3. Sprengelkonvent in Stralsund Vom sagenhaften Buchstaben, in dem sich Gottes versammelte Schöpferkraft birgt

Evangelische Pastorinnen und Pastoren trafen sich zum 3. Sprengelkonvent in Stralsund

Fotos: ELKM/C. Meyer

13.09.2018 · Stralsund. Nach einem Abendmahlsgottesdienst in der Kirche St. Nikolai versammelte sich der 3. Konvent im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Nordkirche am gestrigen Mittwoch (12. September) im Rathaus der Hansestadt Stralsund.

Oberbürgermeister Dr. Alexander Badrow begrüßte die evangelisch-lutherischen Pastorinnen und Pastoren aus ganz Mecklenburg und Pommern und sagte: „In Zeiten, in denen Fundamente wanken, ist das Besinnen auf christliche Werte wichtiger denn je.“ Der Schweriner Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn nahm den Ball auf und konstatierte: „Wir haben als Kirche wieder gelernt, den öffentlichen Raum zu bespielen. Ähnliche Themen beschäftigen uns – auch der Wunsch, dass Menschen Inspiration erleben.“ Dieses Ziel verfolgt auch der Sprengelkonvent, der die geistliche Stärkung und praktische Impulse für die Pastorinnen und Pastoren zum Ziel hat, aber auch die Begegnung zwischen den beiden Kirchenkreisen Mecklenburg und Pommern fördert.

In seiner Predigt über den Kampf Jakobs am Jabbok hatte der Greifswalder Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit bereits gesagt: „Es gibt Situationen, da muss man mit Gott kämpfen. Wir gehen am Ende hinkend vom Platz, aber als Gesegnete. Dieser Jakob, mit all seinen menschlichen Unzulänglichkeiten, aber zum Schluss segnete ihn Gott doch.“ Und an die Pastorinnen und Pastoren gewandt, fügte er hinzu: „Ist es nicht wunderbar, dass schon die Alten solche Erfahrungen mit Gott gemacht haben, die wir auf unsere Weise auch kennen? Wir sind doch alles ambivalente Persönlichkeiten. Und trotzdem schreibt Gott mit uns seine Geschichte. In dieser Geschichte haben wir unseren Platz, großartig und bescheiden zugleich.“ Nach dem Gottesdienst begegneten sich die Pastorinnen und Pastoren kollegial an Thementischen im Rathaus, an denen aktuell laufende Projekte aus beiden Kirchenkreisen vorgestellt wurden.

Lewitscharoff: Sich auf Zwischentöne beim Predigen besinnen

Mit einer „pfingstlichen Sprachkaskade“ – so Pastorin Anne Gidion – setzte die bekannte Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff im Stralsunder Rathaus ihren Beitrag auf das Thema „Auf der Grenze zwischen Diesseits und Jenseits – Von Gott heute öffentlich reden“ in beeindruckender literarischer und sprachlicher Weise ein. Bischof Dr. von Maltzahn führte in diesen Teil des Konventes ein, indem er selbst aus Lewitscharoffs Roman „Blumberg“ las und der Schriftstellerin schließlich selbst das Wort gab. In ihrem Vortrag ermutigte Lewitscharoff zu einer Predigtsprache, die Raum für das „andere“ lasse und die Verantwortung, das Leben nicht zu verwirken, im Blick behielte: „Zwischen seifigem Liebsein und der rhetorischen Knute siedeln Zwischentöne, auf die man sich besinnen kann.“ Diese Zwischentöne seien auch die große Stärke der Bibel, der die Autorin ein besonderes Kompliment machte: Das Buch der Bücher sei „sagenhaft gut“, weil es die Bandbreite menschlicher Leistung und menschlichen Versagens kurz und prägnant, zuweilen sogar „furztrocken“ darstelle: „Zwischen den Versen wird uns Raum gelassen, um unsere eigenen Bezüge hineinzudenken. Diese Räume zu nutzen, ist ein Vermächtnis, das zur Kreativität geradezu einlädt“.  Pastorinnen und Pastoren mögen daher, so bat die evangelische Christin, keine allzu „verständliche“ Rede von Gott versuchen, sondern den Zuhörern Denkanstöße geben.

