er Jahren hat er die MAT kennengelernt.

Die Mitarbeitertagung der Kinder- und Jugendarbeit steht bei vielen Gemeindepädagoginnen und Diakonen im Sprengel Mecklenburg und Pommern am Jahresanfang fest im Kalender. In früheren Jahren, so munkelt man, sei sie auch eine Art Partnerbörse gewesen.

 

MAT ist Fortbildung und Rückenstärkung

 

Seit einigen Jahren sind auch die pommerschen Mitarbeitenden aus dem Bereich der Kinder- und Jugendarbeit mit dabei. Hanna Wichmann, die mecklenburgische Jugendpastorin, sagt: „Die MAT ist für die Gemeindepädagoginnen, Gemeindepädagogen, Diakoninnen und Diakone Fortbildung und Rückenstärkung. Es ist ein Dank für die geleistete Arbeit im vergangenen Jahr und Fest und Feier und Freude an der Gemeinschaft. Viele von ihnen sind in den Gemeinden so Einzelkämpfer, und hier bekommen sie für den Start des Jahres ein Gefühl von ‚wir sind viele, wir können uns vernetzen‘. Man trifft sich und entwickelt Ideen, und es entstehen Projekte auf regionaler Ebene.“ Rund 160 Frauen und Männer aus der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit sind diesmal die drei Tage  dabei im Ferienland Salem am Kummerower See: Sie beten und singen zusammen, hören Vorträge oder planen auf Propsteiebene aus. Bei rund 15 Workshops und einem Markt der Möglichkeiten geht es um Fertigkeiten wie Comiczeichnen oder für große Gruppen kochen. Ein einmaliges Format in der Nordkirche. Auffällig ist die liebevolle Gestaltung der Räume und des Programms. So lautet am 2. Tag morgens die erste Durchsage: „In Raum 4 liegt noch eine gestaltete Mitte, wir bitten, sie abzuholen.“

Viel Kreatives geschieht im Verborgenen

 

Wer die MAT besucht, bekommt eine Ahnung davon, wie viel Kreativität in jede Christenlehrestunde, jede der unzähligen Jugendstunden, Teamer-Wochenenden, Freizeiten und Ferienangeboten der Evangelischen Jugend fließen. Hanna Wichmann: „Direkt vor Ort, in der Kirchengemeinde, wird zumindest die Spitze des Eisbergs gesehen, nämlich das, was stattfindet. Was da an Zeit und Kraft vorher reingeht, an Kreativität, Fantasie, Ideen, Gelingen und Versagen, das sieht man nicht. Es passiert nicht nur dort Gutes, wo es sichtbar ist, sondern ganz vieles passiert auch dort, wo es nicht sichtbar ist. Und das ist auch gerade im Zusammenspiel mit Kindern und Jugendlichen gut so, die das ja auch brauchen, dass es einen geschützten Raum gibt, der nicht von außen observiert wird.“

 

Hanna Wichmann ist überzeugt, dass das, was in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen passiert, für die Nordkirche „zukunftsweisend und ermutigend“ ist: „Wir nehmen alle auf, darunter ganz viele, die nicht aus kirchlichen Elternhäusern kommen, und gucken, wo wir mit ihnen anknüpfen können. Wir lassen uns auch verändern durch die Anfragen von außen. Deshalb haben wir hier so viel wunderbares Soulfood, weil die Anfragen von den Jugendlichen gekommen sind, der Popcornmaker, die Zuckerwattemaschine, die Liegestühle, das ist alles erprobt mit den Jugendlichen auf der „Fetten Weide“. Das Neueste ist eine Softeismaschine. Die jungen Leute brauchen insbesondere nach Corona einen Ort, an dem sie spüren, das ist so ein kleines bisschen Paradies oder Urlaub hier. Da ist so ein Stückchen heile Welt, damit ich dann nach außen stark genug bin mit allen Anforderungen. Die Kriegssituation, der Klimawandel, Corona, das beschäftigt sie bis ins Innerste.“

Jugendliche brauchen einen Raum

 

Wie gerade die Einschränkungen der Coronazeit die Jugendlichen belastet haben, hat auch Christoph Reinke als Gemeindepädagoge in Altentreptow und Region erfahren. Noch bis zum Sommer absolviert er die berufsbegleitende Ausbildung am Pädagogisch-Theologischen Institut (PTI) der Nordkirche in Ludwigslust,. Man merkt, wie ihn die Arbeit mit jungen Leuten begeistert: „Ich habe den Jugendlichen einfach einen Raum gegeben, wo sie zusammenkommen können – das ist ein großer Gemeinderaum mit Küche in Siedenbollentin. Von Greifswald aus habe ich einen Bus, mit dem ich sie einzeln abhole und wieder nach Hause bringe. Das ist im ländlichen Raum einfach die Voraussetzung. Sie kommen zusammen zum Kochen, zum Quatschen, zum Essen. Es ist nicht der Gottesdienst nach Agende 1, der ja auch vielen erwachsenen Gemeindegliedern schon fremd geworden ist, sondern es ist eine neue Form, die eigene Spiritualität wieder zu finden. Wir machen auch Andachten, und die jungen Leute wüschen sich, im Sommer wieder nach Taizé zu fahren. Da ergänzt sich, was Kirche anbietet und was junge Leute brauchen.“

