Gott gibt Kraft zur Versöhnung Friedensgebet zum 70. Jahrestag des Bombenangriffs auf Stralsund

Während des Friedensgebets in der abgedunkelten und rot-grün illuminierten Stralsunder Jakobikirche verlasen Schülerinnen und Schüler des Hansa-Gymnasiums vor einer Leinwand mit Bildern der zerbombten Stadt Berichte von Augenzeugen.

Foto: PEK/S. Kühl

08.10.2014 · Stralsund. Die Stralsunder Kirchengemeinden luden am Montagabend gemeinsam mit der Stadt zu einem Friedensgebet in die Jakobikirche ein. Anlass war der 70. Jahrestag des Bombenangriffs auf die Hansestadt. Dem Angriff am 6. Oktober 1944 während des Zweiten Weltkriegs fielen etwa 800 Menschen zum Opfer. Zudem kam es zu beträchtlichen Zerstörungen im Stadtgebiet.

Erinnerung ist wie eine Befreiung

Zu Beginn des Friedensgebets schilderten Pastorin Annekatrin Steinig und Pastor Albrecht Mantei die Ereignisse des 6. Oktobers des Jahres 1944 aus der Sicht einer Augenzeugin. Am Ende des Berichts bezeichneten die Pastoren die heutige Erinnerungskultur als eine Form der Befreiung und zitierten ein Wort aus der jüdischen Tradition, in dem es heißt, dass Erinnerung das Geheimnis der Erlösung sei.

Trauer um die Opfer

„Wir trauern heute um die Opfer der Gewalt“, sagte Oberbürgermeister Alexander Badrow. Er erinnerte die Anwesenden daran, dass die Gewalt, die auf Stralsund zurückschlug, eine Gewalt war, die ihren Ursprung in Deutschland hatte. In der Zeit der DDR sei ein Gedenken an die Opfer der Bombenangriffe auf deutsche Städte nicht möglich gewesen, doch sei Erinnerung nötig, um Traumata verarbeiten zu können. Das heutige Erinnerungszeichen an den Bombenangriff auf Stralsund verdeutliche, wie kostbar Menschenleben, das kulturelle Erbe und der Frieden seien, so Alexander Badrow. Er dankte den Stralsunder Kirchengemeinden dafür, dass sie das Friedensgebet initiierten und maßgeblich vorbereiteten.

Aufruf zum Frieden

Helga Ruch, Pröpstin der Propstei Stralsund im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis, rief in ihrer Meditation über den 85. Psalm zum Frieden auf. „Gott ist auf dem Grund des Bodenlosen und fängt uns auf“, sagte die Pröpstin und forderte die Menschen dazu auf, sich an Gott zu wenden. „Er ist der wahre Frieden. Gott ist da und gibt Kraft zur Versöhnung“, so Helga Ruch.

Häuser wurden in Sekunden zu Ruinen

Ein besonders eindrücklicher Moment des Friedensgebets war es, als vier Schülerinnen und Schüler des Hansa-Gymnasiums den mehr als 200 Besuchern des Friedensgebets weitere Augenzeugenberichte vorlasen. Das Licht in der Kirche wurde dazu gedimmt, eine Installation aus rotem und grünem Licht tauchte den Altarraum in einen flammenähnlichen Schein. Auf einer Leinwand im Altarraum erschienen Bilder der zerbombten Stadt. Es sei so gewesen, als ob der Teufel vom Himmel käme, hieß es in einem der Berichte. In Sekunden hätten sich unter dem ohrenbetäubenden Dröhnen der Bomber ganze Häuserzeilen in Ruinen verwandelt.

Gemeinsames Versöhnungsgebet zum Abschluss

Die beklemmenden Augenzeugenbeiträge verdichteten den Schrecken des Bombenhagels in Einzelschicksalen. Anschließend liefen die Namen der Menschen, die bei dem Bombenangriff ums Leben gekommen waren, über die Leinwand. Zum Abschluss des Friedensgebets baten die Teilnehmenden gemeinsam mit den Worten des Gebets von Coventry um Vergebung. Dieses Gebet entstand im Jahr 1959 als Versöhnungsgebet. Es wird jeden Freitag um 12 Uhr in der Ruine der spätmittelalterlichen Kathedrale in Coventry gebetet. Die Kathedrale wurde während eines deutschen Luftangriffs auf Coventry am 14. November 1940 zerstört. Bei diesem Angriff kamen 550 Menschen ums Leben.

Quelle: PEK (sk)