In kritischer Solidarität zur Kirche Vor 70 Jahren erschien die erste Ausgabe der "Mecklenburgischen Kirchenzeitung"

Von Anne-Dorle Hoffgaard

Kirchenzeitung im Wandel präsentieren die Mitarbeiter Marion Wulf-Nixdorf, Tilman Baier und Michaela Jestrimski (v.l.)

Anne-Dorle Hoffgaard

21.04.2016 · Schwerin. Trauungen für Homosexuelle, AfD-Mitglieder im Kirchenvorstand, Bundeswehr-Einsätze - die traditionsreiche Kirchenzeitung für Mecklenburg-Vorpommern scheut keine Konfliktthemen. Vor 70 Jahren erschien die erste Ausgabe des Wochenblatts.

Vor 70 Jahren, am 21. April 1946, erschien die "Mecklenburgische Kirchenzeitung" zum ersten Mal. Sie blieb bis zum Mauerfall die einzige Zeitung in Mecklenburg, die nicht staatlich gelenkt wurde. Im September soll das Jubiläum des evangelischen Wochenblatts gefeiert werden.

Die "Mecklenburgische & Pommersche Kirchenzeitung" (MPKZ) werde Kirche und Gesellschaft auch weiterhin "in kritischer Solidarität" begleiten, sagt Chefredakteur und Pastor Tilman Baier. Kann man als Christ Mitglied in der AfD sein? Wie sind Auslandseinsätze der Bundeswehr zu bewerten? Wie weit soll die Gleichstellung homosexueller Paare gehen? Was tun mit defizitären Friedhöfen? Dies sind einige der Themen, die die Kirchenzeitung zuletzt kontrovers diskutiert hat.

Die Zeitung war nach einer Lizenz der sowjetischen Militärbehörden am 21. April 1946 erstmals erschienen. Zu DDR-Zeiten durften laut Lizenz 15.000 Exemplare gedruckt werden. "Die Auflage war bis 1990 komplett ausverkauft, es existierten Wartelisten", sagt Pastor Baier, der die Redaktion seit 1993 leitet.

Inzwischen ist die Zahl der Abonnenten auf rund 5.000 gesunken. Wie bei anderen Zeitungen auch würden die treuen Abonnenten naturgemäß älter, begründet Baier diese Entwicklung. "Dazu trifft uns als Kirchenzeitung auch die weiter abnehmende Zahl der Gemeindeglieder in Mecklenburg-Vorpommern." Es gelte deshalb, neue Lesergruppen zu gewinnen, "ohne treue Leser zu verlieren". Dazu würden neben der gedruckten "Kirchenzeitung", die es seit zehn Jahren auch digital im Abo gibt, weitere Formen in den sozialen Medien entwickelt. Wichtig sei, dass das Blatt "die Lebenswelt der Leserschaft trifft".

Im Laufe der Jahrzehnte wechselten die thematischen Schwerpunkte: In den 50er Jahren befasste sich die Zeitung vor allem mit der auseinanderbrechenden Volkskirche, und in den 70er Jahren wurde die Rolle der Laien in der Kirche zum Thema. Schwerpunkt in den 80er Jahren waren Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.

Zu DDR-Zeiten bekam es das Blatt - wie die anderen ostdeutschen Kirchenzeitungen auch - immer mal wieder mit den staatlichen Zensoren zu tun. Vor allem in den letzten Jahren vor der Wende ließen die Herrschenden kaum eine Woche vergehen, in der sie nicht den aufmüpfigen Kirchenredaktionen zu verstehen gaben, wer das Sagen im Lande hatte.

So reichte für die "Mecklenburgische Kirchenzeitung" im Herbst 1988 eine für Kinder verfasste Nacherzählung von Abrahams Berufung. "Verlasse deine Heimat, deine Freunde und alle deine Bekannten", heißt es in der biblischen Geschichte in kindgerechter Sprache - Grund genug für das Ost-Berliner Presseamt, Einspruch gegen den Beitrag einzulegen. Denn ein solcher Satz, so die Begründung, komme der Aufforderung gleich, die Heimat zu verlassen, was als "Republikflucht" strafrechtlich verfolgt wurde. Solche Eingriffe hatten sich mit der Wende und dem Einzug der Pressefreiheit erledigt.

Seit 1998 erscheint das Wochenblatt als "Mecklenburgische & Pommersche Kirchenzeitung", und seit 2015 gibt es auch gemeinsame Seiten mit der "Evangelischen Zeitung" in Hamburg. Herausgeber ist heute der Evangelische Presseverband Norddeutschland (EPN) mit Sitz in Kiel.

Die "Mecklenburgische & Pommersche Kirchenzeitung" ist für EPN-Geschäftsführer Matthias Gülzow heute "ein ganz besonderes Phänomen". In der Zeitung und ihrem Erfolg spiegele sich die hohe Verbundenheit der Kirchenmitglieder in den Kirchenkreisen Mecklenburg und Pommern sowie "die Leistung der Redaktion, dieses kirchliche Leben abzubilden und kritisch zu begleiten", sagt Gülzow. "In den Zeiten des dramatischen Wandels der Medienlandschaft hat ein solch gutes journalistisches Produkt, das auch weiterhin auf Print setzt, einen hohen Wert." Es gelte, diesen Wert "zusätzlich behutsam in die digitale Welt zu übertragen".

Quelle: epd