"Demokratischer Aufbruch"-Gründer mit 71 Jahren gestorben Früherer DDR-Rechtsanwalt Wolfgang Schnur tot

Wolfgang Schnur beim Gründungsparteitag des Demokratischen Aufbruchs am 16. Dezember 1989 in Leipzig

© wikimedia commons

20.01.2016 · Berlin/Rostock. 1989 gründete er die Partei "Demokratischer Aufbruch" (DA) und engagierte Angela Merkel als Pressesprecherin - kurze Zeit später flog er als Stasi-IM auf. Nun ist der frühere DDR-Kirchenanwalt und kurzzeitige Politaufsteiger Wolfgang Schnur im Alter von 71 Jahren gestorben. 

In der DDR war der frühere Rechtsanwalt, der in Rostock eine der wenigen selbstständigen Anwaltskanzleien des Landes führen durfte, durch die Verteidigung von Bausoldaten und Wehrdienstverweigerern im Auftrag der Kirche bekanntgeworden. Bundesweite Berühmtheit erlangte er während der friedlichen Revolution 1989/1990 als Politaufsteiger, Oppositionsvertreter am zentralen Runden Tisch und zeitweiliger Protegé des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU).

1989 gründete der in Stettin geborene Schnur zusammen mit den Pfarrern Rainer Eppelmann und Friedrich Schorlemmer die Partei "Demokratischer Aufbruch" (DA), deren Vorsitzender er auch war. Als Pressesprecherin setzte er die junge Physikerin Angela Merkel ein, die heutige Bundeskanzlerin. Mit der "Allianz für Deutschland" schmiedete Helmut Kohl wenige Wochen später ein konservatives Wahlbündnis, zu dem neben der Ost-CDU auch der DA gehörte. Viele sahen Schnur schon als nächsten Ministerpräsidenten der DDR.

Mandanten und kirchliche Gruppen bespitzelt

Seine kurze und steile Politkarriere endete allerdings abrupt wenige Tage vor den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990, als er als Stasi-IM aufflog. Seit 1964 hatte er für die Staatssicherheit unter dem Decknamen "Torsten" und "Dr. Ralf Schirmer" Mandanten und kirchliche Gruppen bespitzelt.

Nach der Wiedervereinigung eröffnete Schnur 1991 in Berlin eine Rechtsanwaltskanzlei - allerdings wurde ihm 1993 die Anwaltszulassung wegen Mandantenverrats entzogen. Der Bundesgerichtshof bestätigte dies 1994. 1996 verurteilte ihn das Berliner Landgericht zudem wegen Mandantenverrats an dem Künstlerehepaar Stephan Krawczyk und Freya Klier zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe. Zuletzt lebte Schnur mittellos in Brandenburg. Er war mehrfach verheiratet und Vater von insgesamt elf Kindern.

"Gespaltene Persönlichkeit"

Der Wittenberger Theologe und DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer bezeichnete seinen früheren Weggefährten am Mittwoch als gespaltene Persönlichkeit. Schnur sei selbstunsicher und geltungssüchtig gewesen und jemand, der für Geld alles gemacht habe, sagte Schorlemmer der "Mitteldeutschen Zeitung" (Onlineausgabe).

Wie die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf einen Vertrauten berichtete, starb Schnur in der Nacht zu Sonnabend in Wien an Prostatakrebs. Am Mittwoch werde der Leichnam nach Berlin überführt, wo Schnur am 28. Januar auf dem Friedhof der Sophien-Gemeinde in Berlin-Steglitz beigesetzt werden soll.

Quelle: epd/kmv