Der "öffentliche Protestant" aus dem Osten ist tot Reinhard Höppner im Alter von 65 Jahren gestorben

Von Thomas Schiller

Reinhard Höppner

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10.06.2014 · Magdeburg. Wer an die Verbindung von Politik und Protestantismus denkt, dem fällt schnell Reinhard Höppner ein. In der Nacht zum Montag starb der langjährige Ministerpräsident Sachsen-Anhalts im Alter von 65 Jahren nach schwerer Krankheit.

Zuletzt hatte Reinhard Höppner wegen seiner schweren Erkrankung kürzer treten müssen: Als der langjährige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Anfang Dezember vergangenen Jahres 65 Jahre alt wurde, hatte die Krankheit schon Spuren hinterlassen. Doch der Protestant und SPD-Politiker blieb bis zum Schluss ein gefragter Mann: Der Terminkalender des Vaters von drei erwachsenen Kindern war gut gefüllt.

So wollte Höppner in diesem Jahr mit deutlich machen helfen, warum die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 2014 unter das Motto "Reformation und Politik" gestellt hat. "Da landet dann schon die eine oder andere Anfrage für einen Vortrag bei mir", erzählte Höppner vor wenigen Monaten anlässlich seines 65. Geburtstages. Bis zuletzt stand er dem gemeinsamen Leitungskreis von EKD und Kirchentag vor, der das 500-jährige Reformationsjubiläum vorbereitet. Doch die Weltausstellung der Reformation im Jahre 2017 wird Höppner nicht mehr erleben.

Bevor er mit der Wende in der DDR in die Politik ging, war der promovierte Mathematiker schon über viele Jahre in der evangelischen Kirche engagiert. Nach der Friedlichen Revolution trat er den Sozialdemokraten bei und wurde Vizepräsident der am 18. März 1990 frei gewählten Volkskammer. Im wieder gegründeten Land Sachsen-Anhalt führte er von 1990 bis 1994 die SPD-Opposition und war anschließend acht Jahre Ministerpräsident. 2007 stand er als Präsident dem 31. Evangelischen Kirchentag in Köln vor.

"Segeln gegen den Wind"

Höppner, der am 2. Dezember 1948 in Haldensleben bei Magdeburg geboren wurde, ist immer eines geblieben: ein "öffentlicher Protestant". In der DDR hatte er gelernt, Richtung zu halten und dem Druck standzuhalten. "Segeln gegen den Wind" hat er es einmal genannt. Die evangelische Kirche bot dafür Raum. Aus dem protestantischen Glauben bezog der Sohn eines Pfarrers, der selbst mit einer Pfarrerin verheiratet war, klare Wertvorstellungen. Höppner galt als Mann des Konsenses, der zwar bescheiden auftrat, aber seine Prinzipien nicht preisgab - er selbst hat sich als "wertkonservativ" bezeichnet. Kritiker sahen dies als eine gewisse Sturheit.

Politisiert wurde Höppner, der nach dem Abitur und einer Ausbildung zum Elektromonteur von 1967 bis 1971 Mathematik an der TU Dresden studiert hatte, durch den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts 1968 in die Tschechoslowakei. Dazu beigetragen hatte aber auch sein Engagement in der evangelischen Kirche, das schon als Jugendlicher begann.

1972 wurde er als 24-Jähriger in die Leitung der Kirchenprovinz Sachsen gewählt und stand von 1980 bis 1994 als Präses an der Spitze der Synode, dem Parlament seiner Landeskirche. Dabei kamen ihm die Erfahrungen zugute, die er als Lektor für Mathematik im Akademie-Verlag in Ost-Berlin und damit in einem nichtkirchlichen Berufsumfeld machte. In der Kirche sammelte Höppner jede Menge Leitungserfahrung in einem demokratisch verfassten Gremium, was ihm 1990 zum Startkapital für seine Politikerkarriere wurde.

1994 machte er als Ministerpräsident einer von der PDS tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung Schlagzeilen. Denn mit dem umstrittenen "Magdeburger Modell" setzte erstmals eine Landesregierung auf die Stimmen der SED-Nachfolgepartei. Das brachte ihm scharfe Kritik vieler Bürgerrechtler, aber auch aus der eigenen Partei ein. Die PDS stützte nach dem Ausscheiden der Grünen aus dem Landtag auch Höppners SPD-Minderheitsregierung ab 1998, die jedoch 2002 abgewählt wurde. Danach legte Höppner alle Ämter nieder und behielt nur noch sein Landtagsmandat, das er 2006 aufgab.

Höppner blieb indes gefragt. Er leitete Kommissionen zum Missbrauch von Heimkindern in der DDR ebenso wie zur Reform der Führungsstrukturen in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Seine Erfahrungen und seine Ideen werden vielerorts schmerzlich fehlen.

Quelle: epd