Die Kirchenstühle von Siggelkow

von Dr. Heinz Niemann

Das Gestühl unserer Kirche stellt nach meiner Meinung eine besonders gut gelungene Mischung von zweckmäßiger Sachlichkeit und einladender Freundlichkeit dar. Besonders die in festliches Rot gehaltenen Sitzkissen und die im Verborgenen sich redlich mühenden Heizungen  heißen jeden Gast, gleich wo er sich setzen möchte, herzlich willkommen. Dennoch sieht man diesem schlichten Gestühl kaum an, welche historische Errungenschaft es in Wirklichkeit darstellt. Ein Blick in die Geschichte soll dies ein wenig deutlicher machen.

 Bis zur Reformation gab es überhaupt keine Sitzmöbel für die Kirchgemeinde. Vorn, zu beiden Seiten des Altars, befanden sich allerdings zwei äußerlich gleiche „Stühle“, die ein geschlossenes, mit Glasfenstern versehenes Stübchen darstellten. Im rechten, also an der Südseite gelegen, nahm der Kirchenpatron mit seiner Familie Platz. Der gegenüber an der Nordseite  gelegene Stuhl war der Beichtstuhl. Er war im Inneren in zwei kleinere Räume geteilt, so dass der Beichtende vom Priester durch eine gitterartige Wand getrennt war.

Diese Anordnung wurde über die Reformation hinaus in unserer Kirche bis zum Neubau eines Altars im Jahre 1816 beibehalten. Ganz trennen mochte man sich aber immer noch nicht von diesen Bauwerken, aber immerhin wurden die Fenster und ein Teil der Wände entfernt, so dass die Stühle „geöffnet“ waren.

 

Die Wirkungen des 30jährigen Krieges

Die Langzeitwirkungen des dreißigjährigen Krieges und die sich daran anschließenden, noch einmal fast einhundert Jahre währenden, Kriegswirren aller Art hatten aber die gesamte Bevölkerung demoralisiert. Rücksichtslos wurden die Bauern von den Grundbesitzern aus ihren Häusern gejagt und zu sklavenähnlichen „Leibeigenen“  gemacht. Besitz und Stellung waren das Wichtigste und wer nur ein Quäntchen mehr als der Nachbar besaß, dünkte sich ihm überlegen und forderte dafür Unterwürfigkeit ein.

Natürlich machten diese katastrophalen gesellschaftlichen Zerrüttungen keinen Bogen um die Kirche. Sie äußerten sich hier unter anderen in einem ständigen Gerangel um die vermeintlich besten Plätze während des Gottesdienstes, was zur Folge hatte, dass der Pastor mehr oder weniger gezwungen war, zusammen mit dem Kirchenpatron und den Kirchenjuraten eine Rangfolge aller Plätze zu bestimmen und fest zu legen, wer wo das Recht hatte zu sitzen.

 

Außenaufgang zum ehemaligen "Neuburger Chor"


Fast war nun die gesamte Südwand mit diesen Bauwerken besetzt. Ihre Spuren sind heute noch daran zu erkennen, dass an dieser Seite ein Teil der Balkenversteifungen fehlen, die sonst den Verbindungsweg zwischen den Bauwerken versperrt hätten.

Nicht weniger lebhaft war es unten im Kirchenschiff zugegangen. Generell hatte man die aus vorreformatorischer Zeit stammende Trennung der Plätze nach dem Geschlecht beibehalten. Rechts saßen die Frauen, links die Männer. Sodann gebührten den Kirchenjuraten, dem Schulzen, dem Zöllner und Krüger, den Hauswirten (Bauern) und den Tagelöhnern besondere Plätze, wobei man wenigstens dadurch eine gewisse Vereinfachung ermöglichte, dass ein solcher Platz für das Familienoberhaupt und seine Frau, die Altenteilsleute und das zugehörige Gesinde, natürlich in der Trennung nach den beiden Geschlechterseiten, galt.