Haus des Lebens

Habt ihr euch schon einmal gefragt, was eigentlich dieses Haus des Lebens sein soll?

 

Ein soziokulturelles Begegnungszentrum. Aha. Was aber genau ist das? Ist es das alte Pfarrhaus? Ja, ist es. Oder wäre es richtig zu sagen: Es ist die eine Seite vom Pfarrhaus? So wäre also auf der einen Seite „Leben“ und auf der anderen ... ungünstige Ausdrucksweise. Und überhaupt „alt“? Ist das die Nachfrage nach dem Bauzeitraum des Hauses oder eher diese hier: Habt ihr das mit dem Pfarrhaus an den Nagel gehängt und macht jetzt „nur noch“ soziokulturelle Begegnung? Legitime Frage, klar. Überhaupt kann man ja fragen, was man will ... aber Antworten, die aus einem Gefühl der Rechtfertigung gegeben werden, sind selten weiterführende Antworten. Und so fragten wir uns selbst immer mehr: Was machen wir denn eigentlich in
diesem Haus des Lebens?

 

Spulen wir ein bisschen zurück. September 2020. Coronaloch, Pastorin gerade neu, Pfarrhaus in Rövershagen auf der einen Seite eine Baustelle, auf der anderen Seite eine unsanierte, unbewohnte Wohnung, auf dem Dachboden irgendwie Charme, aber auch der Staub der Jahrzehnte. Was liegt näher, als unter diesen Umständen ein Gemeindeentwicklungskonzept zu erarbeiten? Okay, zugegeben, es lag nicht nahe ... abwarten und Tee trinken, wäre auch eine Option gewesen ... haben wir auch gemacht und zwar im Altarraum der Kirche. Denn im Gemeindesaal hatte sich ja der Hausschwamm breit gemacht. Hat auch was, in der Kirche Kaffee zu trinken, fanden wir, wären wir ohne den Schwamm gar nicht drauf gekommen.

 

Also Schwamm über die Depression, die sich eingeschlichen hatte, ab ins Auto und einen Tag mit Abstand verbringen, im Haus der Stille in Bellin. Mit Lasagne am Mittagstisch und wunderschönem Spaziergang zur Quelle und bunten Karteikarten auf dem Boden: Was wollen wir in Rövershagen? Und wenn man einmal bei der Quelle angekommen ist – ihr wisst schon, welche Quelle ich meine, denn wir sind ja eine Kirchengemeinde – sprudeln die Ideen. Und so sagte unsere Doris: „So schön es hier in Bellin auch ist ... wir wollen ja kein Haus der Stille, wir wollen doch ein Haus des Lebens“. Wir haben viel geredet an diesem Nachmittag und viele bunte Zettel auf den Boden gelegt.Wenig später dann wieder: bunte Zettel in echt auf dem Fußboden in Graal-Müritz.

 

Spaziergänge mit Alpakas, gegen Stress und Burnout, Seelsorge mit den wuscheligsten Geschöpfen, die Gott, der HERR, erdacht hat. Konzerte im Garten und in der Kirche, Kabarett auf dem Dachboden, Vorträge und Lesungen, Gemeinschaftsgärtnerei, Kommune? Es sprudelte und sprudelte und es verbanden sich Herzen und Köpfe in der gemeinsamen Sehnsucht nach anderem Leben. Genauso unterwegs zu sein, wie wir sind. Berufstätig oder nicht, krank oder gesund, kirchlich-christlich oder spirituell, Pastorin oder Buchhalter, Freunde und Freundinnen eines Lebens, das gut tut, Lebens- und Gemeinschaftssucher. GenauSOunterwegs hieß also der Verein, den wir gründeten.

 

Und diese Idee mit dem Verein kam der einen in Graal-Müritz und dem an-deren zur genau gleichen Zeit in Leipzig und am Telefon wurde sie geboren. Warum? Weil es leichter ist, in unserem bürokratischen Land in einer an-erkannten Struktur zu wirken. Als gemeinnütziger Verein können wir För-dergelder beantragen, bekommen steuerliche Vergünstigungen, haben klei-nere Hürden bei der Eröffnung eines Cafés. Denn ja, davon träumen wir auch: dass unser Paradiesgarten ein Ort ist, an den jede und jeder kommen kann und verweilen: zum Ausruhen, um Menschen kennen zu lernen, um sich ein Buch aus unserer Bibliothek zu nehmen, um Kräuter zu sammeln oder Qigong im Garten zu machen, um den Abendglocken zu lauschen ...und dabei ein schönes Stück Kuchen zu essen oder ein mit Liebe belegtesBrot oder eine Limo zu trinken oder einen Kaffee mit viel Schaum.

 

Wir wollen zuhören und da sein ... so einen Ort wollen wir bauen und schenken: einen offenen Ort der Begegnung für alle. Weil unsere Gesellschaft das dringend braucht. Und weil Jesus uns das vorgelebt hat: Er hat keine exklusive Gemeinschaft von Leuten mit Taufschein gegründet, sondern hat ganz verschiedene Menschen angesprochen. Genau genom-men hauptsächlich die, die nicht dazugehörten. Was aber nicht heißen soll, dass die mit dem Taufschein und den Kirchensteuern jetzt auf einmal draußen sind, nein: wir alle zusammen. Denn wie könnten wir ein für alle offenes Haus pflegen, ohne all die Mühe, all das Herz und auch das Geld, dass Christen in diesen und viele andere Kirchorte gesteckt haben? Das ungefähr machen wir dort.

 

Wir wissen auch vieles nicht, aber wir lieben den Ort und die Idee und die Vorstellung von einer gastlichen Kirche, die ihre großen Türen so weit aufmacht, dass alle kommen können, die wollen. Und wenn man einmal sein Herz aufgemacht und keine Angst mehr hat, sondern ein fröhliches, mutiges Lied des anderen Lebens auf den Lippen hat, dann kommen einem noch mehr Ideen. Wir sind bunt und wir sind viele und das Haus des Lebens hat viele Türen im ganzen Sprengel. Wäre es nicht wunderbar, wenn wir uns genauso zusammen auf den Weg machen?