Gott nicht herbeierklären, sondern herbeifantasieren

Pastorin Anne Gidion, die als Rektorin des Pastoralkollegs der Nordkirche auf den Vortrag von Sibylle Lewitscharoff antwortete, versuchte es so auszudrücken: „Gott ,herbeifantasieren‘ statt ,herbeierklären‘“. Einen Zugang zum Geheimnis des Glaubens zu ermöglichen und nicht alles „tot zu erklären“, darum ginge es auch bei der barrierefreien, vermeintlich „leichten“ Sprache.

Autorin Lewitscharoff las auch aus ihrem Buch „Das Pfingstwunder“ und schwärmte vor den hebräischkundigen Pastorinnen und Pastoren vom „unaussprechlichen Aleph“: „Dieser sagenhafte Buchstabe, in dem sich Gottes versammelte Schöpferkraft birgt, aus seinem uranfänglichen Schweigen sich löste und endlich zu Gehör gebracht würde.“ Schließlich rief sie den anwesenden rund 250 Pastorinnen und Pastoren zu:  „Halten Sie durch! Auch wenn ihnen der Beruf hin und wieder fragwürdig vorkommen mag: Schauspielern sie gut! In der Schauspielkunst liegt die Chance, etwas in den eigenen Körper fahren zu lassen, das uns zu einem anderen Menschen macht.“

Jede enttäuschte Hoffnung gehört zur Hoffnung

Pastorin Gidion bejahte, dass Theologen von Literaten und Schauspielern lernen könnten, ohne darin ganz aufzugehen: Unabhängig von der Tagesform könne dies helfen, bewusst in die pastorale Rolle „hinzuschlüpfen“ – „so erreichen uns Resonanzen, die uns wiederum im Dienst stärken können“. Religiöse Rede sollte der Welt gegenüber „frech sein, ohne Lüge zu sein“, so die Theologin. Dies sei ein Glück und zugleich die Schwierigkeit. In diesem Zusammenhang stellte Anne Gidion, Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“ interpretierend, klar: „Hoffnung kann enttäuscht werden, aber jede enttäuschte Hoffnung gehört zur Hoffnung dazu.“ Kirchliche Rede habe „als Moralagentur ausgedient“. Statt plakativer Sätze mit ,Du sollst‘ oder ,Du musst‘ sollte die christliche Rede zum Beispiel mit „Was wäre wenn“ beginnen, das heißt „Gegengeschichten“ erzählen. Dabei benötigten alle Worte, wie beispielsweise Demut, Luft und Raum. Dies auszuhalten sei oft nicht leicht, aber dies sei ein Weg, um von Gott als dem ‚Anfangsgott‘ zu reden, so die Theologin. Und auch Lewitscharoff ergänzte: „Bitte ‚erklären‘ sie nicht alles, was im Text steht. Lassen Sie durch ihre Sprache Raum für das Geheimnis, für die Zwischentöne!“

Schönheit der Sprache zum Zuge bringen

In der Diskussion mit den Pastorinnen und Pastoren und ihren Gemeindekontexten wurde nochmals betont, dass es nötig sei, auch mit einer Sprache zu operieren, die nicht einfach „alltäglich“ sei. Zugleich sei die Schönheit der Sprache zum Zuge zu bringen, um etwa von der Erhabenheit Gottes angemessen reden zu können – wobei Fremdworte und intellektuelle Wortschöpfungen außen vor bleiben sollten. Um authentisch zu sein, ergänzte Pastorin Gidion, läge die Stärke pastoraler Rede darin, auf die christliche Hoffnung ausgerichtet zu sein: „Ich weiß nicht, aber ich hoffe oder ich glaube. So predigen wir hin auf das, was unsere Botschaft ausmacht.“

Quelle: ELKM (cme/gal)