 

Junge Leute wollen eigene Erfahrungen mit Gott machen

Dass Kirche sich für Jugendliche öffnen muss, meint auch Christina Blohm. Bei einem Workshop stellte sie das Konzept der Held*innenreise vor, das für die Seelsorge mit jungen Leuten Impulse liefern kann. Beim Markt der Möglichkeiten zeigt sie, wie man aus einem Stein Funken schlagen kann und kocht in einem großen eisernen Kessel über der Flamme Punsch. Bevor sie sich zur Wildnispädagogin und systemische Beraterin ausbilden ließ, arbeitete sie als Gemeindepädagogin: „Gerade Jugendliche und junge Erwachsene sind auf der Suche. Es muss eine Öffnung passieren, es soll nicht gesagt werden, wer Gott ist, sondern sie sollen darin frei sein, ihn zu finden. Gerne ein Gebet oder ein Segen, aber sonst möchte ich die Sache selbst ausprobieren und einfach einen Ort haben, wo ich mich entwickeln und nachdenken kann. Das muss kein Bibelkreis sein, aber ein Ort, wo Gemeinschaft gelebt wird.“

 

Vom Comiczeichnen bis zur Nachhilfe

 

Beim Markt der Möglichkeiten zeigten Carsten Altschwager (Kirchengemeinden Rittermannshagen/ Gielow) und Sarah Kerstan (Domgemeinde Güstrow), wie sie mit 100 Kilogramm Legosteinen regelmäßig die Gemeinderäume mit Kindern und Familien füllen. Die Junge Nordkirche warb für die Jugendklimakonferenz, die Greifswalder Pastorin Claudia Heidig stellt die Hausaufgabenhilfe von greifbar vor, bei Kristin Meyer hatten Interessierte Spaß am Comiczeichnen.

 

Es präsentierten sich verschiedene Musikprojekte und Festivals wie TonLaage sowie diakonische Angebote von Kirchengemeinden von Streetworken in Stralsund-Grünhufe bis zum Fischkutter der Rostocker Gemeinde Toitenwinkel.

 

Das Projekt „GeschichtenWerkstatt“ des mecklenburgischen Kirchenkreises stellte Lea Liepe vor: Neben einer großen Werkstatt mit fest eingerichteten Arbeitsboxen etwa zum Minecraftspielen gibt es seit zwei Wochen eine kleine mobile Werkstatt, die in eine Kiste passt und mit der sie die Kirchengemeinden besuchen kann. Auf die eigens angefertigten Figuren aus weichem Holz ist sie besonders stolz. Aus ihnen, mit Stoff oder Farbe gestalten die Teilnehmenden das, was ihnen an einer Geschichte wichtig ist, die die Theaterpädagogin im Kreis erzählt.

 

Biblische Geschichten sind ein Riesenschatz

 

Trotz Handy und Informationshäppchen im Alltag – der Zauber erzählter Geschichte wirke – gerade bei Kindern und Jugendlichen, erfährt Lea Liepe immer wieder: „Wenn ich Geschichten frei erzähle, habe ich noch nie eine Gruppe gehabt, die nicht ruhig und konzentriert geworden ist beim Erzählen. Das Erzählen zieht. Und selbst, wenn man die Jugendlichen fragt, wer von euch mag Geschichten, und die sagen erstmal nichts, dann stellt sich raus, die spielen Spiele, in denen es um Geschichten geht, die schauen Netflixserien - Geschichten sind allgegenwärtig.“

 

Bei der MAT informieren sich viele Religionspädagoginnen und -pädagogen über die Kunst, Geschichten zu erzählen: „Ich habe den Eindruck, dass das ein ganz wichtiger Aspekt ist für den Unterricht in der Schule, wegzukommen vom Arbeitsblatt hin zum Erzählen. Da haben wir mit den biblischen Geschichten einen Riesenschatz, da sind Themen drin, die sind universell. Gleichzeitig aber brauchts Übung, im Erzählen den Transfer zu machen, weil die biblischen Geschichten wortwörtlich in der Lutherübersetzung für die Jugendlichen meist nicht sonderlich attraktiv sind. Da sagt ein Achtklässler, was soll mir das sagen.“

 

Die wichtigste Botschaft kam als Durchsage vor dem Hauptvortrag: „Wer gestern Abend früher ins Bett gegangen ist – die Orks haben gewonnen!“

 

Quelle: kirche-mv.de (ak)