"Spielräume der Freiheit" Erster Kulturkongress der Nordkirche beendet

27.10.2018 · Schwerin.

Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, hat seine Kirche aufgefordert, mehr Geld für die Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden zur Verfügung zu stellen. "Wir müssen uns angewöhnen, Kunst und Kultur angemessen zu finanzieren", sagte Claussen auf dem am Sonnabend in Schwerin zu Ende gegangenen ersten Kunst- und Kulturkongress der Nordkirche. Es sei zudem eine künftige Aufgabe, "mehr Räume zu schaffen, um sich über Kunst und Kultur auszutauschen".

Unter dem Motto "Spielräume der Freiheit" hatten rund 150 Kunstschaffende und kirchlich Engagierte zwei Tage lang darüber diskutiert, was Kultur und Religion verbindet und wie sich der Dialog von Kunst und Kirche in Norddeutschland stärker fördern lässt.

Sinn, Identität, Liebe, Tod und Teufel

Zur Eröffnung am Freitag hatte Landesbischof Gerhard Ulrich gesagt, dass es in Religion und Kultur um die existenziellen Fragen des Menschseins gehe, um Sinn, Identität, Liebe, Tod und Teufel. "Wenn die Kunst in die Kirche kommt, bringt das Herausforderungen mit sich." Doch zu einer guten Beziehung gehörten auch Konflikte, aus denen sich neue Blickwinkel ergeben könnten.

Eine große Stärke heutiger Kunst und Kultur sei ihre Gegenwartbezogenheit. Sie verarbeiteten Gegenwartserfahrungen und könnten darum helfen, die heutige Zeit besser zu verstehen. "Ein Roman, ein Theaterstück, ein Film kann unsere kirchlichen Echokammern aufbrechen und Filterblasen platzen lassen", so Ulrich. Ein Kunstwerk könne das auf eine Weise tun, die sich dem sprachlichen Ausdruck entzieht. Ebenso sei Religion genauso der Versuch, "auch dort noch zu sprechen, wo man eigentlich nicht mehr sprechen kann".

Sebastian Schröder, Staatssekretär des Schweriner Bildungsministeriums, sagte in seinem Grußwort, die Nordkirche trage mit dem Kongress ihrer Verantwortung Rechnung, als kultureller Träger insbesondere im ländlichen Raum oder an Orten mit besonderer Herausforderung aktiv zu werden. Nach den Worten von Jörg Herrmann, Direktor der Evangelischen Akademie der Nordkirche, sollen durch den Kulturkongress neue Perspektiven für den Dialog von Kunst und Religion eröffnet werden.

Regisseur Dresen ist "ein gläubiger Mensch"

Für Regisseur Andreas Dresen haben die Ideale des Sozialismus "an vielen Stellen etwas mit religiösen Ideen von Gerechtigkeit und Humanismus zu tun". Der 1963 in Gera geborene Dresen bedauerte, in der DDR nicht mehr über Kirche und Glauben erfahren zu haben. "Das empfinde ich heute als kulturelles Defizit". Er habe deshalb "dafür keine Religion und keine Gebäude zur Verfügung, aber ich würde schon sagen, ich bin ein gläubiger Mensch."

Zu Dresens bekannten Filmen zählen "Nachgestalten" (1999), "Halbe Treppe" (2002), "Sommer vorm Balkon" (2005) und "Halt auf freier Strecke" (2011). Sein neuester Film "Gundermann" über den 1998 gestorbenen singenden Baggerfahrer Gerhard Gundermann aus dem Lausitzer Braunkohlerevier läuft seit Ende August in den Kinos.

Er habe diesen Film auch machen wollen, "um ein differenzierteres Bild von der DDR zu zeichnen", als das in manchen Filmen bisher geschehen sei, so Dresen. Der Oscar-prämierte Besuchererfolg "Das Leben der anderen" von Florian Henckel von Donnersmarck sei ein guter Film. "Aber er hat mit der DDR so viel zu tun wie Hollywood mit Hoyerswerda."

Der Münchener Theologe Jörg Lauster sagte, das Anliegen von Kunst sei, "ein Weltgefühl zum Ausdruck zu bringen". Während die Musik die unumstrittenste Form der Kultursprache sei, "ist die Kunst die umstrittenste". Bilder ermöglichten Vorstellungen, "sie grenzen aber auch ein". Er forderte dazu auf, nicht überall in der Kunst "Religion aufspüren" zu wollen. Mit Blick auf die weltberühmte Ausmalung der Sixtinischen Kapelle im Apostolischen Palast in Rom sagte Lauster: "Michelangelo wollte keine Religion malen".

Quelle: epd