Stralsunder Pröpstin Helga Ruch aus dem Dienst verabschiedet Bischof Jeremias: "Kirchliches Urgestein mit einem kaum erschütterbaren Gottvertrauen“

Bischof Tilman Jeremias entpflichtete die Pröpstin von ihrem Dienst als leitende Theologin im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis. Helga Ruch gab als Zeichen dafür das pröpstliche Amtskreuz zurück.

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

22.05.2022 · Stralsund. Pröpstin Helga Ruch wurde am heutigen Sonntag während eines Gottesdienstes in der Stralsunder Marienkirche von ihrem Dienst als Pröpstin im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis durch Bischof Tilman Jeremias entpflichtet. „Du bist kirchliches Urgestein hier in Pommern und nun auch schon sehr lange leitend unterwegs. Sehr selbstverständlich bist du als Frau diesen Weg gegangen in einer lange männerdominierten Kirche. Du hast mit deiner klaren, entschiedenen Art gezeigt, dass du leiten willst und kannst und warst dadurch auch Mutmacherin für andere Frauen“, sagte der Bischof in seiner Ansprache.

In den Mittelpunkt ihrer Predigt hatte Helga Ruch zuvor einen Text aus dem elften Kapitel des Lukasevangeliums gestellt, in dem es um die Bedeutung des Betens geht. Beten sei das Atmen der Seele, so Helga Ruch. „Gebet ist der erste und vornehmste Auftrag von Kirche, ob es sich nun um die sonntägliche Fürbitte, Friedensgebete, das Lob Gottes im Lied und in der Musik oder anderes handelt, das eine Form von Gebet ist. Dass wir beten können, ist nicht nur auf uns als Christen beschränkt, sondern verbindet uns mit allen anderen Menschen.“ Eine Erkenntnis aus dem zitierten Bibeltext sei für sie, dass nur derjenige wirklich geben könne, der um seine eigene Bedürftigkeit weiß. Die Feststellung, dass es uns oft am Nötigsten fehle, sei die Voraussetzung dafür, um erleben zu können, was es heiße, beschenkt zu werden und selbst schenken zu können.

 

Helga Ruch: „Bedenkt, dass ihr eine Familie Gottes und eine Kirche seid.“

 

„Wenn ich auf meinen eigenen Weg als Pastorin in der Gemeinde, im Superintendenten- und Propstamt zurückblicke, dann waren es genau die Erfahrungen der eigenen Bedürftigkeit, die letztendlich fruchtbar waren. Die ersten nicht einfachen Schritte mit Personaldebatten und Arbeitsrechtsstreitigkeiten etwa - wenn da nicht ein Kreiskirchenrat gewesen wäre, der mir unauffällig den Rücken gestärkt hätte… Theologische Kämpfe in Struktur- und Leitbildprozessen, die andauernde Frage nach dem richtigen Weg, verbunden mit allen Zweifeln und Unsicherheiten, wenn es da nicht hin und wieder den klaren Zuspruch gegeben hätte: Lasst euch dennoch nicht auseinanderdividieren, bedenkt, dass ihr trotz allem eine Familie Gottes, eine Kirche seid… Situationen, in denen sich in mir das Gefühl breitmachte: Du bist dem Ganzen nicht gewachsen, wenn da nicht immer wieder gekommen wäre: Aber Ich habe dich berufen und bei Mir ist alles, was du brauchst…“ Zur der von Helga Ruch beschriebenen eigenen Bedürftigkeit zählte sie auch die Erkenntnis, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen und getrost darauf zu vertrauen, dass da sein wird, was wir brauchen, weil der Vater im Himmel da ist. „Und es ist Seine Kirche, für die Er sorgen wird in all ihrer Bedürftigkeit. Es ist Seine Welt, die Er nicht allein lassen wird, auch wenn es manchmal den Anschein hat. Darauf lasst uns vertrauen, heute und immer: Jeder nämlich, der bittet, empfängt, und wer sucht, wird finden, und wer anklopft, dem wird geöffnet.“

 

Tilman Jeremias: „Bei dir weiß man immer, woran man ist.“

 

Bischof Tilman Jeremias erklärte in seiner Verabschiedungsansprache, dass ihn an Helga Ruch besonders beeindrucke, wie unmittelbar sie ihre Kirche liebt. „Du feierst spürbar gern Gottesdienste, lebst aus einem kaum erschütterbaren Gottvertrauen, hast einen klaren Blick für die Leute hier.“ Stets habe Helga Ruch eine genaue Vorstellung davon gehabt, was der nächste gute Schritt für die Kirche sein sollte. Das sei für manche nicht immer nur bequem gewesen, doch habe sie sich nicht so leicht von ihrem klaren Kurs abbringen lassen. „Bei dir weiß man immer, woran man ist. Liebe Helga, du hast die wunderbare Gabe, geradeaus zu sein, und das ist einfach wohltuend in einer Kirche, in der wir Konflikte viel zu oft lieber hinten rum zu lösen versuchen. Gott hat dich mit großer Energie ausgestattet und mit einem mütterlichen Blick auf die dir anvertrauten Menschen. Wir sind tief dankbar dafür, was du alles für unsere Kirche getan hast.“

 

Dank für gutes Miteinander

 

Mehr als 280 Vertreterinnen und Vertreter aus den Kirchengemeinden der Propstei Stralsund, aus dem gesamten Kirchenkreis, aus der pommerschen Kirchenkreissynode und aus dem Kirchenkreisrat, aus dem benachbarten Kirchenkreis Mecklenburg, aus der Nordkirche, der Hansestadt Stralsund sowie Freundinnen, Freunde und Wegbegleitende waren in die St. Marienkirche gekommen, um ihrem Dank für das gute Miteinander und für das langjährige engagierte Wirken der Pröpstin Ausdruck zu verleihen.

 

Zur Person

 

Helga Ruch war seit dem Jahr 2000 Superintendentin im damaligen Kirchenkreis Stralsund der pommerschen Landeskirche. Im Zuge der Gründung der Nordkirche und der Bildung des pommerschen Kirchenkreises zu Pfingsten 2012 wurde Helga Ruch Pröpstin im neuen Kirchenkreis mit Dienstsitz in Stralsund und damit eine von drei leitenden Theologen im pommerschen Kirchenkreis, der das Gebiet der früheren pommerschen Landeskirche umfasst.

 

Pröpstin Helga Ruch übernahm im gesamten Kirchenkreis besondere Verantwortung für die Öffentlichkeitsarbeit und die Zusammenarbeit mit den Diensten und Werken. Da Helga Ruch zum Ende des Monats Mai in den Ruhestand geht, hat die Kirchenkreissynode Pastor Dr. Tobias Sarx aus Ribnitz-Damgarten zum neuen Propst gewählt, der am 11. Juni in der Stralsunder Marienkirche in sein Amt eingeführt wird.

 

In Pritzwalk in der Prignitz geboren, wuchs Helga Ruch als Tochter eines Pastors in Kemnitz sowie in der Lausitz auf. Nach einer Ausbildung zur Krankenschwester am Königin-Elisabeth-Hospital in Berlin ging sie ans Oberseminar Hermannswerder. Hier war es zu DDR-Zeiten möglich, ein Abitur abzulegen, das zu einem Theologie- oder Kirchenmusikstudium an einer kirchlichen Hochschule berechtigte.

 

Nach dem Theologiestudium in Greifswald absolvierte sie ihr Vikariat im „Haus der Stille“ in Weitenhagen. Ab 1987 war Helga Ruch Pastorin in der Kirchengemeinde Klatzow. Im Jahr 1997 arbeitete Helga Ruch im Rahmen der Strukturreform in einer Kommission mit, in der es darum ging, aus 15 Kirchenkreisen vier zu machen. Zu den Aufgaben in Helga Ruchs Verantwortungsbereich als Superintendentin zählte die Schaffung der drei Propsteien im pommerschen Kirchenkreis, mit der eine Ausdehnung der ehemaligen Superintendentur in Richtung Süden einherging.

 

Als Pröpstin begleitete und mitgestaltete sie in Stralsund unter anderem das Reformationsjubiläum, den Besuch des Nordkirchenschiffs, den Ökumenischen Kirchentag oder die Partnerkirchenkonsultationen. In jüngerer Zeit zählten unter anderem der Regionenprozess und eine gut funktionierende Pfarrstellenstruktur angesichts der sinkenden Zahl an Pastorinnen und Pastoren zu den großen Herausforderungen ihrer pröpstlichen Tätigkeit.

Quelle: PEK (sk)


Bildergalerie

Zum Vergrößern bitte auf die Fotos klicken (© kirche-mv.de/D. Vogel)


Info

 

Das Propstamt wird im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis von drei Pröpsten in gemeinsamer Verantwortung wahrgenommen. Zugleich tragen sie jeweils Sorge für ihr Propsteigebiet (Seelsorgebezirk) und ebenso für gemeinsame Aufgaben im Kirchenkreis, beispielsweise für die Verwaltung, die Diakonie oder die Dienste und Werke. Die pröpstlichen Sitze befinden sich in Stralsund, Demmin und Pasewalk.

 

Die Propstei Stralsund mit ihren rund 24.000 Kirchenmitgliedern liegt im nördlichen Teil des Kirchenkreises Pommern. Das Gebiet der Propstei Stralsund umfasst die Insel Rügen, große Teile der Halbinsel Darß/Fischland und einen Teil Nordvorpommerns, der im Osten bis Brandshagen reicht, im Süden bis Grimmen und Glewitz und im Westen bis an die Recknitz, die die Grenze zum Kirchenkreis Mecklenburg bildet. Zur Propstei gehören 54 Kirchengemeinden.

 

Im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis werden 139 Kirchengemeinden mit insgesamt rund 71.000 Gemeindegliedern gezählt (Stand: 1. Januar 2022). Der Kirchenkreis Pommern, einer von 13 Kirchenkreisen in der gesamten Nordkirche, regelt seine Aufsicht und Verwaltung im Rahmen der rechtlichen Vorgaben eigenständig, unterstützt die Kirchengemeinden und ist für alle Aufgaben zuständig, die den örtlichen Bereich der Kirchengemeinde überschreiten. Der Kirchenkreis gliedert sich in die drei Propsteien Stralsund, Demmin und Pasewalk.